Medizin, Automobilindustrie, Einzelhandel: Deutschland treibt 3-D-Innovationen voran

Nicht erst seit der Corona-Pandemie setzen deutsche Firmen auf 3-D-Druck.

Nicht erst seit der Corona-Pandemie setzen deutsche Firmen auf 3-D-Druck.

München. 3-D-Druck ist für die meisten Menschen ferne Zukunftsmusik. Antonio Campinos indes hat ihre Klänge mitten in der Corona-Pandemie vernommen, als diesen März in norditalienischen Notstandsgebieten nicht mehr genug Beatmungsgeräte zur Verfügung standen. “3-D-Druck hat in der Lombardei Covid-Patienten gerettet”, betont der Präsident des Europäischen Patentamts (EPA). Er erinnert daran, dass dort Ventile für defekte Beatmungsgeräte per 3-D-Druck ersetzt und herkömmliche Taucherbrillen durch 3-D-gedruckte Spezialteile zu Beatmungsmasken umfunktioniert wurden. Am Markt zu kaufen war nichts mehr. “Additive Fertigung war schneller als die herkömmliche Industrie, gebrochene Lieferketten wurden übersprungen”, beschreibt Yann Ménière die Vorzüge.

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Er ist Chefökonom des EPA, das eine Studie zu additiver Fertigung, wie 3-D-Druck im Fachjargon heißt, erstellt hat. Die Technologie steht weltweit im Fokus von Erfindern, denn sie ist in vielen Bereichen vom Gesundheitswesen über die Luftfahrt bis zur Sportartikelindustrie anwendbar. “Sie kann ihr Potenzial überall entfalten”, ist Ménière sicher. Die Dynamik ist enorm.

Deutsche Großkonzerne melden die meisten 3-D-Patente an

Seit 2015 legen Patentanmeldungen für 3-D-Druck beim EPA jährlich im Schnitt um 36 Prozent zu, belegt die zu einer 3-D-Konferenz präsentierte Studie. Das ist ein Zehnfaches verglichen mit Patentersuchen allgemein, die im Schnitt um jährlich 3,5 Prozent zulegen.

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Aus europäischer Sicht vielversprechend finden Ménière und Campinos, dass beim 3-D-Druck Europa den Ton angibt und allgemein aufkommende Patentmächte wie China oder Südkorea hier kaum eine Rolle spielen. Seit 2010 haben vor allem deutsche Großkonzerne wie Siemens und BASF über 3000 solcher Patente angemeldet. Das entspricht vier von zehn Erfindungen EU-weit und einem Fünftel aller globalen Anmeldungen beim EPA.

Holz oder Baumwolle können noch nicht gedruckt werden

”Der Anmeldezuwachs in der additiven Fertigung ist Teil des Booms digitaler Technologien insgesamt und bestätigt, dass sich die digitale Transformation der Wirtschaft unverkennbar in den beim EPA eingereichten Patentanmeldungen widerspiegelt”, erklärt Campinos. Es ändere die Spielregeln der Wirtschaft fundamental, wenn Produkte nicht mehr in fernen Ländern hergestellt und über lange Strecken zum Endkunden transportiert werden müssten, meint der EPA-Chef. Noch ist die Technologie für Massenproduktion im industriellen Maßstab oft zu teuer. Außerdem lassen sich Materialen wie Holz oder Baumwolle noch nicht 3-D-drucken. Aber auch daran wird geforscht, mit Europa als Innovationszentrum. Getragen wird das von deutschen Firmen.

Unter den 20 beim 3-D-Druck anmeldestärksten Konzernen rangieren mit Siemens (645 Anmeldungen zwischen 2010 und 2018), BASF (363), MTU (195), Evonik (151) und dem 3-D-Druckspezialisten EOS fünf heimische Unternehmen. Angeführt wird die Firmenrangliste mit General Electric (875) und United Technologies (810) von zwei US-Konzernen. Bei Anwenderbranchen steht der Gesundheitssektor mit rund 25 Prozent aller Patentanmeldungen vorn.

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Medizin- und Automobilbranche setzen auf 3-D-Druck

Wenn nicht gerade eine Pandemie zur Notfallproduktion von Beatmungsgeräten zwingt, stehen individuell maßgeschneiderte Prothesen oder Implantate im Vordergrund. Auch erste Prototypen für 3-D-gedruckte Organe, etwa ein menschliches Herz, gibt es.

Aber auch in der Industrie werden immer mehr Teile am Computer entworfen und mit 3-D-Druckern gefertigt, die so einzigartig sind, dass sie in herkömmlichen Verfahren mittels Werkzeugmaschinen nicht zu bauen wären. Das ermöglicht auch neue Eigenschaften, reduziert Gewicht oder erhöht Festigkeit. Im Automobilbau beispielsweise wird 3-D-Druck in der Prototypenfertigung eingesetzt, was Entwicklungszeiten stark verkürzt. Chemiekonzerne wie BASF wiederum stellen immer mehr neue Materialien für den 3-D-Druck her.

Druckverfahren kann massentauglich werden

Wenn die Druckkosten weiter fallen, kann wettbewerbsfähiger 3-D-Druck auch in immer größere Stückzahlen vordringen. Sportartikler wie Nike oder Adidas experimentieren seit Jahren mit 3-D-gedruckten Sportschuhen. Wenn begehrte Trendware schnell beim Kunden sein soll, ist der im Vorteil, der in Abnehmermärkten 3-D-fertigen und dann auch höhere Preise verlangen kann.

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Campinos sieht 3-D-Druck zu Hause bei Verbrauchern ankommen, sobald bezahlbare 3-D-Drucker einmal zur IT-Grundausstattung gehören. “Das verwandelt Konsumenten zu Produzenten”, sagt der EPA-Chef. Die Technologie könne damit auch einen Trend zu lokaler Ökonomie auslösen. Angesichts der Innovationsdynamik sei das kein Blick in eine allzu ferne Zukunft, findet Campinos.

Info: Woher kommen die meisten Patente für 3-D-Druck?

Nimmt man alle Patentanmeldungen beim EPA zum 3-D-Druck der letzten zehn Jahre zusammen, geht fast jede zweite auf ein europäisches Unternehmen zurück. Getrieben ist das von deutschen Firmen, aber auch von patentaktiven Forschungszentren wie der Fraunhofer-Gesellschaft mit insgesamt 3155 Schutzersuchen in dieser Zeitspanne. Als einzelnes Land am aktivsten sind die USA mit 5747 Anmeldungen, was gut einem Drittel des Patentaufkommens entspricht.

Insgesamt zählt die EPA europaweit rund 15 Innovationszentren für 3-D-Druck. Das wichtigste davon ist München, gefolgt von Barcelona, Zürich und Berlin. München sticht hervor, weil dort mehrere Technologietreiber ihren Sitz haben. Neben Siemens mit Anwendungsfeldern wie Medizintechnik ist das der Triebwerkshersteller MTU und der 3-D-Spezialist Eos mit Sitz im Münchner Vorort Krailling.

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