Was heißt das für Fast Fashion?

Primark schließt Filialen: Deutschland-Geschäft in der Krise

Eine Primark-Filiale.

Eine Primark-Filiale.

Berlin. Es ist noch nicht lange her, da war Primark für viele Jugendliche und junge Erwachsene die erste Wahl, wenn es um schnelle und günstige Mode ging. In Scharen standen sie Schlange vor den Filialen, um später mit prall gefüllten braunen Tüten herauszuspazieren. Der irische Textildiscounter eroberte nach und nach die Innenstädte. 32 Primark-Standorte gibt es in Deutschland.

Weiterlesen nach der Anzeige
Weiterlesen nach der Anzeige

Allerdings nicht mehr lange: Primark schließt erste Geschäfte. Ende Oktober gingen bereits im hessischen Weiterstadt die Lichter aus, im April wird eine der vier Berliner Filialen dichtmachen. Beide Standorte seien kommerziell nicht mehr attraktiv, teilte das Unternehmen dem Fachblatt „Textilwirtschaft“ mit. Auf RND-Anfrage sagte eine Sprecherin, dass Deutschland „ein wichtiger Markt mit viel Potenzial“ bleibe. Derzeit entwickele Primark die Läden weiter – und plane, die Verkaufsflächen zu „optimieren“ und das deutsche Ladennetzwerk zu überprüfen. „Es ist Primarks Ziel, das Deutschland-Geschäft wieder langfristig profitabel zu machen“, so die Sprecherin.

Primark: Der deutsche Markt schwächelt

Übersetzt heißt das: Es läuft alles andere als rund. Die Umsätze auf dem deutschen Markt schwächeln, und dass nun erstmals seit dem Markteintritt in Deutschland im Jahr 2009 Läden geschlossen werden, zeigt, wie ernst die Lage inzwischen ist. In der „Wirtschaftswoche“ sprach ein ehemaliger Mitarbeiter des Mutterkonzerns Associated British Foods (ABF) davon, dass ABF den deutschen Markt wohl überschätzt habe. Primark habe in zu viele Städte expandiert, dort zu große Läden gepachtet und zu viel Ware angeboten. Laut übereinstimmenden Medienberichten steht die Schließung weiterer Filialen im Raum.

Weiterlesen nach der Anzeige
Weiterlesen nach der Anzeige

Einen guten Ruf hatte Primark nie. Schlechte Arbeitsbedingungen in den Nähereien, Chemikalien in der Kleidung – die Modekette stand immer wieder in der Kritik. Zwar versuchte das Management einiges, um nachhaltiger zu werden oder zumindest das Image aufzupolieren, aber das schlechte Gewissen shoppte mit.

Unbezahlbar

Unser Newsletter begleitet Sie mit wertvollen Tipps und Hintergründen durch Energiekrise und Inflation – immer mittwochs.

Mit meiner Anmeldung zum Newsletter stimme ich der Werbevereinbarung zu.

Resultiert die aktuelle Krise womöglich daraus, dass die nachwachsende Generation bei der Wegwerfmode nicht mehr mitmachen will? Es gibt Hinweise, die in diese Richtung deuten.

Greenpeace: Bewusstsein für Nachhaltigkeit bei Mode gestiegen

Laut einer Greenpeace-Umfrage ist das Bewusstsein der Deutschen für einen nachhaltigeren Umgang mit Mode in den vergangenen sieben Jahren „signifikant“ gestiegen. Auch die durchschnittliche Anzahl der Kleidungsstücke hat sich bei den Befragten in diesem Zeitraum reduziert: Von 92 auf 87. Der Rückgang ist bei Jüngeren sogar noch deutlicher: Die Gruppe der 18- bis 29-Jährigen reduzierte demnach ihren Bestand auf 74 Kleidungsstücke. Besonders bei jungen Frauen sei zu beobachten, dass nach Alternativen zur schnellen Mode gesucht werde, sagt Viola Wohlgemuth, Expertin für Kreislaufwirtschaft und Ressourcenschutz bei Greenpeace.

Weiterlesen nach der Anzeige
Weiterlesen nach der Anzeige
In der Fassade des Stadium 974 sind 974 Schiffscontainer verbaut. Die Spielstätte wird oft als Beispiel für die vermeintliche Nachhaltigkeit der WM in Katar herangezogen.

Das Märchen von der Nachhaltigkeit: Was von Katars Umweltversprechen bei der WM übrig bleibt

Abbaubare Stadien, CO₂-Ausgleich, Klimaneutralität: Gastgeber Katar hat bei der WM-Bewerbung versprochen, besonders nachhaltig zu planen. Volle Straßen und Hunderte Charterflüge lassen daran große Zweifel aufkommen. Wie viel des Versprechens kann der Ausrichter einhalten? Ein Report.

Petra Dillemuth, GfK-Expertin für den Bereich Mode, bringt noch einen anderen Aspekt ins Spiel: Konsumentinnen und Konsumenten würden bewusster einkaufen – nicht nur mit Blick auf Nachhaltigkeit, sondern auch auf das verfügbare Einkommen. „Weil sie weniger brauchen, weil sie nachhaltiger leben wollen, weil sie weniger Geld zur Verfügung haben“, so Dillemuth. Schließlich ist auch die Konsumlaune deutlich zurückgegangen, viele schnallen den Gürtel enger. Dillemuth sieht darin eine zweischneidige Entwicklung: Einerseits werde Fast Fashion dazugewinnen, andererseits Secondhand eine zunehmende Rolle spielen.

Konsumverhalten: mehrere Entwicklungen parallel

Auch Chehab Wahby von der Strategieberatung EY-Parthenon glaubt, dass sich derzeit mehrere Entwicklungen gleichzeitig vollziehen, das Geschäftsmodell der schnellen, billigen Mode aber unterm Strich unattraktiver wird. Die Sensibilität für Themen rund um Arbeitsbedingungen oder Umwelt nehme zu. Allerdings sei es auch ein langer Prozess, bis sich das im Handeln bemerkbar mache – das habe man etwa beim Fleischkonsum gesehen. Zwar seien viele Menschen für Tierschutz sensibilisiert, bis sich das aber auf das Konsumverhalten auswirke, könne einige Zeit vergehen. „Das dauert alles ziemlich lang“, so Wahby. Dennoch sollten sich Modeunternehmen auf die zunehmende Sensibilisierung einstellen. „Langfristig wird Fast Fashion echte Herausforderungen haben“, glaubt er.

Ist die Primark-Krise der Anfang vom Ende der Billigmode? Greenpeace-Expertin Wohlgemuth ist skeptisch. Denn während einerseits der Trend zu mehr Nachhaltigkeit spürbar sei, gebe es ebenso einen Trend in die andere Richtung, den die Umweltschützerin „richtig erschreckend“ nennt: „Ultra Fast Fashion“.

Klima-Check

Erhalten Sie den Newsletter mit den wichtigsten News und Hintergründen rund um den Klimawandel – jeden Freitag neu.

Mit meiner Anmeldung zum Newsletter stimme ich der Werbevereinbarung zu.

Weiterlesen nach der Anzeige
Weiterlesen nach der Anzeige

„Ganz andere Dimensionen“ durch Anbieter wie Shein

Plattformen wie Shein setzten auf noch schnellere und noch billigere Mode für eine noch jüngere Zielgruppe – die der Acht- bis 26-Jährigen. Laut Wohlgemuth stellt der chinesische Anbieter bis zu 9000 Artikel täglich auf seine Seite. „Das sind ganz andere Dimensionen als bisher“ so die Greenpeace-Expertin. Sie kritisiert besonders die Chemikalien, mit denen die Klamotten aus Fernost belastet seien. In einem Report der Umweltschutzorganisation fanden sich in 15 Prozent der Shein-Produkte mehr schädliche Substanzen als von der EU erlaubt, was nicht nur für die Verbraucherinnen und Verbraucher, sondern vor allem für die Arbeitenden in den Herstellungsbetrieben eine Gefahr ist.

Primark hat den Trend zum Kaufrausch per Mausklick verschlafen. Vor allem in der Corona-Pandemie zeigte sich, dass die Umsätze der Internethändler steil in die Höhe schossen. „Der Onlinehandel war der absolute Gewinner“, sagt Strategieberater Wahby. „Wer da nicht online aktiv war, hat womöglich Zugang zu den Kunden verloren“, sagt er.

Anbieter wie Zalando profitierten von dieser Entwicklung. Primark allerdings hat noch nicht einmal einen Shop im Netz. Ein Manko, das dem Handelsriesen jetzt auf die Füße fällt.

Mehr aus Wirtschaft

 
 
 
 
 
Anzeige
Anzeige
Empfohlener redaktioneller Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen externen Inhalt von Outbrain UK Ltd, der den Artikel ergänzt. Sie können ihn sich mit einem Klick anzeigen lassen.

 

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr dazu in unseren Datenschutzhinweisen.

Letzte Meldungen

 
 
 
 
 
 
 
 
 

Spiele entdecken