Lebensmittel: Warum klimaneutral nicht gleich klimafreundlich ist
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Lebensmittel liegen in einem Einkaufswagen in einem Supermarkt: Wann sind Produkte klimafreundlich?
© Quelle: Fabian Sommer/dpa/Symbolbild
Berlin. Wenn die Milch im Supermarkt angeblich klimaneutral ist, klingt das erst einmal gut. Beim Einkauf direkt etwas fürs Klima tun – was kann schon dagegen sprechen? Ziemlich viel, findet die Verbraucherorganisation Foodwatch, die nun ein Verbot von „irreführender Klima-Werbung“ fordert.
Denn Begriffe wie „CO₂-neutral“ oder „klimapositiv“ würden nichts darüber aussagen, wie klimafreundlich ein Produkt tatsächlich sei, kritisieren die Verbraucherschützer. Eine Recherche habe gezeigt, dass Hersteller nicht einmal ihren Treibhausgasausstoß reduzieren müssten, um Lebensmittel als klimafreundlich zu vermarkten. Keiner der untersuchten Siegelanbieter mache dazu konkrete Vorgaben, kritisiert Foodwatch. „Stattdessen könnten sich selbst Hersteller unökologischer Produkte mit dem Kauf von CO₂‑Gutschriften fragwürdiger Klimaprojekte ganz einfach klimafreundlich rechnen“, heißt es.
„Grüner Anstrich“ könne Klima sogar schaden
Wenn Lebensmittel wie beispielsweise Rindfleisch sogar als klimaneutral beworben werden könnten, habe das einen gegenteiligen Effekt. „Das kann dem Klima sogar mehr schaden als nützen, wenn Verbraucherinnen und Verbraucher ausgerechnet zu solchen Produkten greifen“, sagt Manuel Wiedmann von Foodwatch bei Vorstellung des Reports „Der große Klima-Fake“ am Donnerstag.
Darin hagelt es vernichtende Urteile für die Lebensmittelindustrie: Verpassen Hersteller ausgerechnet wenig umweltfreundlichen Produkten einen „grünen Anstrich“, würden sie das Vertrauen der Verbraucherinnen und Verbraucher „schamlos“ ausnutzen. Foodwatch nennt auch Beispiele von irreführender Werbung: Mineralwasser von Volvic etwa, das als „klimaneutral“ beworben wird – und das, obwohl es in Einweg-Plastikflaschen aus Frankreich importiert wird. Hipp vermarkte seinen Babybrei mit Rindfleisch als „klimapositiv“. Das sei „dreistes Greenwashing“, kritisiert Foodwatch – Rindfleisch könne nicht positiv fürs Klima sein. Außerdem sei unklar, ob Hipp seine Emissionen maßgeblich gesenkt habe.
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© Quelle: RND
Foodwatch fordert Özdemir zum Handeln auf
Auch ein Mangosaft von Granini stößt auf Kritik, denn um die „CO₂‑Neutralität“ zu erhalten, werde nur das Abfüllen kompensiert – der Anbau der Früchte und der Transport nach Deutschland jedoch nicht betrachtet. Die Verbraucherschützer bemängeln zudem, dass Aldi seine Landmilch als klimaneutral vermarkte und dabei auf „fragwürdige Kompensationsprojekte“ in Uruguay verweise, bei denen Glyphosat gespritzt werde. „Milch ist zudem grundsätzlich kein klimafreundliches Produkt.“ Ein Dorn im Auge ist ihnen auch, dass sich „Gustavo Gusto“ als klimaneutraler Tiefkühlpizza-Hersteller bezeichne, auch wenn die Pizzen Salami und Käse enthalten.
Foodwatch fordert deshalb von Ernährungsminister Cem Özdemir (Grüne), sich in Brüssel für ein Verbot von irreführender Umweltwerbung einzusetzen. Ende November will die EU‑Kommission einen Entwurf für eine Verordnung über solche grünen Werbeversprechen vorlegen. Auch werde über eine Verbraucherrichtlinie diskutiert, die Foodwatch zufolge bereits für Regulationen sorgen könne. „Cem Özdemir muss dem Greenwashing mit Klimalügen einen Riegel vorschieben“, sagt Rauna Bindewald von Foodwatch.
Umwelthilfe teilt Kritik an den Begriffen
Mit der Kritik ist Foodwatch nicht alleine: Die Deutsche Umwelthilfe hat im Mai Rechtsverfahren gegen acht Unternehmen eingeleitet, die mit Klimaneutralität werben. „Dies ist eine besonders perfide Form der Verbrauchertäuschung“, sagt Bundesgeschäftsführer Jürgen Resch. Firmen und Unternehmen, die ehrlich bemüht seien, die Klimawirkung ihrer Produkte zu reduzieren, stünden in einem Wettbewerb mit anderen Firmen, die sich „für einen Bruchteil“ dieser Kosten ein Klimaneutralzertifikat erschleichen und dann keinen Grund mehr sehen würden, die Produkte selbst klimafreundlich zu machen.
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„Jedes Lebensmittel, das einer Verarbeitung unterzogen wird, verursacht CO₂‑Emissionen“, so Resch. Würden dann noch Rohstoffe, Zutaten, Verpackung und das endgültige Produkt selbst über viele Hundert Kilometer transportiert werden, sei ein Lebensmittel keinesfalls mehr „klimaneutral“. Durch die Verwendung dieser und ähnlicher Begriffe werde suggeriert, dass der Konsum solcher Produkte nicht schädlich für das Klima, sondern in Einzelfällen sogar nützlich sei, kritisiert der Umweltschützer.
„Solche Aussagen sollten grundsätzlich untersagt werden, schädigen doch bei heutiger Produktionsweise sämtliche Produkte nicht nur das Klima, sondern auch Umwelt und Ökologie im Allgemeinen. Die EU‑Kommission überarbeitet derzeit den Index irreführender Werbebegriffe, die nicht erlaubt sind. Auf diesen Index gehören sämtliche Begriffe, die Verbraucherinnen und Verbraucher glauben lassen, Produkte seien nicht klimaschädlich.“