Was das Verbrenner-Aus bedeutet und welche Chancen E-Fuels haben
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Die Umwelt- und Energieminister der 27 EU-Staaten haben nach langen Verhandlungen einen Beschluss zum Verbrenner-Aus gefasst.
© Quelle: Tom Weller/dpa
Frankfurt am Main/Brüssel/Berlin. 16 Stunden dauerten die Verhandlungen in Luxemburg. Erst spät in der Nacht zu Mittwoch einigten sich die Umwelt- und Energieministerinnen und -minister der 27 EU-Mitgliedsstaaten: Dann war das Aus für den herkömmlichen Verbrennungsmotor besiegelt. Neuwagen in der EU müssen vom Jahr 2035 an emissionsfrei sein. Das ist nach Ansicht der EU ein entscheidender Beitrag im Kampf gegen den Klimawandel. Was heißt das genau? Das RND gibt Antworten auf die wichtigsten Fragen.
Was wurde in Luxemburg beschlossen?
Die EU-Staaten einigten sich darauf, dass die sogenannten Flottengrenzwerte für Pkw und leichte Transporter bis 2035 auf null sinken müssen. Diese Grenzwerte schreiben Autoherstellern vor, wie viel Kohlendioxid ihre Fahrzeuge maximal ausstoßen dürfen. Das heißt konkret: Neue Benziner und Dieselfahrzeuge sollen in 13 Jahren durch Elektroautos ersetzt werden, die gar kein CO₂ mehr in die Umwelt blasen.
Gilt das für alle Fahrzeuge in der EU?
Nein. Wer sich im Jahr 2034 einen Neuwagen zulegt, der darf ihn auch über das Jahr 2035 hinaus benutzen. Autoprofessor Ferdinand Dudenhöffer und viele andere Expertinnen und Experten gehen deshalb davon aus, dass Benziner und Selbstzünder noch mindestens bis zum Jahr 2055 auf Europas Straßen unterwegs sein werden.
EU-Staaten für neue Verbrennerregeln ab 2035: Was bedeutet das für Verbraucher?
Ab 2035 sollen in der EU nur noch klimaneutrale Neuwagen zugelassen werden – dafür haben sich zumindest die EU-Staaten ausgesprochen.
© Quelle: dpa
Was genau wurde zum Thema E-Fuels beschlossen?
Im sogenannten Room Document steht: Die EU-Kommission wolle für die Zeit nach 2035 „für die Neuzulassung von Fahrzeugen, die ausschließlich mit CO₂-neutralen Kraftstoffen betrieben werden, einen Vorschlag erarbeiten, der in Übereinstimmung mit dem EU-Recht, außerhalb des Systems der Flottengrenzwerte und in Konformität mit den Klimazielen“ stehe.
Es wird also Ausnahmen vom Verbrenner-Aus geben?
Ausnahmen könnten für Feuerwehrautos, Polizeiwagen und Rettungswagen gelten. Diese werden möglicherweise dann mit E-Fuels betrieben. Ob die EU-Kommission diese Ausnahmen billigt, ist unklar. Die Brüsseler Behörde hat schließlich selbst ein komplettes Verbrenner-Aus für Neuwagen vorgeschlagen. Aber nach der Sommerpause beginnt der sogenannte Trilog zwischen Europaparlament, EU-Kommission und EU-Staaten. Das ist die abschließende Verhandlungsrunde. Änderungen an dem Beschluss sind also durchaus noch möglich.
Wie bewertet die Ampelkoalition in Berlin die Einigung?
Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) sagte am Mittwoch, das beschlossene Aus für herkömmlich betriebene Neuwagen mit Verbrennungsmotor sei ein „fettes Ausrufezeichen für den Klimaschutz in Europa“. Teilnehmer an den Verhandlungen berichteten, man habe nach der stundenlangen Debatte erst einmal „Party gemacht“, um den historischen Beschluss zu feiern. Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) hatte hingegen noch am Dienstagabend betont, das Verbot des Verbrennungsmotors sei „vom Tisch“.
Was sind die Ursachen für das Gezerre?
Es hat unter anderem mit der Vergangenheit zu tun. Die Grünen wollten, als die Regierung im Herbst vorigen Jahres gebildet wurde, unbedingt das symbolträchtige Verkehrsministerium für sich holen. Der Verkehrssektor ist ein zentraler CO₂-Emittent, entsprechend viel lässt sich hier reduzieren. Aber das Ministerium ging an Wissing und die FDP. Diese plädiert regelmäßig für „Technologieoffenheit“ und stemmt sich gegen alles, was nach Verbot klingt.
Was sagt die Opposition?
CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt nannte die Entscheidung der EU-Staaten einen fatalen Fehler. „Den nächsten technologischen Sprung der Verbrenner in eine CO₂-freie Zukunft jetzt vorsätzlich anderen Regionen der Welt zu überlassen, ist vollkommen fahrlässig“, schimpfte Dobrindt. Ähnlich argumentierte der CDU-Europapolitiker Peter Liese. Niemand wisse, „wie die Verfügbarkeit von synthetischen Kraftstoffen, aber auch die Verfügbarkeit von Batterien und den entsprechenden Rohstoffen im Jahr 2035 aussieht“.
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VDA-Präsidentin Hildegard Müller hat den Beschluss der EU-Länder zum Verbrenner-Aus kritisiert (Archivbild).
© Quelle: imago images/Arnulf Hettrich
Wie beurteilt die Autobranche die Entscheidung?
Vom Verband der Automobilindustrie (VDA) gab es heftige Kritik: Die Einigung lasse vieles im Unklaren und sehe immer noch ein faktisches Verbrennerverbot 2035 vor. Und: „Bei E-Fuels scheint es nur für eine Absichtserklärung gereicht zu haben, deren Umsetzung offen ist.“ VDA-Präsidentin Hildegard Müller sprach von einer Entscheidung gegen „eine technologieoffene Industriepolitik“.
Welchen Einfluss hat die Entscheidung auf Autobauer und Zulieferer?
Die Branche muss ohnehin für viele Jahre zweigleisig fahren – auch weil neue Verbrenner für Märkte außerhalb Europas mutmaßlich auch noch nach dem Jahr 2035 produziert werden. Das bringt hohe Kosten und drückt Gewinnmargen. Deshalb hat die Branche massiv für E-Fuels geworben – damit würde eine Chance bestehen, bewährte Technik weiterhin in relativ hohen Stückzahlen für den Kernmarkt Europa zu produzieren. Das würde insbesondere Zulieferern helfen, die sich auf Verbrennertechnik spezialisiert haben.
Wie wird sich der Automarkt hierzulande entwickeln?
Expertinnen und Experten sind sich einig: Hierzulande wird sich der Anteil an Elektroautos kontinuierlich vergrößern. Das wird auch zur Folge haben, dass an Tankstellen immer mehr Zapfsäulen durch Ladestationen ersetzt werden. Zudem gehen Energieunternehmen davon aus, dass fossile Kraftstoffe im Zuge dieser Entwicklung immer teurer werden, weil die Förderung von Rohöl zunehmend stärker zurückgefahren wird. Tendenziell wird es also aufwendiger und teurer, den fossilen Sprit zu tanken, was konventionelle Verbrenner unattraktiver machen wird.
Werden E-Fuels dann zu einer Alternative?
Das wird von den technischen Fortschritten in der Herstellung abhängen. Denn die Prozesse sind extrem aufwendig.
Wie werden E-Fuels hergestellt?
Zunächst muss mit Sonnen- oder Windstrom Wasser in Sauerstoff und Wasserstoff zerlegt werden. Parallel dazu muss mit grünem Strom Wasserdampf mit einer Temperatur von 850 Grad erzeugt werden, um CO₂ zu Kohlenmonoxid zu zerlegen. Dieses sogenannte Synthesegas wird mittels des grünen Wasserstoffs zu synthetischem Rohöl verarbeitet, das dann in Raffinerien per Destillation zu synthetischem Kraftstoff gemacht wird.
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Wie weit ist der Hochlauf bei den E-Fuels?
Bislang gibt es lediglich Pilotanlagen. Die Dresdner Firma Sunfire, führend bei dieser Technologie, plant zusammen mit norwegischen Partnern nach eigenen Angaben die weltweit erste Anlage, die im Jahr 2024 etwa 12,5 Millionen Liter E-Kerosin für die Luftfahrt erzeugen soll. Der Output soll bis 2026 verdoppelt werden.
Was kostet ein Liter synthetischer Sprit?
Preise gibt es noch nicht. E-Fuels werden aber nach heutigem Stand mindestens viermal so teuer sein wie fossiler Sprit. Grund für die hohen Kosten sind die zahlreichen Umwandlungsprozesse, was auch bedeutet, dass der allergrößte Teil der eingesetzten Energie verloren geht: Weniger als 20 Prozent bleiben für den Antrieb von Fahrzeugen übrig. Wird der grüne Strom direkt genutzt, liegt der Wirkungsgrad bei mehr als 90 Prozent.
Was kommt nun auf die Ordnungsbehörden zu?
Autoprofessor Dudenhöffer warnt bereits vor einem riesigen bürokratischen und technischem Aufwand. Denn es müssten Wege gefunden werden, wie Polizei und Ordnungsämter, Verstöße erkennen – also wenn 2036 ein neuer Wagen konventionellen Sprit tankt. Das wird nicht einfach, denn fossiler Sprit und synthetischer sind chemisch identisch. Möglicherweise muss dann mit Beimischungen im Kraftstoff und speziellen Autokennzeichen gearbeitet werden.
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