Nächster Schritt Richtung Energiewende? Norwegen bietet blauen Wasserstoff an

Wasserstoff Symbolbild

Wasserstoff gilt als ein Stützpfeiler der Energiewende.

Norwegen ist ohnehin schon Vorreiter in Sachen Energiewende. Nun will das nordeuropäische Land auch beim Export von blauem Wasserstoff voranschreiten. Für eine wirklich tragende Rolle müsste er aber in großen Mengen und preiswert zur Verfügung stehen, was beides derzeit nicht zutrifft.

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Das ist zumindest bei grünem Wasserstoff so, der mittels erneuerbarer Energien erzeugt wird. Petter Ölberg glaubt den Ausweg zu kennen. „Blauer Wasserstoff ist eine kostengünstige Übergangslösung“, sagt Norwegens Botschafter in Deutschland. Den wollen die Skandinavier der heimischen Wirtschaft in Industriepartnerschaft ermöglichen. Blauer Wasserstoff wird aus Erdgas gewonnen und ist klimaneutral, wenn man entstehendes Kohlendioxid (CO₂) auffangen und sicher aus der Atmosphäre halten kann. Das geht, sagen die Norweger.

CCS hat keinen guten Ruf

„Diese Idee ist reif“, versichert der Chef der Initiative Zukunft Gas, Timm Kehler. Mit blauem Wasserstoff aus Norwegen könnten in Deutschland ganze Wirtschaftszweige wie die Stahl- oder Zementindustrie dekarbonisiert werden. Die Technologie, die das schaffen soll, hat hierzulande aber keinen guten Ruf. Sie heißt im Fachjargon carbon dioxide capture and storage (CCS) oder übersetzt CO₂-Abscheidung und Speicherung.

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Misstrauisch beäugt wird CCS, weil viele infrage stellen, ob das klimaschädliche Gas auf Dauer sicher gespeichert werden kann. Es ist so ähnlich wie bei der Atommülllagerung. Entweicht über lange Zeiträume nicht irgendwann doch, was für immer verschlossen bleiben soll, fragen Skeptiker. „Bei unserem Projekt ist die CO₂-Speicherung auch in großem Maßstab sicher“, sagt Sverre Overa. Das Projekt, von dem er spricht und das er managt, heißt Northern Lights. Am Ende wird dabei CO₂ unter der Nordsee in riesigen Kammern gut zwei Kilometer unter dem Meeresboden gespeichert, was ein Entweichen garantiert verhindern soll. Zuvor wird norwegisches Erdgas nach Deutschland gebracht und in blauen Wasserstoff sowie CO₂ aufgespaltet.

Blauer Wasserstoff billiger als grüne Variante

„Wir denken, dass norwegisches Erdgas eine wichtige Rolle spielen kann, beim Ausstieg aus Kohle- und Atomenergie“, wirbt Ölberg für die Idee. Voraussetzung sei, das man das Gas klimaneutral machen könne, was im Rahmen von Northern Lights geschehe. Der Diplomat verweist auf die Pionierrolle seines Lands bei Schadstoffvermeidung. Dort laufe eine Elektroautorevolution. 2020 seien zwei von drei verkauften Neuwagen elektrisch angetrieben gewesen. Dazu komme ein Boom bei Elektrofährschiffen und nun der CCS-Plan als größtes norwegisches Industrieprojekt aller Zeiten. „Wir haben Kapazitäten für 70 Milliarden Tonnen CO₂“, verspricht Ölberg. Zum Vergleich: 34 Milliarden Tonnen CO₂ wurden 2020 weltweit ausgestoßen.

Preislich sei blauer Wasserstoff eine erwägenswerte Überlegung, findet Simon Schulte. Der Wissenschaftler leitet am Energiewirtschaftlichen Institut (EWI) der Universität Köln den Bereich Gasmärkte. „Deutschland ist langfristig von Energieimporten abhängig“, stellt er mit Blick auf hierzulande verbrauchte Mengen klar. Was den Preis anbetrifft, sei blauer Wasserstoff noch viele Jahre in allen denkbaren Szenarien billiger als seine grüne Variante. Für 2030 habe das EWI berechnet, dass er um mindestens ein Viertel günstiger komme und grüner Wasserstoff im anderen Extremfall sogar ein Mehrfaches teurer sei. „Blauer Wasserstoff ist eine kosteneffiziente Option“, betont Schulte. Er könne auch mittelfristig in größeren Mengen zur Verfügung stehen.

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Norwegen lässt alle Daten des Projekts offen

Mit blauem Wasserstoff anfreunden könnten sich auch Politiker der hiesigen Regierungsparteien. Die CCS-Diskussion in Deutschland sei zwar vergiftet, findet SPD-Bundesparlamentarier Andreas Rimkus. Aber im Übergang zur grünen Variante könne Deutschland jahrzehntelang blauen Wasserstoff brauchen. „Es ist ein kluger Pfad“, findet er und hält Norwegen für einen guten Partner. „Mindestens für eine Übergangsphase wird blauer Wasserstoff eine entscheidende Rolle spielen“, schätzt auch CDU-Bundestagsabgeordneter Mark Helfrich. Er sei für die CCS-Technologie offen und hoffe, dass die norwegische Kompetenz auf diesem Gebiet nach Deutschland ausstrahle.

Seit 2019 ist mit Heidelberg Cement im Rahmen einer Testphase an Northern Lights auch ein deutscher Konzern zentral beteiligt. Bei einem norwegischen Zementwerk wird dazu die weltweit erste Demonstrationsanlage zur CO₂-Abscheidung und -Speicherung in industriellem Maßstab gebaut, die 2024 in Betrieb gehen soll. Ziel ist die Herstellung von völlig CO₂-neutralem Beton bis 2050. In einem Zwischenschritt sollen bis 2025 die CO₂-Emissionen um 30 Prozent gesenkt werden. Insgesamt seien aktuell neun Konzerne aus besonders CO₂-intensiven Industrien mit von der Partie, sagt Overa zum Stand des Projekts. „Mit rund 60 potentiellen Nutzern sind wir zudem im Gespräch“, betont er. Das Interesse sei europaweit groß. Zehn bis 20 Millionen Tonnen CO₂ sollen in der Anfangsphase ab 2025 jährlich abgeschieden und gespeichert werden. Das Projekt könne rasch hochskaliert werden, um CO₂-Mengen zu erreichen, die wirklich klimarelevant sind. Alle Daten des Projekts legt Norwegen offen, um Kritiker zu überzeugen. „Jeder, der an den Details interessiert ist, kann sie downloaden und überprüfen“, verspricht Overa. Die Norweger glauben, ihren Teil im Kampf gegen den Klimawandel beitragen zu können.

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