Spanische Banco Santander kauft Wirecard-Kerngeschäft
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Das Kerngeschäft des insolventen Zahlungsabwicklers Wirecard geht an die spanische Großbank Banco Santander.
© Quelle: Sven Hoppe/dpa
Aschheim/München. Kurz vor den ersten Gläubigerversammlungen für die Pleitefirma Wirecard hat Insolvenzverwalter Michael Jaffe gute Nachrichten für alle Geschädigten. Das Kerngeschäft des Konzerns mit seiner Technologieplattform für Zahlungsdienste in Europa verkauft und zwar an die spanische Banco Santander. Eine Summe nennt Jaffe nicht. In Finanzkreisen ist aber von einer dreistelligen Millionensumme die Rede.
Halbe Milliarde Euro als Insolvenzmasse bisher gesichert
Inklusive schon verkaufter Wirecard-Teile hat Jaffe damit über eine halbe Milliarde Euro als Insolvenzmasse gesichert. Dem stehen Schäden in vielfacher Milliardenhöhe gegenüber. Nicht verkaufen konnte Jaffe die Wirecard Bank, die nun abgewickelt wird. Unter dem Strich sind damit nun 1.300 der einstmals 5.800 Arbeitsplätze des ehemaligen Dax-Konzerns gerettet.
Allein am Firmensitz in Aschheim bei München wurden durch den jetzigen Verkauf an Banco Santander gut 500 Jobs gerettet. Die Spanier wollen von dort aus die Geschäfte weiterführen. Recht viel mehr dürfte aber weder finanziell noch mit Blick auf Stellen ab sofort noch dazukommen. Denn veräußern kann Jaffe lediglich noch kleinere Geschäfte in Südafrika, der Türkei und Asien.
Da ein Großteil speziell der Asien-Geschäfte nur auf dem Papier existiert haben dürfte und wie angebliche 1,9 Milliarden Euro auf Treuhandkonten frei erfunden war, dürften noch erzielbare Verkaufserlöse klein bleiben. Jaffe ist vor allem nach dem jüngsten Rettungserfolg aber zufrieden. „Wir haben damit auch den Investorenprozess für das Wirecard-Kerngeschäft trotz ungünstigster Voraussetzungen erfolgreich abschließen können“, erklärte er. Das sei umso bemerkenswerter als sein Tun immer wieder durch Skandalmeldungen zur mutmaßlich kriminellen Wirecard-Vergangenheit überschattet wurde und anfangs keine Liquidität zur Aufrechterhaltung des Geschäftsbetriebs mehr verfügbar war.
Wirecard Bank gilt in der Branche als verbrannt
Jaffe meint damit unter anderem seine eigene Entdeckung, nach der Wirecard-Konten kurz vor der Pleite vor drei Monaten von hochrangigen Verfügungsberechtigten des Konzerns leergeräumt wurden. Allein dadurch sind dreistellige Millionensummen in dunklen Kanälen verschwunden. Zudem wurde der flüchtige Ex-Vorstand Jan Marsalek, der als Hauptverdächtiger im Wirecard-Betrugsskandal gilt, zuletzt verstärkt mit Geheimdienstkreisen und Wirecard mit Geldwäschevorwürfen in Verbindung gebracht.
Für die Wirecard Bank als solche hat sich auch deshalb kein Käufer gefunden. Der Name des Instituts gilt als verbrannt, in ihren Büchern schlummern viele Altlasten. Banco Santander übernimmt aber die meisten Bankmitarbeiter und führt die Bankgeschäfte unter eigenem Namen teils fort. Die Wirecard Bank selbst wird in enger Abstimmung mit der Finanzaufsicht Bafin heruntergefahren. Für Beschäftigte und Gläubiger sei damit die bestmögliche Lösung gefunden, sagt Jaffe. Die können sich das ab Mittwoch zwei Tage lang von ihm selbst erklären lassen.
Alle warten auf die Gläubigerversammlung
Denn für Mittwoch und Donnerstag sind alle Gläubiger der insgesamt sieben insolventen Wirecard-Gesellschaften zu Versammlungen in den Münchner Löwenbräukeller eingeladen. Im Gegensatz zu Hauptversammlungen, die in Coronazeiten virtuell abgehalten werden können, sieht das Insolvenzrecht eine solche Möglichkeit für Gläubiger nicht vor. Der Einlass im eigentlich 2.000 Menschen fassenden Saal ist aber wegen Corona-Abstandsregeln auf 350 Gläubiger limitiert.
Sollten mehr kommen, muss vertagt werden, da aus rechtlichen Gründen keinem Gläubiger der Einlass verweigert werden darf. Getagt wird zudem bei offenen Fenstern. Die Gläubiger erwartet also ein kühler Empfang, der durch die jetzigen Verkaufserfolge Jaffes etwas erwärmt werden dürfte. Allein Banken und Anleihegläubiger haben an Wirecard 3,2 Milliarden Euro verliehen. Dazu kommen Ansprüche von Aktionären. In der Spitze über 20 Milliarden Euro betrug der Börsenwert des ehemalige Dax-Konzern einmal. Heute sind es keine 75 Millionen Euro mehr.
Ex-Boss Braun am Donnerstag vor dem Untersuchungsausschuss
In Berlin steht zudem am Donnerstag ein weiteres Treffen in Sachen Wirecard an. Der dortige Wirecard-Untersuchungsausschuss des Bundestags will den inhaftierten Ex-Boss Markus Braun vernehmen. Auch einen ebenfalls im Gefängnis sitzenden anderen Topmanager des Pleiteunternehmens, der sich als Kronzeuge in Stellung gebracht hat, wollen die Parlamentarier persönlich und nicht per Videokonferenz sprechen.
Die Münchner Staatsanwaltschaft hält das für keine gute Idee. Es solle die „Möglichkeit eines Eingreifens von dritter Seite nicht unterschätzt werden“, zitiert die Süddeutsche Zeitung aus einer Mail der Justiz an den Untersuchungsausschuss. Damit gemeint ist ein mögliches Attentat auf den Kronzeugen oder Braun. Eine Sprecherin der Justiz will das nicht kommentieren. „Diese Diskussion ist nicht für die Öffentlichkeit bestimmt“, sagt sie kurz angebunden. Die Sorge der Ermittler dürfte auf den flüchtigen Marsalek zielen. Mit dessen Geheimdienstkontakten ließe sich auch ein lästiger Zeuge aus dem Weg schaffen, wenn der quer durch Deutschland transportiert wird, lauten die Bedenken.