Testfahrt mit dem Porsche Taycan: Voll elektrisch in 2,8 Sekunden auf 100 km/h
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Aus der neuen Welt: Der Porsche Taycan dürfte noch für lange Zeit ganz vorn in der Welt der Elektroautos fahren – bei dem Preis eigentlich kein Wunder.
© Quelle: Porsche
Launch Control, die Rennstartfunktion, geht in einem modernen Porsche ungefähr so: Der Fahrer stellt den linken Fuß auf die Bremse, gibt Vollgas, der Motor heult auf und wenn die Drehzahl ganz oben ist, geht der Fuß von der Bremse und das Fahrzeug schießt nach vorn. Der Rennstart in einem Porsche Taycan verläuft ähnlich: Der Fahrer stellt den linken Fuß auf die Bremse, gibt Vollgas bis im Display das Okay für das System erscheint, das Surren der Elektromotoren schwillt etwas an und wenn der Fahrer den Fuß vom Bremspedal zieht, fliegt er wie vom Katapult geschossen vorwärts.
In unserem Fall geht es dann noch andersherum – Vollbremsung, was der Fuß hergibt, um die 2,3 Tonnen Masse zum Stehen zu bringen. Manch erfahrener Motorjournalist steigt danach mit leicht fahlem Gesicht aus dem Auto und beteuert, er könne heute aufs Mittagessen verzichten.
Von null auf 100 km/h in 2,8 Sekunden
Das Spiel hat sich in vielen Jahren wiederholt und ist jetzt rein elektrisch: Wenn man glaubt, man habe diesen Geschwindigkeitsimpuls endgültig überwunden, sei abgeklärt und schwebe über den Dingen, kommt Porsche und haut wieder einen raus. Diesmal eben im Taycan auf einem abgesperrten Gelände, nur so, um zu demonstrieren, was möglich ist, und niemals zur Nachahmung im Straßenverkehr empfohlen.
Eigentlich geht es ja um den Taycan 4S, das schwächere und günstigere Basismodell, das die Stuttgarter jetzt nachschieben. Aber weil Turbo und Turbo S (die Bezeichnungen muss man historisch betrachten) nun auch mal dastehen, wäre es doch jammerschade, nicht einzusteigen. Schließlich könnte es ja spannend sein herauszufinden, worin der Unterschied im Spurt von null auf 100 km/h zwischen 2,8 Sekunden und vier Sekunden liegt.
Ein Auto, das besser ist als alles, was Tesla bislang geliefert hat
Eine wichtige Zahl ist da schon mal fix: 1,2 Sekunden schneller kosten im Porsche-Universum 77.836 Euro, denn das ist der Preisunterschied zwischen dem Taycan Turbo S (181.638 Euro) und der Sparversion 4S (103.802 Euro). Wobei sich mal wieder bestätigt: Alles im Leben ist relativ. Und eins sei auch gleich klargestellt: 1,2 Sekunden sind nur beim Luftanhalten so gut wie nichts. Im Taycan sind diese 1,2 Sekunden für nicht so stabile Naturen der Unterschied zwischen gutem Appetit und dem plötzlichen Wunsch, Diät zu halten. Doch Beschleunigung ist nur die eine Seite. Denn dieses Auto hat viele Facetten: Da sind zum einen das Fahrwerk, die mathematisch genau berechnete Gewichtsverteilung, die Balance, wenn es um die Kurven geht.
Die Ingenieure von Porsche waren immer dafür bekannt, beim Fahrwerk besser zu sein als die Konkurrenz. Wie machen sie es nur, dass die Fahrzeugmasse kaum zu spüren ist? Der Taycan geht um die Ecken, als sei die Beherrschung der Querbeschleunigung ein Kinderspiel. Zum anderen tritt der Taycan einen Beweis an, der gerade zur rechten Zeit kommt: Deutsche Ingenieure haben ihr Handwerk nicht verlernt. Hier steht ein Auto, das besser ist als alles, was Elon Musk und Tesla bislang geliefert haben.
Ein Auto für einen kleinen – aber begeisterten – Kundenkreis
Natürlich kann man jetzt bedenklich den Kopf wiegen und ins Feld führen, dass batterieelektrische Autos auch nicht das Gelbe vom Ei sind. Doch Politik und Industrie haben sich nun einmal für diesen Standard entschieden. Punkt. Und natürlich ist der Taycan bei dem horrenden Preis nur für einen kleinen Kundenkreis erschwinglich. Der aber brennt für den Elektrosportwagen. Porsche Sprecher Mayk Wienkötter: “Die 20.000 Einheiten, die wir für dieses Jahr geplant haben, werden am Ende auch verkauft sein.” Und das, obwohl die Bänder im Lockdown stillstanden. Das Auto ist eben auch ein Statement, was mit dieser Technologie möglich ist. So wird sie ziemlich sicher den Verbrenner aufs Altenteil schicken.
Egal, ob beim Wedeln zwischen den Hütchen, mit abgeschalteter Traktionskontrolle oder auf dem Rundkurs: Strahlkraft und Ruhe, die von jedem Taycan ausgehen, sind enorm. Einer der Gründe liegt in den zwei Synchronmotoren an Vorder- und Hinterachse, die für den ständigen Allradantrieb sorgen. Ein anderer ist das Batteriepaket, das sich im Fahrzeugboden verteilt und so einen niedrigen Schwerpunkt garantiert. Der kann über das jeweilige Fahrprogramm nochmals ein paar Millimeter abgesenkt werden und nagelt das Fahrzeug quasi auf den Asphalt – solange es trocken ist. Auf feuchtem Geläuf wird es dann kribbeliger, doch den Umgang damit kann man lernen.
Nach ein paar aufregenden Stunden geht die Begegnung mit diesem Auto dann zu Ende. Zurück bleibt eine gewisse Leere beim Anblick des eigenen Pkw. Eigentlich zitieren wir keine Pressemitteilungen, machen heute aber eine Ausnahme: “Mit dem rein elektrisch angetriebenen Sportwagen Taycan ist Porsche in eine neue Ära gestartet”, heißt es dort. Wir sind gespannt, was da noch folgen wird.
RND