E-Fuels: Wird Fliegen mit dem alternativen Kraftstoff klimafreundlich?
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PtL steht für die Umwandlung von Strom in flüssigen Treibstoff – eine kostspielige, aber klimaschonendere Alternative zu Benzin und Co.
© Quelle: Soeren Stache/dpa-Zentralbild/dp
Klimaneutral abheben – das wollen die Bundesregierung, die Luftfahrtbranche und die Mineralölwirtschaft bis zum Jahr 2030 zumindest in einem ersten Schritt schaffen. Am Freitag wurde dafür die sogenannte PtL-Roadmap vorgestellt. Die drei Buchstaben stehen für Power to Liquid, was die Umwandlung von Strom in flüssigen Treibstoff bedeutet. Die Zukunft der gesamten kommerziellen Fliegerei hängt davon ab.
Noch keine günstigere Alternative in Sicht
In knapp neun Jahren sollen die Passagierflugzeuge, die hierzulande starten, mit insgesamt mit 200.000 Tonnen synthetischem Kerosin betankt werden. Dieser Treibstoff ist die mit Abstand teuerste klimafreundliche Energiequelle, seine Herstellung ist extrem aufwendig. Langfristig gibt es nach heutigem Stand der Technik aber keine Alternative, die sich mit den Klimazielen vereinbaren lässt – Großraumjets, die beispielsweise direkt mit elektrischer Energie angetrieben werden, sind auch in sehr weiter Ferne nicht in Sicht.
Mehrere Umwandlungsvorgänge sind bei der PtL-Herstellung nötig. Zunächst braucht es erneuerbaren Strom, der etwa von Windkraft- oder Solaranlagen hergestellt wird. Dieser wird in einer Elektrolyseanlage eingesetzt, um Wasser in Sauerstoff und Wasserstoff zu zerlegen. In einem weiteren Schritt wird Letzterer mit Kohlendioxid in Verbindung gebracht. Dabei können dann – in hochreiner Form – verschiedene Kraftstoffe gewonnen werden. Auch das Kerosin, das Diesel ähnelt und in Düsentriebwerken verbrannt wird. Diese Prozesse sind keine Raketenwissenschaft. Aber das PtL-Kerosin ist derzeit weder in relevanten Mengen noch zu marktüblichen Preisen zu haben. Wobei Letzteres stark untertrieben ist. Die sogenannten E-Fuels sind nach heutigem Stand mindestens fünfmal so teuer wie konventioneller Sprit. Die Preise für Flugtickets würden sich in jedem Fall verdoppeln, wenn Airlines schon heute ausschließlich E-Kerosin einsetzen müssten.
Klimafreundliches Fliegen ist eine große Herausforderung
Mit der Roadmap wollen sich Politik und Wirtschaft nun langsam vortasten. Um in industrielle Dimensionen zu kommen, müssten zunächst einmal Demonstrations- und Pilotanlagen geschaffen werden, heißt es in einer gemeinsamen Pressemitteilung von Bundesregierung, Luftfahrtbranche, Mineralölwirtschaft und Anlagenbauern. Vieles liegt noch im Ungefähren. Klar ist, dass Bund und Länder die Entwicklung des PtL-Kerosins fördern und damit ein Angebot schaffen wollen. Zudem hat sich die Luftfahrtbranche auf eine Abnahmepflicht eingelassen, was sicherstellen soll, dass es für die Betreiber der Anlagen Kunden und damit Investitionssicherheit gibt. Ziel soll ein selbsttragender Markt sein. Wobei dafür auf internationaler Ebene Standards für die Herstellung und den Einsatz von PtL geschaffen werden müssen, um Wettbewerbsverzerrungen zu vermeiden.
Politik und Wirtschaft stellten sich der großen Herausforderung, den Luftverkehr CO₂-neutral zu machen, sagte Umweltministerin Svenja Schulze (SPD) am Freitag. Mit dem geplanten Markthochlauf wolle man die Technologieführerschaft deutscher Unternehmen ausbauen und die Entwicklung einer globalen Wasserstoffwirtschaft voranbringen, betonte Wirtschaftsminister Peter Altmaier.
Kerosin ist ein wertvoller Kraftstoff - und die Kosten werden Experten zufolge steigen
Für Peter Gerber, Präsident des Luftfahrtverbandes BDL, sind nachhaltige Kraftstoffe essentiell. Die langfristig beste Lösung seien Kraftstoffe, die aus CO₂ in der Atmosphäre mittels Erneuerbaren hergestellt werden, und zwar in ausreichenden Mengen und zu wettbewerbsfähigen Preisen. Tarek Al-Wazir, Hessens Wirtschaftsminister von den Grünen, räumt ein, dass es auch künftig Bereiche geben werde, in denen „Luftverkehr ohne Alternative“ sei. Dieser müsse konsequent transformiert werden. Auch für Klima- und Umweltschützer ist klar, dass es eine Lösung für die Fliegerei, die vor der Pandemie stark gewachsen war, geben muss. Aber Jens Hilgenberg, Verkehrsexperte des BUND, fordert, den Luftverkehr auf das notwendige Maß zu stutzen. Konkret bedeutet das für ihn, Inlandsflüge komplett zu streichen. Das hätte zumindest den Vorteil, dass dafür kein wertvolles PtL-Kerosin eingesetzt werden muss. Die 200.000 Tonnen entsprechen in etwa einem Drittel des Kraftstoffbedarfs für die innerdeutschen Destinationen der Jets zu normalen Zeiten.
Zugleich würde mit den 200.000 Tonnen das Ziel der Bundesregierung erreicht, die sich vorgenommen hat, im Jahr 2030 eine PtL-Quote von zwei Prozent für alle aus Deutschland startenden Flugzeuge – fürs Inland und fürs Ausland – zu gewährleisten. Bis zum Jahr 2050 müssen dann aber aus zwei Prozent annähernd 100 Prozent werden.
Die allerwichtigste Frage ist deshalb: Wo soll all der erneuerbare Strom für die E-Fuel-Herstellung herkommen? Gigantische Mengen werden benötigt, da mehr als die Hälfte der eingesetzten elektrischen Energie durch die Umwandlungsschritte verloren geht. Um die 200.000 Tonnen Kunst-Kerosin pro Jahr herzustellen, braucht es den gesamten Strom, den mehr als 400 große Windräder erzeugen. Experten gehen davon aus, dass es ohne den Import von großen Mengen grünem Wasserstoff nicht gehen wird. Dafür müssen aber erstmal Infrastrukturen geschaffen werden. Auch das Thema Kosten ist mit vielen Fragezeichen versehen. Die Industrie hofft darauf, dass mit großen Anlagen die Aufwendungen pro Tonne sinken. Eine aktuelle Studie der Stiftung Klimaneutralität und der Denkfabrik Agora Energiewende geht gleichwohl davon aus, dass die Kosten fürs Kerosin steigen und so die Nachfrage im internationalen Luftverkehr gedämpft wird.