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Coronavirus: Umsätze der Lebensmittelbranche haben sich verdoppelt

Lebensmittel stehen auf einem Förderband an einer Kasse in einem Supermarkt. Die Kassiererin wird mit einer Plexiglasscheibe, einem sogenannten Spuckschutz, geschützt.

Lebensmittel stehen auf einem Förderband an einer Kasse in einem Supermarkt. Die Kassiererin wird mit einer Plexiglasscheibe, einem sogenannten Spuckschutz, geschützt.

Die Kundin steht schon an der Kasse, sprintet dann aber kurz entschlossen weg, um sich auch noch die letzte Packung à zwei Rollen vom fünflagigen Luxus-Toilettenpapier zu schnappen. So geschehen in einer Rossmann-Filiale in der Frankfurter Innenstadt am Mittwochmorgen. In den Drogerie- und Supermärkten herrscht nach wie vor Ausnahmezustand. Das belegen auch aktuelle Daten des Statistischen Bundesamts (Destatis). Von “ungebremster Nachfrage nach bestimmten Gütern” sprechen die Wiesbadener Experten.

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Gemeint ist nicht nur das immer wieder erwähnte Toilettenpapier, dessen Absatz vorige Woche mehr als dreimal so hoch lag wie im Durchschnitt der vorherigen sechs Monate. Bei Seife übertraf die Nachfrage die Normalwerte sogar um das Vierfache. Marktforscher gehen davon aus, dass die Gesamtumsätze in der Lebensmittelbranche zuletzt an manchen Tagen mehr als doppelt so hoch waren wie in der Zeit vor Corona.

Eine sehr spezielle Kurve haben Desinfektionsmittel hingelegt. In der ersten Märzwoche kauften die Kunden plötzlich achtmal mehr als üblich. Inzwischen ist der Absatz zusammengebrochen. Er liegt rechnerisch um knapp 50 Prozent unter dem Durchschnittswert vom Vorjahr. Die simple Erklärung der Statistiker: “Dies ist darauf zurückzuführen, dass das Produkt vorübergehend praktisch ausverkauft war.”

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Hamsterkäufe ebben ab

Die Destatis-Sonderauswertung der “experimentellen Daten”, sie stammen von den Kassen der Supermärkte und Discounter, gibt Auskunft über die Mechanismen der Hamsterkäufe der vergangenen vier Wochen: Während bei Toilettenpapier der Absatz immer stärker stieg, gab es bei Mehl, Zucker, Hefe oder passierten Tomaten eine Art Wellenbewegung mit einer zwischenzeitlichen Entspannung und einer deutlichen Verlangsamung der Extranachfrage in der vergangenen Woche.

Das passt zu den Einschätzungen von Christian Böttcher, Sprecher des Verbands der Lebensmittelhändler (BVLH): “Eine Normalisierung ist zu erkennen. Die Verfügbarkeit bei besonders kritischen Waren steigt”, sagte er dem RedaktionsNetzwerk Deutschland. Einen maßgeblichen Beitrag dazu leisteten auch die neuen Bestimmungen der Bundesregierung und der Bundesländer vom vorigen Sonntag.

Supermärkte setzen auf Zutrittsbeschränkungen

Generell gilt nun, dass in den Märkten hygienische Standards umgesetzt werden müssen, um eine Verbreitung des Corona-Virus zu verhindern. Zudem soll es Zutrittsbeschränkungen geben – vielfach wurden deshalb Sicherheitsleute angeheuert, die am Eingang den Zugang regulieren. In mehreren Bundesländern gilt nun, dass auf zehn Quadratmeter Verkaufsfläche nur noch ein Kunde kommen darf. Zudem sollen Warteschlangen an den Kassen vermieden werden. Ein weiterer Faktor sind die allgemeinen Ausgangsbeschränkungen. “All das entschleunigt und beruhigt die Menschen”, betont Böttcher.

Das mache sich auch beim Einkaufen bemerkbar. Wenn weniger Kunden gleichzeitig in einem Markt einkaufen, würden die Regale auch langsamer leer gekauft. Mitarbeiter hätten mehr Zeit, Ware nachzufüllen. Damit werde das Phänomen des “Angsttriebs” eingedämmt, so der BVLH-Sprecher.

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Psychologen sind davon überzeugt, dass Kunden dazu neigen zuzugreifen, wenn sie fast leere Regale sehen – auch bei Produkten, die sie eigentlich gar nicht kaufen wollten und eigentlich auch nicht brauchen. Für Böttcher ist auch klar, dass nun Belastungen für die Beschäftigten gemindert werden. Weniger Stress beim Nachfüllen der Regale. Weniger Ärger mit Kunden, die sich ärgern über fehlende Artikel oder über Ermahnungen, nur haushaltsübliche Mengen zu kaufen. Und weniger Angst vor Ansteckung durch Kunden. An vielen Kassen und Bedientheken wurden Plexiglasscheiben installiert, die vor Tröpfchen-Infektionen schützen sollen.

Probleme mit den Hygieneregularien

Böttcher sieht gleichwohl das aktuell größte Problem in der Umsetzung der neuen Hygieneregularien, die vielfach über die Plexiglasscheiben hinausgehen. Die konkreten Maßnahmen liegen in der Hoheit der Länder und Kommunen. So wird unter anderem auch verlangt, dass Kunden an Obst- und Gemüsetheken nur noch mit Einmal-Gummihandschuhen hantieren dürfen. Es gibt vereinzelt die Auflage, dass Einkaufswagen oder Bezahlterminals nach jeder Nutzung desinfiziert werden müssen. “Wir stehen gerade in dem Zielkonflikt, einerseits die Versorgung mit Lebensmitteln zu sichern und andererseits so gut wie möglich Kunden und Beschäftigte vor Ansteckungen zu schützen. Das macht vielen Märkten zu schaffen”, betont Böttcher.

Indes suchen viele Lebensmittelhändler noch immer kurzfristig helfende Hände, vor allem für das Auffüllen der Regale. Laut Lebensmittelzeitung haben die Discounter Aldi Nord und Aldi Süd in den vergangenen Tagen mehr als 2000 Beschäftigte eingestellt. Sie sollen in den Filialen, aber auch in den Logistikzentren anpacken. Ein Teil der zusätzlichen Arbeitskräfte kommt von McDonald’s. Aldi hat in der vorigen Woche eine Kooperation mit der Fast-Food-Kette geschlossen. Beschäftigte aus Schnellrestaurants, die derzeit geschlossen sind, sollen vorübergehend beim Discounter aushelfen.

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Boni für die Mitarbeiter

Viele Lebensmittelhändler wollen derweil ihren Beschäftigten Boni für die zusätzlichen Anstrengungen in Zeiten von Corona zahlen. Josef Sanktjohanser, Präsident des Handelsdachverbandes HDE, fordert in einem Brief an Kanzlerin Angela Merkel (CDU), die Sonderzahlungen von Abgaben an den Fiskus zu befreien. Finanzminister Olaf Scholz (SPD) deutete an, dass die Boni bis zu einer bestimmten Höhe steuerfrei gestellt werden könnten. Auch Katrin Göring-Eckardt macht sich dafür stark. Zugleich fordert sie die Handelsunternehmen auf, nicht auf Scholz zu warten. Schließlich machten die Supermarktketten gerade hohe Umsätze.

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