Neue Solarproduktion für Deutschland
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Fotovoltaikanlagen auf Dächern oder im Freiland sollen dazu beitragen, dass in Deutschland bis 2030 80 Prozent des Stroms aus erneuerbaren Energien erzeugt wird.
© Quelle: Marijan Murat (Symbolbild)
München. Die deutsche Solarbranche ist euphorisch. „Ich kann mich nicht erinnern, dass wir je eine so positive Lagebewertung hatten“, freut sich Carsten Körnig zum Auftakt der Münchner Branchenschau Intersolar. 93 Prozent aller deutschen Solarfirmen würden ihre Lage als mindestens gut bezeichnen, sagt der Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands Solarwirtschaft (BSW) zur Branchenstimmung. Seit 2005 wird sie gemessen. Nie war sie besser. Die vor ihr stehenden Aufgaben sind anspruchsvoll. Sollen Klimaziele und solare Ausbaupläne der Ampelregierung erreicht werden, müssen laut BSW ab 2025 jährlich 22 Gigawatt (GW) Solarenergie neu installiert werden. „Das ist anspruchsvoll, aber machbar“, meint Körnig.
2021 wurden in Deutschland sechs GW-Fhotovoltaik neu ans Stromnetz angeschlossen. Das war fast ein Fünftel mehr als im Jahr davor. Binnen vier Jahren ist aber fast noch mal eine Vervierfachung nötig, um die Ausbauziele bis 2030 zu erreichen. Statt heute einem Zehntel soll dann ein Viertel des deutschen Stromverbrauchs per Fotovoltaik gedeckt sein.
Deutschland hat natürliche Ressourcen für 2022 bereits verbraucht
Vom 4. Mai an lebt Deutschland für dieses Jahr auf Pump. Es hat bereits so viele natürliche Ressourcen verbraucht, wie in einem Jahr neu gebildet werden.
© Quelle: dpa
Was die Nachfrage angeht, hat Körnig keine Bedenken. Jede sechste Hausbesitzerin oder sechste Hausbesitzer in Deutschland plane nach einer BSW-Umfrage binnen Jahresfrist, eine Solaranlage zur Strom- oder Wärmegewinnung zu installieren. Als Hauptgründe dafür wurden steigende Energiepreise, Klimawandel und Versorgungssicherheit genannt. Auch die zuletzt zögerliche Nachfrage von Unternehmen nach Solaranlagen auf Firmendächern steigt nun. Gut ein Fünftel aller Betriebe will innerhalb der nächsten drei Jahre Solardächer haben. Bislang hat die jeder zehnte Betrieb. Dagegen produzieren bereits sechs von zehn deutschen Bäuerinnen und Bauern eigenen Solarstrom. Weitere 6 Prozent wollen das nach Angaben des Deutschen Bauernverbands bis Herbst tun.
Die anschwellende Nachfrage muss auch bewältigt werden, was kein Selbstläufer ist. Viele Anlagenkomponenten wie Solarmodule werden hauptsächlich in China gefertigt, seit die deutsche Modulindustrie weitgehend von der Bildfläche verschwunden ist. Dazu kommt Fachkräftemangel, der vor allem auch Handwerksbetriebe trifft, die Solaranlagen installieren sollen.
Die Zeit ist reif für neue Solarproduktion in Deutschland
Was die Materialversorgung angeht, sieht Körnig keinen Flaschenhals seitens globaler Produktionskapazitäten, sondern aktuell ein vorübergehendes Problem bei Lieferketten. In China herrscht vielerorts wieder Corona-Lockdown. Häfen zur Verschiffung von Waren schließen. Auch deshalb sieht Körnig die Zeit reif, wieder Solarproduktion im großen Stil nach Europa und Deutschland zurückzuholen. Die Erfahrungen mit Russland hätten gezeigt, dass man sich in der Energiewirtschaft nicht von einzelnen Lieferanten abhängig machen dürfe. Das zielt auf China und die Möglichkeit, dass das Land einmal Taiwan überfallen könnte wie Russland seinen Nachbarstaat Ukraine.
„Die Hälfte aller Fertigungskapazitäten entlang der gesamten Wertschöpfungskette sollten wir vor Ort haben“, rät Körnig. Derzeit seien es je nach Solarkomponente weniger als 10 und bis zu 15 Prozent. „Die Firmen sind bereit zu expandieren und Banken sind bereit zu finanzieren“, sagt der BSW-Chef.
Solarnationen
Mit einem Zubau von sechs Gigawatt (GW) an Fotovoltaik 2021 liegt Deutschland global auf Rang sechs aller Solarnationen. Klar an der Spitze rangiert China mit 55 GW, gefolgt von den USA mit 27 GW und Indien mit 14 GW. Knapp vor Deutschland liegen auch noch Japan und Australien. Blickt man auf schon insgesamt installierte Leistung ist Deutschland die viertgrößte Solarnation. Auch hier liegt China deutlich an der Spitze vor den USA und Indien. Zuletzt sind die Zuwachsraten für neu installierte Solarkapazitäten in Deutschland wieder gestiegen. Das erste Quartal 2022 brachte einen Zuwachs von rund einem Drittel, nachdem es im gesamten Vorjahr um rund ein Fünftel nach oben ging. Begleitet wird der Neubau von Solaranlagen in Deutschland immer öfter auch von Batteriespeichern. Für jede zweite neue Solaranlage wird ein solcher angeschafft. 413.000 solcher Heimspeicher gibt es mittlerweile in privater Hand bundesweit.
Solarproduktion in Deutschland rechne sich immer mehr, weil die Automatisierung der Industrie den Personalkostenanteil senkt und steigende Transportkosten für Ware aus Fernost von dort bezogene Komponenten verteuert, argumentiert der Verbandschef. Wichtig sei nun, dass die Politik dafür einen investitionsfördernden Rahmen setzt. Das gelte auch für die Ausweisung von Flächen für neue Solarparks.
Um die solaren Ausbauziele zu erreichen, müssten die dazu nötigen neuen Kapazitäten je hälftig auf Dächern aller Art und Freiflächen entstehen. Letzteres bedeute, etwa 0,2 Prozent der deutschen Landfläche dafür zu reservieren, rechnet Körnig vor.
Beschäftigungsmotor Solarwirtschaft
Klappt das alles, könne die Solarwirtschaft zum neuen Beschäftigungsmotor werden. Die Zahl der im Vorjahr branchenweit 51.000 Beschäftigten könne sich dann binnen acht Jahren auf gut 100.000 verdoppeln. Unüberwindliche Personalengpässe sieht Körnig dabei im Gegensatz zu manchem Handwerksbetrieb nicht. „Ich kann aber nicht beschwören, dass es ohne Ruckeln geht und Wartezeiten für Solarinstallationen nicht noch um ein paar Monate steigen“, räumt der BSW-Chef ein. Und teurer werde es wohl auch. In den letzten Monaten seien die Preise für Solaranlagen um ein Zehntel gestiegen.