Spritpreise: harte Zeiten für Fahrer von Dieselautos
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Paris: An einer Tanksäule hängt ein Zettel mit der Aufschrift „Benzin und Diesel sind nicht vorrätig“. Engpässe, die nach Angaben der Regierung größtenteils auf Streiks in französischen Raffinerien zurückzuführen sind, machen den Autofahrern in der Region Paris und anderswo das Leben schwer. Seit Tagen bestreiken Arbeiterinnen und Arbeiter im Kampf um eine Lohnerhöhung Raffinerien im Land.
© Quelle: Christophe Ena/AP/dpa
Frankfurt am Main. Der Preis für einen Liter Diesel hat binnen einer Woche einen heftigen Satz nach oben gemacht: von rund 2 Euro auf mehr als 2,10 Euro am Dienstag. Ins Auge stechen derzeit vor allem die Streiks der Raffineriearbeiter in Frankreich. Doch die Ursachen für den Preisschub sind vielfältiger. Experten und Expertinnen gehen davon aus, dass es im gesamten vierten Quartal zu einer massiven Unterversorgung kommt.
Jetzt verliert Frankreichs Regierung die Geduld. Finanzminister Bruno Le Maire sagte am Dienstag in einem Radiointerview: „Wir müssen eine Einigung in den nächsten Stunden finden.“ Die französischen Autofahrer und ‑fahrerinnen dürften keine Kollateralopfer einer Tarifauseinandersetzung werden. Im Nachbarland werden vier der wichtigsten Raffinerien bestreikt. Vor allem der Norden und der Raum Paris sind betroffen. Die Gewerkschaft CGT will Lohnerhöhungen von 10 Prozent durchsetzen. Als Inflationsausgleich und als Beteiligung an den enormen Gewinnen, die die bestreikten Unternehmen (Total und Exxon Mobil) derzeit einfahren.
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Lange Schlangen an Tankstellen
Le Maire drohte mit Interventionen seitens der Regierung. So könnten Beschäftigte gezwungen werden, an ihren Arbeitsplatz zurückzukehren. Außerdem bestehe die Möglichkeit, weitere Kraftstoffmengen aus der strategischen Reserve zu aktivieren. Was sich in Frankreich gerade abspielt, erinnert an Szenen aus ganz armen Ländern: lange Schlangen an Tankstellen, Autofahrer, die verzweifelt herumfahren, um wenigstens einige Liter des sündhaft teuren Sprits zu ergattern. Durch die inzwischen mehrere Wochen dauernden Streiks mangelt es bei mindestens einem Drittel aller Tankstellen an Kraftstoff.
Fast zwei Drittel der Raffineriekapazitäten wurden heruntergefahren, wodurch die Importe von Benzin und Diesel massiv in die Höhe steigen. Dies wiederum hat die Großhandelspreise für Kraftstoffe in ganz Europa heftig nach oben getrieben, was auch die deutschen Autofahrer zu spüren bekommen. Insbesondere beim Diesel.
Doch da kommen noch andere Faktoren hinzu: „Da wären zum einen saisonale Effekte. Denn die vor dem Wintereinbruch typische erhöhte Nachfrage nach Heizöl treibt die Preise im Herbst immer an – und damit auch die Dieselpreise“, sagte Steffen Bock, Geschäftsführer des Verbraucherinformationsdienstes Clever Tanken, dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND). Zusätzlich werde der Dieselpreis in dieser Saison durch die Substituierung von Gas gepusht. Industrieunternehmen und Stromerzeuger setzen verstärkt Heizöl anstelle des extrem teuren Erdgases ein.
Schwacher Euro und niedrige Lagerbestände
Auch der aktuelle Euro-Dollar-Kurs spiele eine wichtige Rolle. Bock: „Der Dollar ist gegenüber dem Euro sehr stark. Damit verteuert sich der Kauf von Öl für Investoren aus anderen Währungsräumen rechnerisch.“ Und schließlich wirke sich der Beschluss des Ölkartells Opec+, ab November 2022 die Fördermengen und somit das Angebot von Rohöl stark zu verknappen, auf die Preisentwicklung aus.
Treibstoffmangel in Frankreich: Regierung will in wochenlangen Streik eingreifen
Die Bevölkerung reagiert zunehmend genervt auf den Treibstoffmangel. Besonders Pendlerinnen und Pendler sind betroffen.
© Quelle: Reuters
Die Prognose des Clever-Tanken-Chefs für die nähere Zukunft fällt pessimistisch aus: „Die aktuelle Entwicklung der Kraftstoffpreise wird sich vermutlich nicht entspannen.“
Das sehen andere Experten und Expertinnen ähnlich. So macht das Beratungsunternehmen FGE aus Singapur darauf aufmerksam, dass die Lagerbestände von Diesel und Kerosin – beides ist chemisch dem Heizöl sehr ähnlich – an fünf global wichtigen Umschlagplätzen auf den niedrigsten Wert seit 2005 gesunken ist. Dazu zählt auch der Benelux-Handelsplatz ARA (Amsterdam-Rotterdam-Antwerpen).
Massive Unterversorgung in den nächsten Monaten
Das Szenario von Energy Aspects, einem weiteren Energieberatungsunternehmen, geht davon aus, dass Europa beim Diesel im aktuellen vierten Quartal in eine Mangellage hineinläuft, die mit knapp 1,2 Millionen Fass (159 Liter) pro Tag quantifiziert wird. Analysten machen auch Wartungsarbeiten in vielen Raffinerien in Europa und den USA für die drohende Unterversorgung mitverantwortlich. Hinzu kommt, dass weltweit im Zuge der Pandemie viele Anlagen dichtgemacht wurden, weil die Betreiber einst von einer dauerhaft geringeren Nachfrage ausgingen. Und am Horizont steht das beschlossene EU-Embargo für russische Mineralölprodukte, die auf dem Seeweg exportiert werden. Es wird im Februar in Kraft treten.
Für eine Entspannung könnte China sorgen. Die kommunistische Regierung hat die zulässigen Ausfuhrmengen für Raffinerien und Mineralölhändler deutlich nach oben gesetzt. Die chinesische Wirtschaft sei wegen Covid-Lockdowns schwach und die Lager seien gefüllt, sagte Michal Meidan vom Oxford Institute of Energy Studies dem Finanzdienst Bloomberg. Man erhoffe sich durch mehr Exporte eine Belebung der eigenen Wirtschaft. Doch die Ausfuhren würden deutlich unter dem Niveau von vor der Pandemie liegen, betont Mukesh Sahdev von Rystad Energy. Deshalb könne China die Unterversorgung in Europa kaum beheben.
Für hiesige Fahrer von Dieselautos bedeutet all dies, dass sie sich für längere Zeit auf hohe Spritpreise einstellen müssen. Das aktuelle Preisniveau von mehr als 2,10 Euro pro Liter liegt nach den Daten von Clever Tanken satte 60 Cent über dem Vorjahreswert.
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