200 Milliarden Euro

So könnte die Gaspreisbremse funktionieren

Ein Preisdeckel soll den Gasverbrauch wieder erschwinglich machen.

Ein Preisdeckel soll den Gasverbrauch wieder erschwinglich machen.

Frankfurt am Main/Hannover. Seit dem russischen Angriff auf die Ukraine hat sich Gas in Europa massiv verteuert. Jetzt hat die Bundesregierung reagiert – ein „Abwehrschirm“ soll die Energiekrise abwenden. Der Bund nimmt dafür bis zu 200 Milliarden Euro in die Hand, um bis zum Ende des Winters 2023/2024 die Gaspreise einzuhegen und angeschlagene Gasimporteure zu unterstützen.

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„Das ist hier ein Doppelwumms“, sagte der an Corona erkrankte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD). Per TV der Pressekonferenz der Ampel-Koalition zugeschaltet versprach Scholz am Donnerstag, die hohen Energiepreise wieder nach unten zu drücken. „Die Preise müssen runter, dafür wird die Bundesregierung alles tun. Dafür spannen wir einen großen Abwehrschirm.“

Wie wirkt die Gaspreisbremse?

Ein „Basisverbrauch“ soll für Verbraucherinnen und Verbraucher staatlich subventioniert werden. Für diese Gasmenge würden also niedrigere Preise gelten. „Naheliegend ist, dass man einen Grundbedarf subventioniert, die Spitze des Verbrauchs allerdings am Markt bezahlt werden muss. Also je mehr Gas man verbraucht, umso teurer wird es“, so Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) in der RTL-Sendung „Nachtjournal“.

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Ein solcher allgemeiner „Basisverbrauch“ soll auch für kleine und mittlere Unternehmen festgelegt werden, für große Firmen soll die subventionierte Gasmenge individueller gefasst werden. Allerdings gibt es dazu noch keine Details. Die Regierung wartet auf Vorschläge einer bereits eingesetzten „ExpertInnen-Kommission Gas und Wärme“. Diese sollen Mitte Oktober vorliegen. Finanzminister Christian Lindner (FDP) sprach im Polit-Talk von Maybrit Illner am Donnerstagabend gar von „deutlich Anfang Oktober“.

Gasumlage gekippt: Das bringt die Gaspreisbremse der Bundesregierung

Der Staat lässt die Bürger mit der Energiekrise nicht allein. Stattdessen schnürt die Ampel ein riesiges Rettungspaket.

Wie wird ein solcher Grundbedarf ermittelt?

Der Grundbedarf werde entweder über den entsprechenden Gasverbrauch des vergangenen Jahres ermittelt oder es könne ein prozentualer Anteil davon festgelegt werden, der dann billiger sei, sagte Habeck. „Das kann subventioniert und gedrückt werden, aber was darüber hinaus geht, dann eben nicht. So ein Modell wird es werden, damit es immer einen Anreiz gibt, weiter Gas zu sparen.“

Wann sind die Folgen spürbar?

Bundeskanzler Olaf Scholz dämpfte zugleich die Erwartungen, dass die beschlossenen Instrumente für die Absenkung der Gaspreise bereits im Oktober zu spürbaren Entlastungen von Verbrauchern führen würden. „Das wird sicherlich nicht so einfach gehen, weil es ja von uns organisiert werden muss, dass die zu hohen Preise für Gas, die auf dem Weltmarkt bezahlt werden, runtersubventioniert werden müssen“, sagte Scholz in der Sendung „RTL Aktuell“. Gefragt, ob die Entlastungen für die Menschen noch in diesem Jahr spürbar sein würden, sagte Scholz: „Wir sind uns sehr sicher, dass das gelingt.“

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Wie soll das bezahlt werden?

Über neue Schulden. Die Regierung reaktiviert den in der Pandemie eingerichteten Wirtschaftsstabilisierungsfonds (WSF). Dieser bekommt Kreditermächtigungen von 200 Milliarden Euro – und zwar noch in diesem Jahr. Dadurch kann Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) wie geplant im kommenden Jahr die Schuldenbremse wieder einhalten. Für diese gilt im laufenden Jahr bereits eine Ausnahme.

Im ZDF „heute journal“ rechtfertigte Scholz, für das gigantische Hilfspaket weitere Kredite aufzunehmen. „Das ist eine akute Krise, da muss man akut handeln“, sagte er. Die Preise seien zu hoch und müssten runter. „Da wir immer gut gewirtschaftet haben, ... können wir das machen, was wir in solchen Situationen schon öfter gemacht haben: In der Krisensituation Kredite aufnehmen“, sagte Scholz.

Weil nun aber noch mehr Geld gebraucht wird, muss der Bundestag darüber erneut abstimmen. Aus dem neu aufgestellten WSF sollen die Gaspreisbremse und die Hilfen für die Gasimporteure finanziert werden. Außerdem soll mit dem Geld Unternehmen geholfen werden, „die nicht in ausreichendem Ausmaß von der Strom- und Gaspreisbremse erfasst werden“, und zwar in Form von Liquiditäts- und Eigenkapitalhilfen.

Der Präsident des Bundesrechnungshofs, Kay Scheller, kritisierte die Art der Finanzierung des Pakets. „Sondervermögen schaffen Intransparenz. Sie vernebeln Haushaltswahrheit und -klarheit“, sagte er dem Nachrichtenportal „Politico“. Sondervermögen seien meist mit Krediten finanzierte Ausgabeermächtigungen.

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Was ist mit den angeschlagenen Gasimporteuren?

Für „die besonders betroffenen Unternehmen Sefe, Uniper und VNG“ sollen nun „maßgeschneiderte Lösungen“ gefunden werden, hieß es von der Bundesregierung. Hintergrund: Mehrere Gas-Importeure waren durch die enorm gestiegenen Beschaffungskosten für Gas in Bedrängnis geraten. Ursprünglich sollte ihnen durch die Gasumlage geholfen werden, die alle Gasverbraucher ab dem 1. Oktober hätten zahlen sollen. Bekanntermaßen wurde diese Umlage kurz vor ihrer Einführung wieder kassiert.

Gasimporteur Uniper mahnt schnelle Hilfe an. „Damit die Gasversorgung weiter gesichert werden kann, müssen die Kosten für die Ersatzbeschaffung von Gas getragen werden. Die Bundesregierung hat zugesichert, dass die Gasimporteure zu diesem Zweck nun direkt und maßgeschneidert unterstützt werden“, sagte der Uniper-Sprecher der „Rheinischen Post“ (Freitag). „Das ist eine Voraussetzung dafür, dass die Gasimporteure ihre systemkritische Rolle weiter ausüben können.“

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Was ist noch geplant?

Die in Zusammenhang mit der Gasumlage angekündigte Senkung der Mehrwertsteuer auf den Gasverbrauch ab dem 1. Oktober wird beibehalten. Sie wird zugleich auf Fernwärme ausgeweitet. Die Bundesregierung betont trotz der preissenkenden Maßnahmen, dass Energiesparen weiterhin das Gebot der Stunde sei. Neue gesetzliche Vorgaben wurden dazu aber nicht angekündigt. Erneut betonte die Regierung am Donnerstag ihre Bemühungen für „eine umfassende Verbesserung des Angebots“ auf dem Energiemarkt, etwa durch den schnelleren Ausbau der erneuerbaren Energien und die Möglichkeit, zwei der drei verbliebenen Atomkraftwerke einige Monate länger laufen zu lassen.

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Vereinbart wurde außerdem ein „Belastungsmoratorium“: Während der „Zeit der Krise“ soll die Wirtschaft „keine unverhältnismäßigen zusätzlichen Bürokratielasten“ aufgebürdet bekommen.

Wer zahlt am Ende?

Am Ende läuft es auf höhere Staatsschulden hinaus – die irgendwie abgezahlt werden müssen. Eine zeitversetzte Umlage dagegen hatte In der Energiewirtschaft viele Freunde, dabei würde eine Art Gasumlage dann starten, wenn die Weltmarktpreise wieder deutlich sinken. Bis dahin müsste der Staat nur eine Zwischenfinanzierung stemmen. „Wir können davon ausgehen, dass die Gaspreise im Großhandel wieder sinken werden. Es ist politisch und ökonomisch sinnvoll, die Umlage erst bei niedrigeren Preisen zu erheben“, sagte dazu jüngst Florian Bieberbach, der Chef der Münchener Stadtwerke.

Heizt die Gaspreisbremse die Inflation an?

Führende Wirtschaftsforschungsinstitute warnten davor, dass eine Gaspreisbremse die ohnehin schon hohe Inflation weiter anfachen könnte. Zudem gebe es dann weniger Anreize, das knappe Gas zu sparen. Stefan Kooths vom Institut für Weltwirtschaft Kiel sagte bei der Vorstellung des Herbstgutachtens der führenden Wirtschaftsforschungsinstitute, wegen des hohen Importanteils erfordere eine Senkung des Gaspreises „massive Subventionen, die ihrerseits natürlich dann neue Kaufkraft in den Privatsektor pumpen würden“. Damit werde der gesamtwirtschaftliche Preisauftrieb abermals angefacht.

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Dagegen sei die Gasumlage besser als ihr Ruf. Es gehe bei ihr nicht nur darum, die Gasversorger zu retten. Indem die höheren Gaspreise schneller an die Bevölkerung weitergegeben würden, setze man einen Anreiz zum Gassparen auch bei Kunden mit Altverträgen.

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