Die deutsche Wirtschaft in der Krise: wenig Wachstum, viel Inflation
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Ein Baukran steht auf dem Gelände des ehemaligen Hüttenwerks Phoenix West.
© Quelle: Bernd Thissen/dpa
Die deutsche Wirtschaft hält sich trotz der vielen Probleme bisher besser als erwartet. Während die meisten Expertinnen und Experten für das dritte Quartal bereits den ersten Rückgang erwartet hatten, ist das Bruttoinlandsprodukt (BIP) noch leicht gewachsen. Das hilft allerdings nicht bei der Bekämpfung des größten Problems: Die Inflation ist im Oktober erneut gestiegen. Bundesweit lag sie bei 10,4 Prozent und damit auf dem höchsten Stand seit rund 70 Jahren.
Immer noch wirkt sich der drastische Anstieg der Energiepreise aus, der Anfang des Jahres begonnen hat. Im Vergleich zum Oktober 2021 sei Energie derzeit gut 40 Prozent teurer, teilte das Statistische Bundesamt am Freitag mit. Außerdem treiben immer noch weltweite Logistikprobleme die Preise. Beide Faktoren treffen fast alle anderen Produkte und führen zu Teuerung auf breiter Front. So kosten Nahrungsmittel derzeit im Schnitt 20 Prozent mehr als vor einem Jahr. Dienstleistungen seien um 4 Prozent teurer geworden, die Kaltmieten allerdings nur um 1,8 Prozent.
Für die Bundesländer Nordrhein-Westfalen und Bayern summiert sich das bereits auf 11 Prozent, bundesweit sehen die Statistiker die Inflation in einer ersten Schätzung aber noch unter dieser Marke. Es ist trotzdem die stärkste Teuerung seit den Nachkriegsjahren, und Entspannung ist nicht in Sicht. „Die Inflationswelle ist noch nicht gebrochen“, sagte Ifo-Konjunkturexperte Timo Wollmershäuser. Laut einer Umfrage des Instituts planen 97 Prozent der Lebensmittelhändler weitere Preiserhöhungen. Gleichzeitig sei der Anstieg der Energiekosten noch nicht vollständig bei den Verbraucherinnen und Verbrauchern angekommen.
Die weitere Entwicklung der Energiepreise ist die große Unbekannte der Inflationsprognosen. So sind die Preise für kurzfristige Gaslieferungen an der Börse zuletzt deutlich gefallen, mit Blick auf die nächsten Monate bleiben sie aber hoch. Parallel dämpft die Bundesregierung die Entwicklung mit einer Mehrwertsteuersenkung und der geplanten Preisbremse. Die Effekte sind extrem schwer zu kalkulieren, entsprechend weit liegen die Voraussagen aktuell auseinander.
Wann sich die Teuerung abschwächen wird, hängt auch von der Konjunktur ab. Bricht diese ein, schrumpft die Nachfrage und der Preisauftrieb lässt nach. Doch das passiert offenbar später, als viele erwartet haben. In den drei Monaten von Juli bis September 2022 ist die Wirtschaftsleistung in Deutschland überraschend um 0,3 Prozent gewachsen. Sie lag damit um 1,2 Prozent höher als vor einem Jahr und erstmals auch wieder über dem Vor-Corona-Niveau. „Die europäische Wirtschaft ist offenbar erheblich anpassungsfähiger, als viele denken“, sagt Martin Moryson, Chefvolkswirt für Europa bei der Fondsgesellschaft DWS.
Privater Konsum weiter hoch
Vor allem der private Konsum halte die Wirtschaft am Laufen, sagte Peter Hohlfeld, Konjunkturexperte des gewerkschaftsnahen Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK). Das ist eigentlich eine gute Nachricht – macht den Kampf gegen die Inflation aber nicht einfacher. Denn die wachsende Wirtschaft zeugt davon, dass viele Unternehmen die Preise bisher noch erhöhen können, ohne ihre Kundinnen und Kunden zu vergraulen.
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© Quelle: dpa
Nach Meinung vieler Fachleute ist das aber nur eine Frage der Zeit. Die hohe Inflation lasse die Kaufkraft der Konsumentinnen und Konsumenten einbrechen, sagt etwa Jörg Krämer. Der Chefvolkswirt der Commerzbank hält das relativ gute Abschneiden im dritten Quartal deshalb für die „Ruhe vor dem Sturm“: „Alles spricht für ein Schrumpfen der deutschen Wirtschaft im Winterhalbjahr.“ Ähnlich sieht das Fritzi Köhler-Geib, Chefvolkswirtin der staatlichen Förderbank KfW: „Im dritten Quartal ist das deutsche BIP überraschend gewachsen, aber für dieses und nächstes Quartal zeigen praktisch alle Indikatoren eine Rezession an.“
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Auch IMK-Experte Hohlfeld rechnet mit einer schrumpfenden Wirtschaft im Winter, hofft aber auf eine relativ kurze Phase. Es sei „extrem wichtig, die Kaufkraft breiter Bevölkerungsschichten zu stabilisieren“. Auch der zuletzt gesunkene Gaspreis und die Entlastungsmaßnahmen der Bundesregierung „geben Grund zur Hoffnung, dass Dauer und Tiefe der Rezession begrenzt werden können“.