„Das E-Bike ist als vollwertiges Verkehrsmittel nicht in der Politik erkannt und angekommen“
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Alexander Rosenthal vom BVZF wünscht sich mehr Anerkennung für E-Bikes als Treiber der Verkehrswende in der Politik.
© Quelle: Sebastian Gollnow/dpa
Der Bundesverband Zukunft Fahrrad (BVZF) ist ein Zusammenschluss von Unternehmen aus allen Bereichen der Fahrradwirtschaft: Dienstleister, Hersteller, Händler, Start-ups der Digitalisierung und Zulieferer. Der ehemalige Zweitliga-Basketballer Alexander Rosenthal ist Lobbyist des BVZF.
Wird das Autoland Deutschland im Zuge der Mobilitätswende zum E-Bike-Land?
Alexander Rosenthal: Das Potenzial ist da. Mit dem E-Bike sind längere Distanzen oder bergige Strecken möglich. Aber noch ist das E-Bikes als vollwertiges Verkehrsmittel nicht in der Politik erkannt und angekommen. Wird das erkannt, gibt es enorme Möglichkeiten.
Zum Beispiel?
Arbeitswege machen einen riesigen Teil des Verkehrs in Deutschland aus. Alternativen zum Dienstwagen können eine große Wirkung für die Verkehrswende haben. Die Politik könnte und sollte ein Mobilitätsbudget fördern. Wer also Anrecht auf einen Dienstwagen hat, für den sollte es vom Arbeitgeber ein alternatives Angebot geben. Zum Beispiel eine Bahncard 100, die ein Jahr Bahnfahren ohne weitere Kosten ermöglicht. Zudem Taxigutscheine im Wert von 300 Euro und das Übernehmen einer Leasing-Rate für ein Dienstrad – 100 Euro pro Monat für ein Rad oder E-Rad im Wert von 3000 Euro. Das wäre finanziell attraktiver für alle Beteiligten und würde den Abschied vom Auto erleichtern.
Auch der wirtschaftliche Faktor wird zu wenig in den Fokus gerückt, dabei sichert und schafft der Zweirad-Boom Arbeitsplätze und erwirtschaftet erhebliche Umsätze.
Das wird die Autoindustrie kaum wollen.
Auch die Autoindustrie bewegt sich. So hat VW-Chef Herbert Diess just einen Zehn-Punkte-Plan vorgestellt. Darin heißt es unter anderem in Punkt acht: ‚Städte lebensfähig machen. Förderung für Fahrräder, E-Bikes und elektrifizierte Carsharing-Dienste ein Muss. Ridepooling, also gewerbliche Shuttle-Dienste, dem Öffentlichen Personennahverkehr gleichstellen‘. Das geht genau in die richtige Richtung.
Das Fraunhofer-Institut hat ermittelt, dass der Radverkehr im städtischen Raum in den nächsten zehn Jahren 35 Prozent mehr Platz benötigt. Wo soll dieser Platz herkommen?
Für Berlin wurde vor kurzem ermittelt, dass 19 Prozent der Verkehrsfläche für Parkplätze reserviert ist. Das ist ein Wahnsinn. Bei der Reduzierung des automobilen Individualverkehrs könnten so Flächen gewonnen werden. Generell gilt und ist messbar: Wo mehr Straßen gebaut werden, da wird mehr gefahren. Aber das gilt auch für Fahrradwege und Fahrradstraßen.
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Alexander Rosenthal vom Bundesverband Zukunft Fahrrad (BVZF).
© Quelle: Alexander Rosenthal
Geht der Ausbau von Fahrrad-Straßen schnell genug voran?
Es gibt Bekenntnisse zum Ausbau der Fahrradinfrastruktur. Wir erwarten, dass aus diesen Bekenntnissen nun klare Handlungen entstehen. Aber einige Kommunen haben noch nicht mal eigene Radverkehrsplaner. Weil diese Stelle nicht budgetiert war oder ist. Und weil es noch zu wenige Planer gibt. Immerhin gibt es nun sieben neue Stiftungsprofessuren zur Ausbildung dieser Planer.
Wo mehr Straßen gebaut werden, da wird mehr gefahren. Aber das gilt auch für Fahrradwege und Fahrradstraßen.
Welche Hoffnungen verbinden Sie mit der neuen Bundesregierung, die sich nach der Wahl am 26. September nun bilden muss?
Gut ist: Der nationale Radverkehrsplan wird von allen potenziellen Regierungsparteien akzeptiert. Es gibt bewilligte Gelder für den Ausbau der Radinfrastruktur. Geld ist also vorhanden. Aber es wird derzeit oftmals nicht ausgegeben. Auch, weil wie bereits erwähnt in den Kommunen die Planer fehlen. Und weil diese Gelder bis 2023 ausgegeben sein müssen. Der Planungshorizont ist zu kurz, hier würde eine Regelfinanzierung helfen. Wichtig ist in jedem Fall, dass die bewilligten Gelder nicht verfallen.
Wie kann die Sicherheit für Radfahrer erhöht werden?
Eine Regelgeschwindigkeit von Tempo 30 in Städten hilft sowohl Radfahrern als auch Fußgängern. Breitere und von der Straße abgetrennte Radwege sind auch wichtig, denn zum Beispiel wird es für breite Cargo-Bikes schon eng auf den Radwegen. Eine Pflicht zum Einbau von Abbiegeassistenten für neue und auch ältere LKWs wäre sehr gut. Wir brauchen für die notwendigen Verbesserungen jedoch vor allem auch einen gesellschaftlichen Wandel.
Das heißt konkret?
Dieser Wandel ist die Basis für mehr Akzeptanz des Radverkehrs als zentraler Treiber der Mobilitätswende. Die Interessen der Radfahrer sind unterrepräsentiert. Auch der wirtschaftliche Faktor wird zu wenig in den Fokus gerückt, dabei sichert und schafft der Zweirad-Boom Arbeitsplätze und erwirtschaftet erhebliche Umsätze.