Post zwischen Rekordergebnis und Streik: Wie passt das zusammen?
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Verdi könnte nun jederzeit zu Poststreiks aufrufen.
© Quelle: Bernd Thissen/dpa
Am Donnerstagmorgen war die Stimmung bei der Deutschen Post noch prächtig: Vorstandschef Frank Appel verkündete ein neues Rekordergebnis, sowohl der Umsatz als auch der Gewinn legten 2022 deutlich zu. „Es war ein sehr erfolgreiches Jahr, aus dem wir als Konzern in bester Verfassung herausgehen“, sagte Appel. Seit Donnerstagnachmittag steht allerdings fest, dass den Konzern demnächst ein heftiger Arbeitskampf plagen könnte: In einer Urabstimmung sprachen sich die Verdi-Mitglieder für einen unbefristeten Streik bei der Post aus.
Dabei ließ bei der Bilanzvorstellung kaum ein Topmanager Zweifel daran, dass das Rekordergebnis vor allem den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zu verdanken ist: Die Post setzte im vergangenen Geschäftsjahr insgesamt 94,4 Milliarden Euro um, 15,5 Prozent mehr als im Vorjahr. Der operative Gewinn (EBIT) lag bei 8,4 Milliarden Euro, 2021 waren es noch 8 Milliarden. „Die Grundlage dessen sind die Kolleginnen und Kollegen, die unsere riesige gelbe Maschine zum Leben erwecken“, sagte Personalvorstand Thomas Ogilvie.
Doch ausgerechnet im Stammgeschäft wollen die Postler auf die Barrikaden gehen, wie die Gewerkschaft Verdi später erklärte: 85,9 Prozent der Gewerkschaftsmitglieder sprachen sich für Arbeitsniederlegungen aus. Rein rechtlich kann das hiesige Brief- und Paketgeschäft nun jederzeit und unbefristet bestreikt werden – obgleich die Post und Verdi am Nachmittag erklärten, eine weitere Verhandlungsrunde wagen zu wollen. Die vorige Runde war im Februar gescheitert. Nun wolle man aber „kurzfristig doch noch zu einem zustimmungsfähigen und wirtschaftlich tragfähigen Ergebnis kommen“, sagte Ogilvie.
Am Freitag wird nochmal verhandelt
Ob es in Deutschland zu einem großen Poststreik kommt, wird sich deshalb frühestens am Freitag klären, wenn die Verhandlerinnen und Verhandler erneut aufeinandertreffen. Bisherige Angebote hatte Verdi für unzureichend erklärt, nun sieht sich Verhandlungsführerin Andrea Kocsis durch die Urabstimmung gestärkt: „Die Arbeitgeber sind gut beraten, dieses Votum sehr ernst zu nehmen.“ Verdi fordert unter Verweis auf die hohe Inflation 15 Prozent mehr Geld für Briefträger, Paketbotinnen und Paketboten und andere Beschäftigte im sogenannten Konzernbereich Post & Paket Deutschland.
Der ist allerdings jener, der aus Unternehmenssicht am stärksten schwächelt: Der Umsatz beim Geschäft mit Briefen und Paketen sank hierzulande von 16,9 auf 16,3 Milliarden Euro. Auch wegen höherer Energiekosten gab der Gewinn von 1,75 auf 1,27 Milliarden Euro nach. Das ist schlechter, als die Post erwartet hatte. Appel rief angesichts des Tarifstreits denn auch nach einer „Balance zwischen spürbarer Lohnerhöhung und wirtschaftlicher Tragfähigkeit“.
Postchef warnt vor zu hohem Tarifabschluss
Die von Verdi geforderten 15 Prozent mehr Gehalt würden die Post ihm zufolge etwa eine Milliarde Euro pro Jahr kosten. Ob die Post in der kurzfristig angesetzten Verhandlungsrunde genug Zugeständnisse macht, um einen Streik zu verhindern, ist deshalb offen. Deutschland-Chefin Nikola Hagleitner kündigte jedenfalls an, auf Arbeitsniederlegungen vorbereitet zu sein, „so gut man eben auf einen Streik vorbereitet sein kann“. An den bisherigen Warnstreiks hat sich ihr zufolge ein Drittel der Beschäftigten beteiligt. Das habe man hinbekommen, sagte Hagleitner.
Zugleich warnte Appel, dass ein zu hoher Tarifabschluss große Risiken berge. Man könne keine Dinge tun, die das Deutschland-Geschäft „nachhaltig infrage stellen“, sagte der Vorstandsvorsitzende – der außerdem betonte, dass für die Deutsche Post das Auslandsgeschäft immer wichtiger wird. Aktuell sind nach Konzernangaben nur noch 14 Prozent der Beschäftigten hierzulande tätig, der Rest verteilt sich auf nahezu alle Länder weltweit.
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Das Auslandsgeschäft brummt
Und im Gegensatz zum Heimatmarkt entwickelt sich das Geschäft des Logistikriesen auf globalem Parkett und in anderen Bereichen prächtig. Die Frachtsparte legte beim Umsatz um fast ein Drittel auf 30,2 Milliarden Euro zu und die Lieferketten-Dienstleistungen wuchsen um ein Sechstel auf 16,4 Milliarden Euro – beide Konzernbereiche wurden deutlich profitabler. In der Expresssparte sah es anders aus: Die legte im Umsatz zwar zu, der operative Gewinn sank aber leicht. Beim ausländischen Paketgeschäft sah es ähnlich aus.
„Der Konzern ist in sehr guter Verfassung“, fasste Appel es deshalb trotz der Querelen auf dem Deutschland-Markt zusammen. Je nachdem, wie lange der hiesige Arbeitskampf dauert, wird er dessen Ende nicht mehr als Postchef mitbekommen: An der Konzernspitze löst ihn im Mai Tobias Meyer ab, der hat passenderweise zuletzt das internationale Geschäft geleitet.
Mit dpa