Verkehrssicherheit: Mit dem falschen E-Bike wird’s schnell gefährlich

Ein E-Bike-Fahrer überholt im Morgenverkehr eine Fußgängerin. Jedes dritte Todesopfer bei Fahrradunfällen fuhr ein Pedelec.

Ein E-Bike-Fahrer überholt im Morgenverkehr eine Fußgängerin. Jedes dritte Todesopfer bei Fahrradunfällen fuhr ein Pedelec.

Die Verkehrswende ist beschlossene Sache. Über den besten Weg dorthin wird noch diskutiert. Fest steht aber, dass Pedelecs, gemeinhin bekannt als E‑Bikes, also Fahrräder mit Elektrounterstützung, ein fester Baustein im großen Plan der Veränderungen sind. Sie sollen das Verkehrsgeschehen in den Großstädten entlasten und im besten Fall an vielen Stellen Autos überflüssig machen. Doch jetzt schlagen die Unfallforscher der Versicherer Alarm: Viele Menschen, so ihre Erkenntnis, sind mit den modernen leistungsfähigen Fahrrädern überfordert. Der Handel verkauft ihnen zu oft die falschen Modelle – mit teilweise katastrophalen Folgen.

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Wie es genau passiert ist, kann Michael Z., 66 Jahre, heute nicht mehr sagen. Es war eine ganz normale Situation, eine leichte Kurve auf Kopfsteinpflaster, als er die Kontrolle über sein Pedelec verlor und nach vorn über den Lenker stürzte. Im Krankenhaus diagnostizierte man vier gebrochene Rippen und ein gebrochenes Brustbein – wochenlange Schmerzen. Z. fährt seit Jahrzehnten Rad. Mehrtägige Touren durch Deutschland und das benachbarte Ausland waren seine Leidenschaft. Bei seinem Sturz, es war bereits sein zweiter mit einem Pedelec, hat er noch Glück gehabt.

„Jeder dritte getötete Radfahrer ist ein Pedelecfahrer“

„Jeder zehnte Radfahrer ist heute auf einem Pedelec unterwegs, aber jeder dritte getötete Radfahrer ist ein Pedelecfahrer“, sagt Siegfried Brockmann, Leiter der Unfallforschung der Versicherer, „das kann so nicht weitergehen“. Obwohl die Zahl der Fahrradunfälle mit Todesfolge 2020 um 14 Prozent gesunken ist, wurde bei Unfällen mit der Beteiligung elektrisch unterstützter Fahrräder eine Zunahme von 22 Prozent verzeichnet.

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Die Gründe hierfür sind schnell gefunden: Pedelecs erleben derzeit einen regelrechten Boom. Im vergangenen Jahr wurden allein etwa zwei Millionen dieser Fahrräder verkauft. Sie ermöglichen nicht nur ein höheres Tempo über längere Strecken, sie sind aufgrund der verbauten Technik auch deutlich schwerer als normale Fahrräder. Und das stellt, so die Erkenntnis der Unfallforscher, nicht nur die ungeübten Radler vor Probleme, sondern vor allem auch ältere Menschen. Aber gerade sie machen den überwiegenden Teil der Kundschaft aus, weil sie sich am meisten von einem Pedelec erhoffen.

Die schnellen S‑Pedelecs sind nicht das Problem

Im Kern konzentrieren sich die Probleme auf genau die E‑Bikes, die als Fahrräder zugelassen sind: Sie dürfen nicht schneller als 25 Stunden­kilometer fahren und sind auf Radfahrwegen zugelassen. Für sie besteht keine Helmpflicht. Brockmann: „Die S‑Pedelecs, die bis 45 km/h schnell sind und auch auf Radschnellwegen nicht fahren dürfen, spielen da keine große Rolle.“ Unfälle ereignen sich häufig dann, wenn die Fahrer und Fahrerinnen mit dem Handling ihres Rades überfordert sind. „Es ist ein großer Unterschied, ob ich mit 15 oder 30 Kilogramm Gewicht ins Schlingern gerate“, sagt Brockmann. Daher sei die Quote der Alleinunfälle hier auch besonders hoch.

Dass es überhaupt soweit kommt, liegt zum großen Teil mit am Handel. Den trifft laut Brockmann eine Mitschuld: „Die Dauerleistung eines Pedelecs darf nicht mehr als 250 Watt betragen, sportlich ausgerichtete Modelle bringen es in der Spitze aber auf bis zu 1000 Watt. Das sind für Ungeübte wahre Teufelsfahrzeuge.“ Der Fachhandel müsse hier sehr viel personenbezogener beraten. Und auch vom obersten deutschen Fahrradlobbyisten, dem Allgemeinen Deutschen Fahrrad Club (ADFC), erwartet der Unfallforscher mehr Unterstützung: „Die müssen das deutlicher kommunizieren.“

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Handel sollte beim Kauf gut beraten

Roland Huhn, Sicherheitsexperte des ADFC, sagt dazu: „Sicherlich sollte der Handel bei der Auswahl gut beraten.“ Mit den E‑Mountainbikes seien Motoren aufgekommen, die eine stärkere Beschleunigung ermöglichten: „Wer im Alltag fährt, sollte gut überlegen, ob dieses starke Drehmoment benötigt wird.“ Durch die Wahl der Unter­stützungsstufe habe man es aber selbst in der Hand, wie stark die eigene Leistung verstärkt werde. Auch sollte der Fachhandel auf die hohe Bremsleistung hinweisen und dazu raten, sich außerhalb des Verkehrs mit den Bremsen vertraut zu machen. Darauf weise der ADFC regelmäßig in seinen Publikationen hin.

Einen weiteren Schritt zu mehr Sicherheit auf den Radwegen sieht Unfallforscher Brockmann in gezielten Schulungen vor allem auch für ältere Menschen. Wobei ihm das Grundproblem bewusst ist: „Einen Menschen, der seit seinem sechsten Lebensjahr Fahrrad fährt, davon zu überzeugen, dass er hier noch etwas lernen kann, ist bestimmt nicht leicht.“

Höchstgeschwindigkeit eines Pedelecs an die Muskelkraft des Fahrers koppeln

Zu guter Letzt fordert Brockmann, die Höchstgeschwindigkeit eines Pedelecs an die Muskelkraft seines Fahrers zu koppeln: „Das zu programmieren ist kein Hexenwerk, das geht über den Drehmoment­sensor. Das hört sich nach einer Einschränkung an, und das ist es natürlich auch. Aber der Vorteil, der Mobilitätsgewinn, bleibt erhalten.“

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Michael Z. hat sich inzwischen von seinen Verletzungen erholt und räumt ein, dass er hin und wieder vielleicht etwas schnell unterwegs gewesen sei. Er plant bereits seine nächsten Touren.

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