Darum sind Werkverträge in Schlachtbetrieben problematisch
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In den Großschlachtereien arbeiten oft Menschen aus Osteuropa, die über Werkverträge angestellt sind.
© Quelle: Bernd Thissen/dpa
Nach dem Corona-Ausbruch in einer Großschlachterei der Firma Tönnies in Rheda-Wiedenbrück stehen erneut die Arbeitsbedingungen in der Branche im Fokus. Denn viele der Mitarbeiter, die in den Schlachthäusern die Tiere zerlegen, kommen aus dem osteuropäischen Ausland und sind über Werkverträge angestellt. Diese Form des Angestelltenverhältnisses steht wegen der oft schlechten Arbeitsbedingungen politisch auf dem Prüfstand.
Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) will Werkverträge für die Branche ganz verbieten – der niedersächsische Wirtschaftsminister Bernd Althusmann steht einem Verbot für eine einzelne Branche aus verfassungsrechtlicher Sicht skeptisch gegenüber. Die wichtigsten Fragen und Antworten zum Thema Werkvertrag im Überblick:
Was ist ein Werkvertrag?
Anders als bei einem Angestelltenverhältnis vergibt ein Unternehmen in einem Werkvertrag einen Auftrag für eine definierte Leistung (Werk) an ein anderes Unternehmen. Abgerechnet wird nicht etwa die Arbeitszeit, sondern die Leistung als Gesamtpaket. Werkverträge können mit Einzelpersonen oder mit Subunternehmen abgeschlossen werden. Ein Subunternehmer wiederum kann das Werk selbst erbringen oder ein weiteres Subunternehmen beauftragen. So können ganze Subunternehmerketten entstehen. Der Auftraggeber hat keine Weisungsbefugnis gegenüber den Angestellten, die die Leistung ausführen. Es liegt allein bei dem Unternehmen, das den Auftrag ausführt, wie viele Mitarbeiter es dafür abstellt, wie viel Arbeitszeit beansprucht wird und wie viel Lohn gezahlt wird.
In welchen Branchen sind Werkverträge gängig?
In sehr vielen. Die Automobilindustrie arbeitet damit genauso wie Softwareentwickler. Handwerkeraufträge werden über Werkverträge vergeben, und auch in der Bauwirtschaft sind sie üblich. In der richtigen Ausgestaltung ist gegen diese Form der Zusammenarbeit auch nichts einzuwenden. Werkverträge können aber missbraucht werden. Und das wurde in der Vergangenheit häufig in Zusammenhang mit der Fleischwirtschaft kritisiert.
Wie sieht dieser Missbrauch aus?
Die großen Fleischverarbeiter wie Tönnies und Westfleisch haben sich verpflichtet, nur Mitarbeiter zu beschäftigen, die in Deutschland Sozialversicherungsbeiträge bezahlen. Das ist schon mal gut. Die Arbeitskräfte kommen dann zum Beispiel aus Rumänien oder Bulgarien, sind aber bei einem deutschen Subunternehmen angestellt. Das heißt: Sie bekommen den deutschen Mindestlohn, sind krankenversichert, haben Urlaubsanspruch und Anspruch auf Lohnfortzahlung im Krankheitsfall.
Das Problem liegt eher im Verborgenen. So kritisiert Thomas Bernhard, Referatsleiter für die Fleischwirtschaft von der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG): “Ein Werkvertrag ist schnell ausgetauscht. Wenn etwas schiefgeht, es zum Beispiel Probleme mit dem Zoll gibt oder Probleme mit der Sozialversicherung, dann gibt es das Unternehmen morgen einfach nicht mehr.” Es sei für die Behörden unheimlich schwer, die Unmengen an Subunternehmen in der Branche zu kontrollieren. “Ich finde, man muss die Schlachtbetriebe selbst für das verantwortlich machen, was in ihrem Betrieb passiert.” Außerdem sei die Unfallquote bei Werkvertragsbeschäftigten gut ein Drittel höher als bei anderen Angestellten. “Weil viele eben nicht richtig qualifiziert sind”, kritisiert Bernhard.
Der Deutsche Gewerkschaftsbund warnt zudem, dass viele Subunternehmen Tricks anwenden, um den Lohn zu drücken. So werden geringere Stundenzahlen vereinbart als die, die die Beschäftigten tatsächlich arbeiten. Für Urlaub oder Krankheit wird nur der geringere vertragliche Lohn ausgezahlt. So sparen die Unternehmen Lohnzahlungen und Sozialversicherungsbeiträge. Ebenfalls gängig seien “geklaute Stunden”: Es werden weniger Stunden ausgezahlt, als gearbeitet wurden. Auch der Betriebsrat hat keine Handhabe, denn er ist für Werkvertragsbeschäftigte nicht zuständig.
Wer muss die Corona-Schutzmaßnahmen umsetzen?
Rein rechtlich gesehen sind das meist die Subunternehmen. Allerdings sind die großen fleischverarbeitenden Betriebe aus eigenem Interesse sehr bemüht, Schutzkonzepte zu erarbeiten und dafür zu sorgen, dass auch die Werkvertragsbeschäftigten sie einhalten. Denn wenn ein Betrieb wegen einem Corona-Ausbruch schließen muss, so wie aktuell im Fall Rheda-Wiedenbrück, bedeutet das hohe Umsatzeinbußen. “Grundsätzlich achten die großen Schlachtereien schon sehr auf Hygiene, weil Fleisch ein so sensibles Produkt ist. Wenn es Qualitätsmängel gibt, werden die Lieferanten sehr schnell von den Listen der Handelsketten gestrichen”, sagt Bernhard.