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Brief ans Finanzministerium: Altmaier will die “Bonpflicht” abschaffen - und stößt auf Widerstand

Brötchentüten und Plakate vor dem niedersächsischen Landtag: Bäcker demonstrierten dort kürzlich gegen die Belegpflicht.

Brötchentüten und Plakate vor dem niedersächsischen Landtag: Bäcker demonstrierten dort kürzlich gegen die Belegpflicht.

Berlin. Nach anhaltenden Protesten gegen die sogenannte "Bonpflicht" sind die Parteien der großen Koalition womöglich auf Kollisionskurs: Das CDU-geführte Wirtschaftsministerium will die ab 2020 verpflichtende Ausgabe von Kaufbelegen wieder aus dem Gesetz streichen. Am Samstag erreichte den zuständigen Finanzminister Olaf Scholz ein Brief von Wirtschaftsminister Peter Altmaier - doch ob wie dessen Chancen bei dem Vorhaben stehen, ist unklar. Der SPD-Vorsitzende Norbert Walter-Borjans hingegen will daran festhalten, verteidigt sie vehement. Und das ebenfalls SPD-geführte Finanzministerium stellt sich ahnungslos.

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Dem ging eine sich seit Wochen zuspitzende Kritik aus Handel und Gastronomie voraus: Der Handelsverband Deutschland etwa nimmt an, dass Zahl und Länge der auszugebenden Kassenzettel spürbar zunehmen werden: "Im Einzelhandel in Deutschland rechnen wir mit mehr als zwei Millionen Kilometern zusätzlicher Länge an Kassenbons im Jahr."

Die Bonpflicht bedeute deshalb "gerade für kleine Händler erhebliche Mehrkosten für Papier, Druck und Entsorgung der liegengebliebenen Bons", betont auch der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK). Einer jüngst veröffentlichten Umfrage zufolge nimmt nur etwa die Hälfte aller Deutschen überhaupt Kassenbons mit.

Altmaier will Regelung streichen

Jetzt versucht das Wirtschaftsministerium, die eigentlich Belegausgabepflicht heißende "Bonpflicht" zu kippen. Der Wirtschaftsminister setze sich dafür ein, die "Bonpflicht" wieder aus dem Gesetz zu streichen, teilte das Wirtschaftsministerium auf Nachfrage des RedaktionsNetzwerks Deutschland (RND) am Freitag mit, am Sonnabend folgte ein Protestbrief an den zuständigen Finanzminister Olaf Scholz. "Dies ist aus Gründen des Umweltschutzes geboten, um eine massive Papierverschwendung zu verhindern", so eine Sprecherin. Zudem entstünden hohe Bürokratiekosten, die unbedingt vermieden werden müssten.

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Auch heißt es seitens des Wirtschaftsministerium, dass es darüber bereits in der Regierung Gespräche gebe. "Ich kann bestätigen, dass Bundeswirtschaftsminister Altmaier mit Bundesfinanzminister Scholz im Austausch zum Thema Bonpflicht ist", so eine Sprecherin am Freitag.

Weitere CDU-Politiker meldeten sich kritisch zur Belegausgabepflicht zu Wort, auf Twitter sprach sich etwa der CDU-Außenpolitiker Roderich Kiesewetter für Ausnahmen bei kleinen Beträgen aus.

Keine Erkenntnisse dazu beim Finanzministerium

Im Bundesfinanzministerium gibt man sich bei dem Thema allerdings deutlich zurückhaltender. "Dem Bundesministerium der Finanzen liegen keine Erkenntnisse dazu vor, dass die Koalitionsfraktionen kurzfristig eine gesetzliche Änderung der Belegausgabepflicht vorsehen", so eine Sprecherin des Hauses von Olaf Scholz (SPD).

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Auch Ausnahmen von der Belegpflicht, zum Beispiel eine Grenze für Kleinstbeträge, bedürften einer gesetzlichen Grundlage, betont das Finanzministerium außerdem. Ohne eine solche könne die Abgabenordnung nicht geändert werden. Dort ist die Belegpflicht festgeschrieben.

Walter-Borjans ist für die "Bonpflicht"

Eine neue gesetzliche Regelung ist ohne Unterstützung der SPD allerdings unwahrscheinlich. Erst jüngst hatte sich der SPD-Vorsitzende Walter-Borjans für die "Bonpflicht" ausgesprochen. Bei Bargeschäften werde zu viel geschummelt, um Steuern zu umgehen. Die Ausgabe von Bons oder elektronischen Belegen ist laut Walter-Borjans ein Teil der Maßnahmen, um Kassengeschäfte für Finanzämter und Kunden transparenter zu machen.

Ob dazu die Bonpflicht nötig ist, bezweifelt das Wirtschaftsministerium offenbar: Die jetzige Regelung gehe auf eine gesetzliche Bestimmung aus dem Jahr 2016 zurück und "war aber im ursprünglichen Gesetzentwurf nicht vorgesehen", so eine Sprecherin des Ministeriums von Altmaier.

Probleme bei der Befreiung von der "Bonpflicht"

Im Zuge des Kampfs gegen Steuerbetrug hatte das damals zuständige Finanzministerium unter Wolfgang Schäuble (CDU) zunächst eine Variante vorgeschlagen, bei der Belege lediglich auf Verlangen der Kunden ausgestellt worden wären. Im Finanzausschuss des Bundestags einigten sich die Beteiligten aber auf eine Belegausgabepflicht. Diese ergänzten sie um explizite Möglichkeiten für Betriebe, sich davon aus Zumutbarkeitsgründen befreien zu lassen.

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Wie genau diese Befreiung abläuft, obliegt allerdings den einzelnen Finanzämtern - und bislang scheint es dabei Probleme zu geben. Erst jüngst berichtete T-Online.de von einem Bäckermeister, dem die Befreiung vom Finanzamt verweigert wurde. Der Grund laut T.Online: Es fehlt ein einheitliches Vorgehen - wofür die Finanzministerien der einzelnen Bundesländer zuständig wären. Die vorläufige Lösung des Bäckers: Er verzichtet auf Bons. Denn Bußgelder drohen bei Verstößen nicht, wie es beim Bundesfinanzministerium heißt.

Neue Technik für Kassen nötig

Abseits des Konflikts über die "Bonpflicht" sorgen auch neue Standards für elektronische Registrierkassen für Verärgerung beim Handel. Denn Registrierkassen müssen ab dem kommenden Jahr per technischer Sicherungseinrichtung fälschungssicher sein - was laut HDE 300 bis 500 Euro pro Kasse kosten könnte.

Roland Ketel, Vorstand des Deutschen Fachverbands für Kassen- und Abrechnungssystemtechnik, spricht von 400.000 bis 500.000 Kassen, die umgerüstet werden müssten. Die Nutzung elektronischer Registrierkassen ist für den deutschen Handel allerdings nicht verpflichtend.

Hinweis: Der Beitrag wurde um die Informationen zu dem Brief von Altmaier an Scholz ergänzt.

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Mit dpa

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