Alles in einer App: Das soll das Carsharing anschieben
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In vielen Städten Deutschlands besteht die Möglichkeit, Carsharing zu nutzen. Eine praktische Möglichkeit, mobil zu sein, auch wenn man kein eigenes Auto besitzt.
© Quelle: Bundesverband Carsharing
Frankfurt am Main. Zwei Geschwister tun sich zusammen. Künftig können Nutzer der Taxi-App Free Now auch Autos von Share Now mieten. Damit rücken zwei Plattformen enger zusammen, die ohnehin schon zu einem Gemeinschaftsunternehmen von BMW und Daimler gehören. Die Hoffnung der Manager ist, dass die neuen Mobilitätsangebote der Profitabilität näher kommen. Das könnte auch dem Klimaschutz dienen.
Bei Mobility as a Service (MaaS) gehe es vor allem um Vielfalt und Auswahl, sagt der Daimler-Manager Gero Götzenberger. Mit nur wenigen Klicks werde nun den Free-Now-Kunden der Zugang zu Tausenden Fahrzeugen ermöglicht. Aus Aktionärssicht werde der Schritt voll und ganz unterstützt.
Aktionären der beiden Konzerne hat in den vergangenen Jahren aber nicht immer gefallen, was in den Geschäftsfeldern geschieht, die neue Mobilitätskonzepte umsetzen wollen. Denn das Gemeinschaftsunternehmen macht notorisch Verluste. Allein Daimler musste für 2020 deshalb eine Belastung mehr als 300 Millionen Euro in seiner Bilanz verbuchen.
Dabei startete das moderne Carsharing vor gut einem Jahrzehnt mit großer Euphorie. Autos, die am Straßenrand stehen, spontan mittels Handy mieten und am Zielort einfach abstellen: Das kam an. Von 2012 an wuchs die Zahl der Nutzer dieses Free-Float-Systems sprunghaft. Nach den Zahlen des Bundesverbandes Carsharing (BCS) waren mindestens 2,15 Millionen Frauen und Männer Anfang 2021 beim Free-Float-Carsharing registriert, das von Share Now dominiert wird.
Was aber nicht heißt, dass das Geschäft immer nur brummte. Bis zu 20 Prozent der Flotten mussten im Corona-Jahr 2020 vorübergehend stillgelegt werden, weil sich die Nutzer zeitweise wegen Covid nicht in die Pkw trauten. Die einst hektisch voran getriebene Internationalisierung des Geschäfts wurde komplett zurückgefahren. Von einst 30 Städten blieben nur noch 16 in Europa übrig.
Der damalige Daimler-Aufsichtsratschef Manfred Bischoff beschwerte sich Ende 2020, dass die neuen Mobilitätsdienste für den Absatz nichts bringen, zugleich aber viel Kapital binden und heftige Konkurrenzkämpfe mit sich bringen würden. Diese Einschätzung wird durch eine viel beachtete Studie der Beratungsfirma Kearney („Der Carsharing Mythos“) gestützt, die zu dem Ergebnis kommt, dass hierzulande nur 5 Prozent des theoretisch möglichen Carsharing-Angebots profitabel betrieben werden könnten.
Deshalb schrauben MaaS-Manager heftig an ihren Geschäftsmodellen. Das Zusammenlegen von Free Now und Share Now ist dabei plausibel. Mehrere wissenschaftliche Untersuchungen haben ergeben, dass die Nutzer je nach Situation die gerade günstigste Mobilitätslösung schnell und auf einer Plattform finden wollen. Genau das soll künftig mittels der Free-Now-App verstärkt möglich sein: Von Ende Juli an können nicht nur Taxis, E-Scooter oder Mietwagen mit Chauffeur, sondern auch Smart-Kleinwagen, diverse BMWs und Fiat-500-Modelle für kürzere oder längere Fahrten gebucht werden.
Free-Now-Deutschland-Chef Alexander Mönch hatte in einem Interview mit dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND) ferner gefordert, dass es eine App geben müsse, wo auch die Angebote des öffentlichen Nahverkehrs zu finden sind. Bislang zieren sich aber die Betreiber, weil sie vor allem Angst um ihre Daten haben.
Forderung nach staatlicher Förderung für Carsharing
Unbestritten ist derweil für Verkehrsexperten, dass eine derartige Integration dem Klimaschutz hilft. Öko-Institut, Prognos und das Wuppertal-Institut gehen in einer gemeinsamen Studie davon aus, dass Carsharing und andere neue Mobilitätsdienstleistungen massiv ausgebaut werden müssen, um die selbst gesteckten Ziele zu erreichen. „Dafür müssen die Rahmenbedingungen geschaffen werden“, sagte Stefan Gelbhaar, Verkehrsexperte der Grünen-Bundestagsfraktion, dem RND.
Die Initiativen der Bundesregierung seien bislang enttäuschend. „So fehlen rechtssichere und nachvollziehbare Rahmenbedingungen. Kommunen und Dienstleister treffen damit immer wieder auf dieselben Hürden“, so Gelbhaar. Sharingfahrzeuge sollten im öffentlichen Raum Vorteile gegenüber privaten Pkw haben, insbesondere bei der Verteilung des Parkraums. Zugleich müsse Sharing verlässlich und dauerhaft verfügbar sein. Erst dann würden die Menschen auf den Neukauf des eigenen PKW verzichten. Zudem müsse die Nutzung von emissionsfreien Fahrzeugen vorangetrieben werden.
All dies macht es aber noch schwerer, das Geschäft mit dem Autoteilen lukrativ zu betreiben. Das weiß auch Gelbhaar. Er fordert deshalb: „Es braucht eine Förderung von Carsharing, auch an zunächst weniger rentablen Standorten in Randlagen und im ländlichen Raum.“