Lieber sanieren oder umbauen

Negativliste für „absurdeste“ Gebäudeabrisse: Umwelthilfe fordert Moratorium

Balkon an Balkon: der Staudenhof-Wohnblock am Alten Markt 10.

Balkon an Balkon: der Staudenhof-Wohnblock in Potsdam am Alten Markt 10.

Berlin. Wenn Häuser abgerissen werden, ist das Umweltschützern oft ein Dorn im Auge. Denn wenn ein Gebäude verschwindet und dafür ein neues entsteht, werden Ressourcen verbraucht. Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) warnt schon länger vor den Auswirkungen auf Klima und Umwelt. Nun hat sie gemeinsam mit Architects for Future eine Negativliste mit den „absurdesten“ Beispielen von Abrissen in der Republik veröffentlicht.

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Ob Wohnhaus, Hort oder Büro: Die drohenden oder bereits vollzogenen Abrisse würden zeigen, wie diese „klimaschädliche Praxis“ begünstigt werde, so die Umweltschützer, die den „Abrisswahn“, der auf Kosten des Klimas gehe, stoppen wollen.

Johannisbollwerk in Hamburg oder Staudenhof in Potsdam

In ihrer Liste führen sie zum Beispiel das Johannisbollwerk auf, ein altes Kontorhaus in Hamburg. Das 100 Jahre alte Gebäude durfte trotz seines Alters und seiner „stadt­bild­prägenden“ Wirkung an der Hafenkante abgerissen werden, so die DUH. An seine Stelle soll offenbar ein Bürogebäude oder ein Hotel rücken. Durch den Abriss werde Wohnraum zerstört und Energie freigesetzt, kritisiert sie. Außerdem verbrauche der Neubau wiederum Ressourcen.

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Ein weiteres Beispiel kommt aus Brandenburg: Dort soll im Landkreis Oberhavel ein altes Schulgebäude abgerissen werden, das derzeit als Hort genutzt wird. Um das zu verhindern, hatte sich sogar eine Bürger­initiative gebildet. Die DUH kritisiert, dass es für den Abriss keine „sachlichen Gründe“ gebe, das Gebäude sei grundsaniert.

In der Liste findet sich noch ein weiteres Beispiel aus Brandenburg: Der Staudenhof in Potsdam, der bereits überregional Schlagzeilen gemacht hat. Weil das bisherige Wohngebäude in der Innenstadt abgerissen werden soll, hat sich auch dort Widerstand in der Bevölkerung gebildet. Laut der DUH würden durch den Abriss nicht nur 180 Wohneinheiten für Menschen mit geringem Einkommen, sondern auch 10.000 Tonnen gebundene CO₂‑Emissionen aufgegeben.

Gebäudesektor hat Klimaziele gerissen

In der Nachbarstadt Berlin stößt bei den Umweltschützern der Abriss eines Wohngebäudes in der Habersaathstraße im Bezirk Mitte auf Kritik. Der DUH zufolge sollen dort Luxus­wohnungen entstehen. „Tonnenweise vermeidbare Emissionen entstehen durch Abriss und Neubau derselben Anzahl von Wohnungen“, urteilt sie deshalb. Weitere Beispiele der Negativliste sind der Abriss eines Siemens-Bürokomplexes in Köln sowie ein drohender Abriss im Berliner Mettmannkiez.

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Es seien drastische Beispiele für Ressourcen­verschwendung sowie vermeidbare CO₂‑Emmissionen, sagte DUH-Sprecher Matthias Walter bei Vorstellung der Ergebnisse am Montag. Er verwies darauf, dass der Gebäudesektor seine Klimaziele in der Vergangenheit bereits verfehlt habe. „Wir haben ein großes Problem im Gebäudesektor“, sagte auch DUH-Bundes­geschäfts­führerin Barbara Metz. Dabei sei nicht nur ein Blick auf CO₂ wichtig, sondern eben auch auf die Ressourcen.

Umwelthilfe: Abriss muss Ausnahme werden

Etwa 14.000 Gebäude werden jährlich abgerissen, so die DUH, die sich dabei auf Zahlen des Statistischen Bundesamts bezieht. „Das bestehende Gebäude ist immer das klima­freundlichste“, so Barbara Metz. „Durch den derzeit herrschenden Abrisswahn gehen nicht nur wertvolle Ressourcen verloren, auch das Klima wird enorm belastet und dringend benötigter bezahlbarer Wohnraum beseitigt.“

ARCHIV - 25.03.2020, Hamburg: Die Kräne verschiedener Baustellen in der Hafencity zeichnen sich im Sonnenuntergang ab. Wie sich die Finanzen von Bund, Ländern, Gemeinden und Sozialversicherung im ersten Halbjahr 2022 entwickelt haben, gibt das Statistische Bundesamt am Donnerstag bekannt. (zu dpa «Statistiker geben Daten zu Staatshaushalt und Konjunktur bekannt») Foto: Christian Charisius/dpa +++ dpa-Bildfunk +++

Das Ende des Baubooms: Wo sollen nur 400.000 neue Wohnungen herkommen?

Der Bau rutscht in die Krise: Inflation, fehlende Baustoffe und Zinswende machen der Branche zu schaffen. Immer mehr Fachleute warnen vor einem Absturz. Schon in ihrem ersten Amtsjahr steckt die neue Bauministerin Klara Geywitz in ihrer größten Bewährungsprobe.

Die Bundesregierung schaue dabei „tatenlos zu“ und fördere diese „absurde Praxis“ auch noch, kritisiert sie – und appelliert an die Politik: „Was wir brauchen, ist ein Paradigmen­wechsel hin zum Bauen im Bestand.“ Sanieren, Umbauen, Umnutzen und Erweitern müsse das neue Normal werden, der Abriss hingegen die Ausnahme. Da seien auch die Länder gefragt, um eine Abriss­genehmigungs­pflicht in der Muster­bau­ordnung und den jeweiligen Landes­bau­ordnungen zu verankern. Solange das nicht geschehe, müssen die Abrissbagger stillstehen, so Metz, die ein Abriss­moratorium fordert.

Bauministerium will Gebäude weiter­entwickeln

Das Bundesbauministerium verwies auf RND-Anfrage darauf, dass es sich aus Gründen der Nachhaltigkeit und des Klimaschutzes für den Erhalt und die Nachnutzung von Gebäuden einsetze. So könnten sie beispielsweise durch energetische Sanierung, Umbau oder Aufstockung weiterentwickelt werden, um sie für „andere Erfordernisse“ nutzen zu können. „Aus Sicht des Ministeriums ist dies die beste Lösung, wenn sie dem Bedarf in den jeweiligen Orten entspricht“, sagte eine Sprecherin. Allerdings müsse es weiterhin die Möglichkeit geben, dass leer stehende Gebäude „rückgebaut“ – also abgerissen – werden können, um Flächen umzunutzen, oder für die Renaturierung der Fläche.

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