Deutz tuckert weiter: neue Strategie des ältesten Motorenbauers
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Ein Deutz-Mitarbeiter baut in Köln aus Teilen von Halberg Guss einen Motor zusammen. Jetzt hilft der Kunde bei der Rettung seines Zulieferers.
© Quelle: Rolf Vennenbernd/dpa
Frankfurt am Main. Mit einem 700 Kilogramm schweren Ungetüm, das über eine Leistung von sage und schreibe 0,5 PS verfügte, fing alles an. Der Autodidakt Nicolaus August Otto konstruierte das Verbrenneraggregat in einer kleinen Werkstatt im Schatten des Kölner Doms. Nächstes Jahr feiert der Motorenbauer Deutz seinen 160. Geburtstag. Und wie soll es die nächsten 160 Jahre weitergehen? Erst mal mit Verbrenneraggregaten. Aber nicht nur. Der aktuelle Chef Sebastian Schulte stellte am Donnerstag die neue Unternehmensstrategie vor: Er setzt auch auf Kraftmaschinen, die mit Elektrizität, Wasserstoff oder sogenannten synthetischen Kraftstoffen arbeiten.
Die Kölner Traditionsfirma steht vor den größten Umwälzungen in ihrer Geschichte. Sie produziert Motoren vor allem für Bau- und Landmaschinen. Aber auch in Schneefräsen, die in den französischen Alpen eingesetzt werden, und in ukrainischen Transportpanzern brummen die Maschinen aus der Domstadt. Schulte quantifiziert den aktuellen Anteil der Dieselmotoren am Output auf 97 Prozent. Das soll sich ändern: „Die Branchen, die wir beliefern, stecken mitten in einer grundlegenden Transformation hin zu mehr Klimaneutralität“, so Schulte. Der Manager, seit knapp einem Jahr im Amt, hat als Ziel ausgegeben, dass das Unternehmen im Jahr 2050 klimaneutral sein soll – muss es auch, so schreibt es das Klimaschutzgesetz vor.
Deutz wird nun in zwei Sparten aufgeteilt. Green steht für CO₂-freie Motoren. Welche Lösungen dabei zum Einsatz kommen, soll „technologieoffen“ gehandhabt werden. Salopp formuliert, wollen die Kölner ein Tänzchen auf allen Hochzeiten der alternativen Antriebe wagen, auch weil in der Welt der Motoren für schwere und schwerste Vehikel noch nicht ausgemacht ist, was sich durchsetzt. Wenn Schulte Erläuterungen zu diesem Thema gibt, fallen indes oft die Stichworte synthetische Kraftstoffe und E-Fuels. Diese werden mittels grünem Wasserstoff oder aus Pflanzen hergestellt.
Bauern erzeugen Treibstoff für Traktoren selbst
Öko-/Agro-Treibstoff steht gerade auch bei den Deutz-Rivalen hoch im Kurs. Nächste Woche wird die Firma New Holland auf der Grünen Woche in Berlin einen Motor vorstellen, der Methan verbrennt. Das ist besonders für Landwirte mit einer Biogasanlage attraktiv – so kann sich der Bauer den Sprit für den Traktor selbst herstellen. In eine ähnliche Richtung geht ein Aggregat des weltgrößten Landmaschinenbauers John Deere, das ebenfalls in Berlin präsentiert wird und mit Pflanzenöl oder Biodiesel Vortrieb erzeugt.
Schulte sagte dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND): „Synthetische Kraftstoffe können schon jetzt für 2,60 Euro pro Liter produziert werden. Und sie werden noch deutlich billiger werden. Deshalb kann dies auch für uns eine Lösung für klimaneutrale Antriebe sein.“ Deutz hat überdies bereits im vorigen Jahr einen umgebauten Dieselmotor präsentiert, der Wasserstoff direkt verbrennt. Und wie sieht es mit dem E-Antrieb aus, der sich bei Pkw und zunehmend auch bei Lkw durchsetzt? Schulte sieht auch da Chancen. Deutz-E-Motoren sind Teil der neuen Strategie. Wobei: „Elektromotoren und die Batteriezellen werden wir nicht selbst herstellen, sondern zukaufen. Die Montage und die Entwicklung der Steuerelektronik bleibt jedoch in unserer Hand“, so Schulte gegenüber dem RND.
Mit dem Riesenakku zur Baustelle
Ingenieurinnen und Ingenieure haben zudem einen „Power-Tree“ entwickelt. Das ist eine mobile Ladestation, die Bauarbeitende per Lkw mit zur Baustelle nehmen, um dort die Bagger mit Strom zu betanken. Aber: „Schwere Ackerschlepper beispielsweise werden auf absehbare Zeit nicht elektrisch angetrieben“, betont der Deutz-Chef. Er fügt hinzu: „Den Verbrennungsmotor wird es bei Land- und Baumaschinen noch einige Jahrzehnte geben. Denn wir haben es mit Maschinen zu tun, die viele Stunden am Stück laufen und die häufig an Orten eingesetzt werden, die weit weg von der nächsten Steckdose sind.“
Auch deshalb will Deutz in der Sparte „Classic“ mit Bewährtem weitermachen, allerdings sollen die Motoren hocheffizient werden. Das gilt auch für das Unternehmen selbst. Der Ex-Ruderer im Deutschland-Achter hat sich vorgenommen, die Schlagzahl zu erhöhen. Die jährliche Motorenproduktion will Schulte über die 200.000er-Marke drücken, für 2022 waren bis zu 185.000 vorgesehen. Die operative Marge will er auf mehr als 8 Prozent hieven – 4,5 bis 5 Prozent Gewinn aus der betrieblichen Tätigkeit im Verhältnis zum Umsatz stehen im Plan für 2022. Auch durch Übernahmen soll das Unternehmen wachsen. Und das profitable Servicegeschäft soll ausgebaut werden. Dazu zählt auch die Reparatur von 50 Jahre alten Schneefräsen. Wenn da der Motor stottert, kommen die Serviceleute von Deutz, nehmen ihn komplett auseinander und ersetzen Defektes durch Funktionsfähiges, das aus dem großen Teilearchiv der Kölner kommt.