Licht soll taube Menschen wieder hörend machen
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Das Start-up-Projekt „OptoGenTech“ wird in den kommenden Jahren mit 1,4 Mio. Euro gefördert wird. Das Ohr-Modell regiert auf alle Töne.
© Quelle: Hinzmann
Göttingen. „Die seit 2002 als Fachgebiet etablierte Optogenetik, die Zellen durch genetische Veränderung lichtempfindlich macht, eröffnet den Lebenswissenschaften ganz neue Perspektiven“, berichtet Tobias Moser vom Institut für Auditorische Neurowissenschaften der Universitätsmedizin Göttingen. Das Start-up baue auf Forschungen auf, die sein Göttinger Team an der Universitätsmedizin und am Deutschen Primatenzentrum in den vergangenen Jahren gemeinsam mit den Physikern Ulrich Schwarz (Chemnitz) und Patrick Ruther (Freiburg) durchgeführt habe.
„Wir arbeiten seit 2008 an einer optischen Version des Cochlea-Implantats“, berichtet Moser. Die bisher elektrisch gesteuerte Neuroprothese, die seit den 1970er-Jahren auf dem Markt sei, habe bisher einer halben Million fast tauber Menschen wieder das Hören ermöglicht. Allerdings hätten die Nutzer Schwierigkeiten, Melodien zu erkennen, und Probleme bei lauten Hintergrundgeräuschen. Das liege daran, dass die elektrische Reizung der Hörnerven nicht sehr frequenzscharf erfolge.
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Prof. Tobias Moser (re.) stellt das Start-up-Projekt OptoGenTech vor, das vom Bund in den kommenden Jahren mit 1,5 Mio. Euro gefördert wird. Besprechung im Labor mit Alexander Dieter (li.).
© Quelle: CHH
„Durch die Verwendung von Licht ließe sich die Zahl der getrennt wahrnehmbaren Stimulationskanäle von derzeit meist weniger als zehn auf vermutlich 60 erhöhen“, führt Moser aus. Das Cochlea-Implantat sei dabei nur eine von vielen Anwendungsgebieten der Optogenetik. Optische Herz- und Hirnschrittmacher seien denkbar. Gelähmte Stimmbänder ließen sich optisch stimulieren. Bei Menschen, die unter chronischen Schmerzen litten, könnten Nervenzellen optisch daran gehindert werden, die Schmerzsignale zu übertragen.
„Was der Grundlagenforschung derzeit fehlt, sind implantierbare optische Vielkanal-Sonden mit der dazugehörigen Hard- und Software“, sagt Schwarz. Wichtige Schritte auf diesem Weg hätten Schwarz, Ruther und das Göttinger Team bereits gemacht. So sei die notwendige Ansteuerung im Projekt „OptoHear“ am Göttingen Campus mit Förderung durch den Europäischen Forschungsrat bereits weit entwickelt worden. Nun gelte es vor allem die Sonden zur Marktreife zu entwickeln. Dafür gebe es in den kommenden zwei Jahren Geld vom Bundesministerium für Bildung und Forschung. In Versuchen an Nagetieren werde dann überprüft, inwieweit die Sonden in der Praxis funktionierten.
In zwei Jahren müssen Investoren überzeugt sein
„Das OptoGenTech-Projekt ist beim Photonik-Inkubator angesiedelt, der Firmengründungen aus dem akademischen Bereich heraus unterstützt“, berichtet Moser. Christian Goßler sei der technische Projektleiter. Für die kaufmännische Leitung des Start-ups hätten sie den Unternehmensberater Thomas Keller gewonnen. Nach der Firmengründung werde das Unternehmen seinen Sitz in Göttingen haben, vielleicht im Laser-Laboratorium Göttingen am Hans-Adolf-Krebs-Weg, wo auch der Photonik-Inkubator untergebracht sei.
„In zwei Jahren, wenn die Förderung ausläuft, müssen wir Investoren überzeugen können“, sagt Keller. Das neue Unternehmen wolle nämlich langfristig nicht nur Werkzeuge für die biomedizinische Grundlagenforschung liefern, sondern auch die Entwicklung von Medizinprodukten vorantreiben. Die Zulassungsverfahren seien jedoch sehr aufwendig, was die Kooperation mit Industriepartnern nahelege.
Von Michael Caspar