Die EZB erhöht die Zinsen: Was heißt das eigentlich?
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Hier wird Geldpolitik gemacht: der Turm der EZB in Frankfurt am Main.
© Quelle: Frank Rumpenhorst/dpa
Hannover. Die Inflation in Deutschland ist ebenso wie im Rest der Euro-Zone auf einem historischen Höhenflug. Richten soll und muss es nun die Europäische Zentralbank (EZB). Doch wie funktioniert das eigentlich? Ein Glossar zu den wichtigsten Begriffen und Zusammenhängen dieser Tage.
Was ist Inflation?
Von Inflation ist die Rede, wenn der Durchschnitt aller Preise in einem Währungsraum steigt. Das kann zwei Ursachen haben: „Einerseits steigt die Inflation, wenn sich ein bestimmtes Warenangebot verknappt“, sagt der Ökonom Florian Kern vom Berliner Thinktank „Dezernat Zukunft“. Beispiele dafür sind Ölpreisschocks oder Lieferkettenprobleme. „Andererseits steigt die Inflation, wenn die Nachfrage plötzlich zulegt“, erklärt Kern weiter. Das sei zum Beispiel möglich, wenn der Staat plötzlich große Mengen Geld verschenke und deshalb die Nachfrage nach Waren und Dienstleistungen anziehe.
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© Quelle: RND/Marc Mensing
Was macht eine Zentralbank?
Es obliegt Zentralbanken, den schlussendlich stets schwankenden Wert von Währungen stabil zu halten. Im Euro-Raum ist dafür die EZB zuständig, dort peilt sie stets 2 Prozent Inflation an – vor allem, um Sicherheitsabstand zur schwer beherrschbaren Deflation, also einem sinkenden Preisniveau, zu halten.
Wie funktioniert Geldpolitik?
Eine Zentralbank wie die EZB steuert die Inflation nicht direkt, stattdessen bedient sie sich der sogenannten Geldpolitik: Vereinfacht gesagt muss eine Zentralbank regelmäßig Geld an Geschäftsbanken herausgeben, damit diese die Wirtschaft mit Krediten versorgen können. Mit der Geldpolitik beeinflusst die Zentralbank, wie teuer diese Kredite sind. Je teurer sie beispielsweise sind, desto geringer fällt die Nachfrage nach Waren und Dienstleistungen aus – was tendenziell die Inflation bremst.
Was sind Leitzinsen?
Um die Kreditvergabe in der Wirtschaft zu steuern, nutzt die EZB vor allem sogenannte Leitzinsen: Hauptrefinanzierungssatz und Spitzenrefinanzierungssatz bestimmen, zu welchen Konditionen sich Banken bei der Zentralbank Geld leihen können. Und der Einlagesatz bestimmt, was es kostet, kurzfristig überschüssiges Zentralbankgeld wieder bei der Notenbank zu parken.
Nicht zu den Leitzinsen zählen Anleihekäufe, die aber ähnlich wirken: Wenn zusätzlich zu Geschäftsbanken und Investoren auch die Zentralbank Anleihen von Unternehmen und Staaten kauft, reduziert sie auch damit die Kosten von Krediten in der gesamten Wirtschaft – stützt aber womöglich auch überschuldete Staaten, wie immer wieder kritisiert wurde.
Was ist eine Zinserhöhung?
Wegen der hohen Inflation steht derzeit nur ein Ende der Niedrigzinspolitik und der Anleihekäufe im Euro-Raum zur Debatte – Instrumente, zu denen die EZB angesichts der zuvor jahrelang sehr niedrigen Inflation gegriffen hat. Einfach sei es für Notenbanker aber nicht, Zinserhöhungen richtig zu kalkulieren, sagt Kern, der selbst früher für die Bundesbank gearbeitet hat: „Wenn es ein Angebotsschock ist, droht bei kräftigen Zinserhöhungen eine unnötige Rezession. Ist es ein Nachfrageschock, sind sie hingegen zielführend, um die Inflation zu dämpfen.“
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© Quelle: Reuters
Was ist Forward Guidance?
Letztendlich ist Geldpolitik ein sehr kompliziertes Thema, das viele Ebenen hat. Eine wichtige ist, dass eine Zentralbank schon mit ihren Ankündigungen Zinssätze beeinflusst. In Erwartung steigender Leitzinsen haben deshalb sowohl die Kreditzinsen, etwa für Häuslebauer, als auch die Zinsen auf Sparkonten schon angezogen – obwohl die EZB bislang nur Ankündigungen gemacht hat und erst im Juli wirklich handeln will. Die sogenannte Forward Guidance, also der Versuch, durch Kommunikation Zinsen und damit auch die Inflation zu beeinflussen, spielt mittlerweile bei immer mehr Zentralbanken eine zentrale Rolle.
Welche Bedeutung hat die Geldmenge?
Lange Zeit war die Sorge, dass eine überhöhte Geldmenge zu Inflation führt, dahinter steckt die Angst, dass eine Notenbank sprichwörtlich zu viel Geld drucken könnte. Empirisch ließ sich der Zusammenhang aber nie eindeutig nachweisen, Ökonominnen und Ökonomen sind von dem Konzept weitgehend abgerückt. Zentralbanken wie die amerikanische Fed und die EZB setzen mittlerweile ausschließlich auf die Steuerung der Zinsniveaus. „Die Geldmenge spielt dabei keine Rolle mehr“, so Kern.
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