Pkw-Neuzulassungen gestiegen – auch junge Leute fahren wieder aufs Auto ab
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Der Automarkt floriert. E-Autos wie der ID3 von Volkswagen legen deutlich zu.
© Quelle: Hauke-Christian Dittrich/dpa
Frankfurt am Main. Deutschland = Autoland. Diese Formal gilt nach wie vor. Das Kraftfahrtbundesamt meldete für den Juni 274.000 Pkw-Neuzulassungen. Das war ein Viertel mehr als im Vorjahresmonat. Im ersten Halbjahr kamen 1,3 Millionen neue Autos auf die Straße. Das entspricht einem Plus von 14 Prozent. Allerdings bewegt sich der hiesige Automarkt nach wie vor unter dem Niveau der Zeiten vor der Corona-Krise.
In den ersten sechs Monaten des Jahres 2019 wurden noch rund 460.000 Autos mehr als aktuell bei den Zulassungsstellen angemeldet. Bemerkenswert ist, dass es derzeit an Kaufbereitschaft bei den Verbrauchern offensichtlich nicht mangelt. Mehrere Studien rechnen hoch, dass sich auf den Girokonten der Bundesbürger enorme Guthaben angesammelt haben, weil es während der Lockdowns an Gelegenheiten fehlte, das Geld auszugeben. Auch Autohäuser waren zeitweise geschlossen.
Die Ursache für den gebremsten Absatz sind Lieferengpässe bei elektronischen Bauteilen – insbesondere bei Computerchips. Kunden müssen derzeit fast immer mehrere Monate auf bestellte Fahrzeuge warten. Experten gehen zudem davon aus, dass viele potenzielle Käufer inzwischen sogar in eine Art Wartestellung gegangen sind und ihre Bestellungen erst gar nicht tätigen.
Für Peter Fuß, Autoexperte des Prüf- und Beratungsgesellschaft Ey, bleibt denn auch nicht nur für Deutschland, sondern auch für das europäische Ausland „die Markterholung fragil“. Der Trend zeige längst nicht mehr überall nach oben. „Von den erwarteten und erhofften Nachholeffekten ist noch nichts zu sehen.“ Allerdings erwartet der Ey-Experte genau wie andere Branchenkenner und -kennerinnen, dass sich die Konjunkturerholung im zweiten Halbjahr fortsetzt und dass neue Lockdowns immer unwahrscheinlicher werden.
Hinzu kommen die großzügigen Förderprogramme für elektrifizierte Pkw, die zusätzliche Nachfrage erzeugen. Für vollelektrische Autos (BEV) gibt es hierzulande Kaufprämien bis zu 9000 Euro. Das macht sich beim Marktanteil bemerkbar. BEVs und Plug-in-Hybride erreichen mittlerweile knapp 24 Prozent – Tendenz weiter steigend. Denn in den nächsten Monaten werden noch viele neue Modelle mit E-Antrieb auf den Markt kommen.
Deutschland ist in Europa mit deutlichem Vorsprung zum Leitmarkt für die Elektromobilität geworden. Trotz der positiven Nachrichten bei den alternativen Antrieben lautet die Prognose von Fuß aber: „Im Gesamtjahr werden wir das Vorkrisenniveau bei Weitem nicht erreichen.“
Die Pkw-Dichte steigt weiter
Der aktuellen Entwicklung zum Trotz stimmt die Gleichung Deutschland = Autoland aber noch immer. So geht Autoprofessor Ferdinand Dudenhöffer davon aus, dass der Pkw-Bestand hierzulande in diesem Jahr einen weiteren historischen Höchstwert markieren wird – mit rund 48,2 Millionen Fahrzeugen. Seit Jahren geht es gradlinig nach oben.
Das gilt auch für die Pkw-Dichte – also die Zahl der Personenwagen pro 1000 Einwohner. Sie lag 2010 bei 504 und wird den Berechnungen von Dudenhöffers Car-Institut Ende 2021 bei 580 rangieren. „Unsere Datenanalyse zeigt, dass in Deutschland kein Trend ‚weg vom Auto‘ existiert“, so der Wissenschaftler. Eine Analyse der Altersstrukturen der Neuwagen- und Gebrauchtwagenkäufer sowie der Autobesitzer zeige, dass auch junge Menschen das Auto schätzen.
In den vergangenen Jahren wurden aber immer wieder Studien publiziert, in denen – teilweise auch von Autobauern selbst – die These vertreten wurde, dass Jüngere vom Autokauf nichts mehr wissen wollen. Doch eine Untersuchung der Beratungsfirma Kearney hat nachgewiesen: In jungen Jahren ist das Interesse am Pkw zwar gering. Das ändert sich aber, sobald die Phase der Familiengründung beginnt, Kinder befördert werden müssen und ebenfalls wegen der Kinder aufs Land gezogen wird.
Auch Dudenhöffers Daten zeigen, dass gerade die Altersgruppe der 30- bis 44-Jährigen eine wachsende Bedeutung im Neuwagenmarkt spielt. Hinzu komme, dass jüngere Frauen einen wachsenden Anteil an den Käuferinnen und Käufern verzeichnen. Dudenhöffer schließt aus all dem, dass der Methusalem-Effekt im Automarkt nicht mehr zieht.
Bis 2015 stieg das Alter der Pkw-Neuwagenkäufer kontinuierlich. Danach kam diese Entwicklung zum Stillstand. Für dieses Jahr (Januar bis Mai) hat Dudenhöffer mit 52,4 Jahren im Schnitt eine Zahl errechnet, die erstmals wieder unter dem Wert von 2015 liegt. Dieser Trend lässt sich auch bei Gebrauchtwagenkäufern ablesen. Sie werden wieder jünger. Die Gruppe der Frauen und Männer unter 35 macht inzwischen rund 30 Prozent aus. Generell ist dabei zu beachten, dass für Volkswirte eine steigende Pkw-Dichte nach wie vor als Indikator für einen wachsenden Wohlstand in einem Land gilt.