Naht das Ende für den Verbrenner? Strukturwandel und Klimaschutz­ziele stehen im Fokus des Autogipfels

Neue Impulse für die deutsche Autobranche hin zu klimaschonenderen Antrieben und Auswirkungen der Corona-Krise werden am Dienstag beim Autogipfel mit Kanzlerin Merkel besprochen.

Neue Impulse für die deutsche Autobranche hin zu klimaschonenderen Antrieben und Auswirkungen der Corona-Krise werden am Dienstag beim Autogipfel mit Kanzlerin Merkel besprochen.

Es gilt, ein dickes Brett zu bohren. Wenn Vertreter der Bundesregierung und der Kfz-Branche am Dienstag von 19 Uhr an miteinander diskutieren, dann geht es letztlich um die Restlaufzeit der Verbrenner. Auf der Tagesordnung des Autogipfels stehen die Pläne der EU-Kommission, mit denen die Klimaziele erreicht werden sollen. Denn beim Straßenverkehr ist der Nachholbedarf immens. Umweltschützer fordern eine ganze Reihe von Verschärfungen.

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Experten finden CO₂-Ziele noch nicht ambitioniert genug

Beschlossene Sache ist, dass in der EU im Jahr 2030 mindestens 55 Prozent weniger Treibhausgase in die Luft geblasen werden sollen. Sicher ist auch, dass dafür die CO₂-Emissionen der Autos heftig gedrückt werden müssen. Obwohl es 2020 schon spürbar runter ging, da der Ausstoß bei den Neuwagen­flotten auf durchschnittlich 95 Gramm gedrückt werden musste – zuvor waren 130 Gramm erlaubt. Für dieses Jahr werden die Werte noch einmal leicht verschärft: Nun müssen alle neu Zugelassenen einbezogen werden, 2020 konnten die 5 Prozent der Autos mit dem höchsten CO₂-Ausstoß noch herausgerechnet werden. Derzeit gilt noch, dass diese Vorgaben bis 2024 gelten. Für die Phase von 2025 bis 2029 soll der Wert dann um 15 Prozent, von 2030 an um 37,5 Prozent sinken.

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Doch die Brüsseler Denkfabrik Transport and Environment (T&E) geht davon aus, dass „das Angebot von Elektroautos im Laufe der 2020er-Jahre stagnieren wird“, weil die Grenzwerte nicht ambitioniert genug sind. Für Jens Hilgenberg, Verkehrsexperte der Umwelt­organisation BUND, ist deshalb klar: „Wenn die EU ihre Klimaziele tatsächlich erreichen will, dann müssen die CO₂-Flotten­grenzwerte für die Neuwagen deutlich verschärft werden“, sagte er dem Redaktions­Netzwerk Deutschland (RND). Über derartige Schritte wird in Brüssel bereits nachgedacht. Im Juni sollen Vorschläge kommen.

Verband sieht härtere Grenzwerte als „nicht leistbar“ – keine Festlegung auf E‑Mobilität

Die Flottengrenzwerte dürften weit oben auf der Tagesordnung des Autogipfels stehen. VDA-Präsidentin Hildegard Müller sagte dem RND zu dem Treffen: „Wir wollen klimaneutrale Mobilität bis spätestens 2050 erreicht haben. Dazu investieren die Unternehmen in den nächsten Jahren rund 150 Milliarden Euro in E‑Mobilität, neue Antriebe und die Digitalisierung von Fahrzeugen.“ Es werde besprochen, wie die Klimaziele mit neuen Technologien umgesetzt werden können und welche Rahmen­bedingungen die Bundesregierung und die EU-Kommission schaffen müssen. Härtere Grenzwerte dürften aus Sicht des VDA nicht dazugehören. Der Verband hatte schon zuvor eine zusätzliche Verschärfung als „technisch und wirtschaftlich nicht leistbar“ bezeichnet.

Oliver Krischer, Vize­fraktions­chef der Grünen, hingegen betonte gegenüber dem RND: „Wichtig ist ein klares Bekenntnis des Autogipfels zum Plan der EU-Kommission, die Flottengrenz­werte nachzubessern und damit den Spritverbrauch zu senken.“ Er kritisiert die Autobauer: „Der Staat geht gerade bei der Elektromobilität in die Vorleistung, aber die Unterstützung der meisten Autohersteller fehlt. Man jammert über fehlende Ladesäulen, will sich aber nicht auf die E‑Mobilität festlegen – so geht es nicht.“

Ein weiteres umstrittenes Thema sind die Plug-in-Hybride. T&E weist darauf hin, dass die Autos mit Verbrenner- und Stromantrieb häufig ein Vielfaches des offiziellen CO₂-Ausstoßes aufweisen, wenn sie mit leeren Batterien gefahren werden. In bestimmten Fahrsituationen liegt der Spritverbrauch sogar über dem Wert von vergleichbaren Autos mit ausschließlich konventionellem Antrieb. Für diese Fake-Elektroautos würden deshalb jährlich mehr als 500 Millionen Euro an Subventionen verschwendet, nämlich über die sogenannten Umweltprämien, so der T&E-Experte Stef Cornelis. Hilgenberg fordert denn auch als Sofortmaßnahme von der Bundesregierung, dass die Pkw mit den zwei Antrieben „so schnell wie möglich aus der staatlichen Förderung mit Kaufprämien herausgenommen werden“.

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Förderung, Autokauf und Kfz-Steuer: Revision des Gesamtsystems nötig

Für Hilgenberg ist indes generell „das Gesamtsystem der staatlichen Vorgaben und Förderungen komplett umzubauen“. So brauche es sowohl beim Autokauf als auch bei der Kfz-Steuer Bonus-und-Malus-Systeme. Wer Spritfresser kauft und fährt, soll zusätzlich zahlen. Mit den Einnahmen sollen Entlastungen für Menschen finanziert werden, die umweltfreundliche Fahrzeuge kaufen und nutzen oder ganz auf das Auto verzichten. Die staatlichen Subventionen für Dienstwagen durch eine günstige Besteuerung müssten abgeschafft werden. Denn damit finanzierten die Steuerzahler den Kauf von Spritfressern und riesigen SUV. Der CO₂-Preis für fossile Kraftstoffe müsse deutlich erhöht werden. Die Einnahmen daraus sollten zurückerstattet werden. Menschen mit niedrigen Einkommen und Leute ohne Pkw sollen davon profitieren.

Ein weiteres wichtiges Thema beim Autogipfel ist die geplante Abgasnorm Euro 7, die von 2025 an gelten soll. Experten haben hier der EU-Kommission ebenfalls strengere Grenzwerte für Schadstoffe wie Stickoxide vorgeschlagen. Außerdem sollen die Testprozeduren bei der Ermittlung der Emissionen verschärft werden. Wie weit die EU gehen wird, ist offen. Schon ist in der Branche aber von einer Kriegserklärung und einem frühzeitigen faktischen Ende für Benziner und Diesel durch übermäßig strenge Vorgaben die Rede. Jobverluste werden befürchtet. Der VDA fordert denn auch, dass einer pauschalen Absenkung von Grenzwerten eine Abwägung von Aufwand und Nutzen voraus gehen müsse. Ob Beschlüsse des Autogipfels zu all diesen Themen publik gemacht werden ist offen. Insider vermuten, dass nach außen eher vage kommuniziert wird.

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