Mehr Arbeiten kann nicht die Lösung sein
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Die Antwort auf den Fachkräftemangel kann kaum mehr Arbeit des verbliebenen Personals sein.
© Quelle: Christin Klose/dpa-tmn
Belgien führt die 4-Tage-Woche ein, Schweden experimentiert mit verkürzten Arbeitszeiten – und Deutschland so: Wie wäre es mit einer 42-Stunden-Woche? Einfach mehr arbeiten könne doch, sagt Industriepräsident Siegfried Russwurm, den Fachkräftemangel lösen. Und Finanzminister Christian Lindner (FDP) hält mehr Überstunden für einen klugen Weg aus der Krise. Theoretisch mag beides funktionieren, gesellschaftlich jedoch wäre es völlig falsch.
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So viele offene Stellen wie aktuell hat es laut staatlichem Forschungsinstitut IAB noch nie gegeben. Wer fliegen will, kommt nicht vom Fleck, weil Bodenpersonal fehlt. Wer renovieren will, findet keine Handwerker. Wer essen gehen will, steht vor verschlossenen Türen, weil Köchinnen und Kellner fehlen. Die Antwort auf diesen Fachkräftemangel ist wohl kaum mehr Arbeit des verbliebenen Personals.
Geld allein reicht nicht zur Motivation
Nicht nur, dass die Corona-Pandemie den Arbeitsmarkt durchgeschüttelt hat, die Erwerbsbevölkerung schrumpft, weil die geburtenstarken Jahrgänge in Rente gehen. Die jüngeren Generationen wollen keinen Acht-Stunden-Job, erst recht keinen 8,4-Stunden-Job, den die 42-Stunden-Woche bedeuten würde. Sie wollen Flexibilität durch Homeoffice, Vereinbarkeit von Familie und Beruf, Freude, Wertschätzung und Sinnhaftigkeit in ihrem Arbeitsalltag. Und sie wollen mehr Zeit für Familie, Engagement, Pflege der Älteren, Ehrenamt.
Mit Geld allein lassen sich Arbeitskräfte nicht mehr motivieren. Die jüngeren Generationen sind dabei, den Arbeitsmarkt nachhaltig zu verändern. Jahrzehntelang für die Rente zu arbeiten, erscheint heute vielen absurd: Ihre Rente ist ungewisser denn je, die Krisen groß – warum das Leben (mit Familie) auf die Zeit nach der Karriere aufschieben?
Es ist Zeit, die Arbeit umzukrempeln. Die Chancen der Digitalisierung nutzen, um Prozesse zu entschlacken, um Personal dort einzusetzen, wo Können, Anpacken und Mitdenken gebraucht wird. Und mehr auf die Menschen schauen. Vor allem auf die, die nicht in privilegierten Bürojobs tätig sind. Die Produktivität der Menschen steigert sich, wenn sie zufriedener sind. Eigentlich ganz einfach.
Hannah Suppa ist Chefredakteurin der Leipziger Volkszeitung – neben ihrer Tätigkeit als Chefredakteurin sind ihre Schwerpunkte digitale Transformation und ein neuer Blick auf Ostdeutschland. Sie schreibt vertretungsweise die RND-Kolumne „Chefinnensache“ über Gleichstellung, Diversität und den weiblichen Blick auf die Wirtschaft. Alle bisherigen Beiträge finden Sie hier.