Bioplastik: Deutschland hinkt bei nachhaltigen Kunststoffen hinterher
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Menschen sortieren benutzte Plastikflaschen in Afghanistan. In Deutschland wird derweil das Forschungspotenzial bei Kunststoffrecycling und Biokunststoffen nicht ausgeschöpft, so eine Studie.
© Quelle: Karimi/XinHua/dpa
München. Aus Erdöl hergestellte Einwegkunststoffe vermüllen die Weltmeere und ganze Landstriche. „Die Verschmutzung durch Plastik bedroht Ökosysteme auf der ganzen Welt“, stellt Antonio Campinos klar. Die gute Nachricht sei, dass innovative Herstellungsverfahren Kunststoffe der Zukunft biologisch abbaubar oder besser als bisher wiederverwertbar machen, sagt der Präsident des Europäischen Patentamts (EPA) in München.
Die Behörde hat das Patentgeschehen dieses wichtigen Bereichs im vergangenen Jahrzehnt weltweit analysiert. Das Fazit für Deutschland ist gemischt. Europaweit haben deutsche Forscher die meisten dieser Patente angemeldet, was aber vor allem auf die schiere Größe der hiesigen Volkswirtschaft zurückgeht. Auch bei Grundlagenforschung seien heimische Universitäten spitze. Aber bei der Umsetzung in Produkte knirscht es.
9000 Patente besonders vielversprechend
Das betrifft vor allem als besonders zukunftsträchtig geltende Erfindungen zu chemischem und biologischem Recycling von Kunststoffen. Erst die können eine echte Kreislaufwirtschaft in der Kunststoffindustrie ermöglichen. Auf Innovationen, die Plastik leichter wiederverwertbar oder biologisch abbaubar machen, entfallen rund 9000 Patente, die in der Patentamtsstudie als besonders vielversprechend identifiziert worden sind.
Erwähnenswerte Patente zum heute üblichen mechanischen Recycling mit beschränkter Kreislaufkomponente wurden zwischen 2010 und 2019 dagegen nur halb so viele angemeldet. Das macht klar, wo Forscherinnen und Forscher die Zukunft sehen. Denn beim mechanischen Recycling wird die Qualität der wiedergewonnenen Kunststoffe immer schlechter. Bei moderneren Verfahren gibt es dagegen kaum Qualitätsverluste.
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Sortierte Verpackungsabfälle stehen gepresst neben einer Halle, nachdem sie in der Sortieranlage getrennt worden sind.
© Quelle: Rolf Vennenbernd/dpa
US-Firmen dominieren
Bei Patenten zum chemischen und biologischen Recycling dominieren aber US-Start-up-Firmen klar, sagen die Studienmacher. US-Firmen melden viermal mehr Schutzersuchen dieser Art an und setzen damit Grundlagenforschung weit stärker in Verfahren mit großem Marktpotenzial um, erklärt EPA-Ökonom Ilja Rudyk. „Das Forschungspotenzial ist da, wird nicht voll ausgeschöpft“, betont er mit Blick vor allem auf die deutsche Firmenlandschaft.
Der Patentexperte verweist auch kritisch auf ein Maß für Innovationsfreude, das im Fachjargon relativer Spezialisierungsindex genannt wird. Bei einem Wert über null ist eine Erfindernation auf einem Gebiet gemessen an ihren allgemeinen Patentaktivitäten besonders aktiv. Bei einem Wert unter null offenbart sich eine relative Schwäche. „Mit einem Wert bei chemischem und biologischem Recycling von 0,66 fehlt es Deutschland an Spezialisierung im Vergleich zu anderen Ländern Europas“, sagt Rudyk.
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Gerade dort, wo es mit Blick auf die Zukunft darauf ankommt, tun sich deutsche Erfinder also schwer – und das nicht nur im Vergleich mit den USA, sondern auch mit Erfindernationen wie Frankreich, Italien, Großbritannien oder den Niederlanden.
BASF und Henkel überzeugen bei Biokunststoffen
Es gibt aber auch hierzulande Leuchttürme. So zählen BASF und Henkel laut der Studie mit dem Titel „Patente für die Kunststoffe der Zukunft“ zu den weltweit größten Patentanmeldern bei Biokunststoffen für Verpackungen, Kosmetik und Waschmittel. Insgesamt kommen Patente aus Deutschland bei chemischen und biologischen Recyclingverfahren aber lediglich auf 6,7 Prozent Weltmarktanteil, schreibt das EPA.
Noch schlechter sieht es bei Patenten zu sich selbst reparierenden Kunststoffen aus, die daraus gefertigten Produkten eine besonders lange Haltbarkeit bescheren. Hier liegt der deutsche Patentanteil bei 5,5 Prozent. Diese Technologie dominieren japanische Erfinder deutlich mit fast der Hälfte aller weltweiten Patentanmeldungen.
Die Folgerungen aus der Studie liegen für Campinos auf der Hand. In Deutschland und Europa müsse mehr getan werden, um teils wegweisende Pionierarbeiten in der Grundlagenforschung in marktfähige Erfindungen umzusetzen. Das ist sowohl ein Aufruf an Unternehmen als auch an die Politik und die kommende Bundesregierung.