Vodafone startet 5G-Standalone: Was bedeutet das für Nutzer?
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Handysoftware für 5G-Standalone ist noch rar.
© Quelle: Federico Gambarini/dpa
Der Test findet auf einer etwas verwilderten Wiese im Frankfurter Stadtteil Rödelheim statt. „Na also, geht doch“, sagt Guido Weißbrich beim Blick auf ein nagelneues Smartphone. Der Speedtest ergibt eine Downloadgeschwindigkeit von 531 Megabit pro Sekunde und einen Ping-Wert von neun Millisekunden. Das sind erstaunliche Werte. Möglich macht das die „echte“ 5G-Mobilfunktechnik, die Vodafone am Montag freischaltet. Die beiden anderen Netzbetreiber (Deutsche Telekom und Telefónica/O2) werden bald folgen.
„5G funktioniert jetzt ohne Stützräder“, erläuterte Weißbrich, Netz-Chef bei Vodafone, dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND). Nach vielen Tests wird die Übertragungstechnik der fünften Generation nun im Alltagsbetrieb mit dem sogenannten Standalone-Modus eingesetzt – eine Premiere in Europa. Und die findet in Frankfurt statt, wo Vodafone ein erstes Rechenzentrum auf 5G umgestellt hat. Was sehr technisch klingt, soll für die Nutzer viel Neues bringen. Etwa für Computerspieler. Oder für Unternehmen, die Maschinen und Anlagen fernsteuern wollen. 5G-Standalone soll autonom fahrenden Autos helfen, ihren Weg zu finden, und für Liveübertragungen von bewegten Bildern könnte eine Revolution kommen.
Zwei Vorteile von 5G funktionierten bisher nicht
„Wir machen den Weg frei für die Echtzeit“, betont Vodafone-Chef Hannes Ametsreiter. Die Technik dahinter: 5G bekam bislang vom Vorläufer (LTE/4G) kräftig Hilfe. Etwa beim Verbindungsaufbau oder bei anderen zentralen Diensten wie der Speicherung der Kundendaten oder der Abrechnung von Datenvolumina. Mit Huckepackverfahren konnten zwar schon Bandbreiten gesteigert werden. Zwei weitere Vorteile von 5G funktionierten aber noch nicht.
Erstens die Reduzierung der Verzögerungszeiten beim Hin- und Herschicken von Datenpaketen – das ist der Ping-Wert. Hinzu kommt das sogenannte Slicing der Netze. Wörtlich übersetzt in etwa: in Scheiben schneiden. Damit können neue Anwendungen entwickelt werden, die nicht nur hohe, sondern auch garantierte Übertragungsgeschwindigkeiten benötigen. Doch für beides ist einiges an Aufwand nötig. Vor allem braucht es kurze Transportwege für die Daten – von der Mobilfunkantenne mittels Glasfaserleitungen zum Rechenzentrum. Schließlich entspricht eine Latenzzeit von neun oder zehn Millisekunden der Geschwindigkeit von Impulsen im menschlichen Nervensystem.
Vodafones erstes 5G-Rechenzentrum steht in Frankfurt
Deshalb der Test Ende voriger Woche in Rödelheim. Denn dort hat Vodafone auch sein erstes 5G-Rechenzentrum eingerichtet. So macht denn auch der Mobilfunkbetreiber darauf aufmerksam, dass Technikfans in nächster Zeit vor allem in der Mainmetropole 5G-Standalone erleben können. Insgesamt werden aber am Montag rund 1000 Antennen in 170 Kommunen bundesweit freigeschaltet, die alle ihre digitalen Signale nach Frankfurt schicken – da wird es von fernen Punkten einige Millisekunden länger dauern.
Noch ein Einschränkung: Handysoftware für 5G-Standalone ist noch rar. In diesem Monat soll es laut Vodafone ein Update für ein Smartphone des chinesischen Herstellers Oppo geben. Im Mai werde es dies dann auch für das Samsung S21 geben. „Das Netz muss in Vorleistung gehen“, so begründet Weißbrich das frühzeitige Freischalten der neuen Technik. Wobei die Vodafone-Strategen damit rechnen, dass die Auswahl an Geräten schnell steigen wird und damit die Nachfrage nach Standalone-Anwendungen. So hat sich das Unternehmen denn auch vorgenommen, bis 2023 insgesamt zehn 5G-Rechenzentren in Betrieb zu nehmen.
Telekom und Telefónica sind auf dem Weg
Die Telekom testet derweil noch – unter anderen in Garching bei München und in Bamberg. „Bis zur kommerziellen Nutzung müssen wir uns noch ein wenig gedulden“, sagt Michael Dittrich, technischer Leiter für die 5G-Einführung beim Bonner Konzern. Es gehe darum, die Balance zu finden, was man den Kunden mit LTE-Handys weiterhin anbiete und was den 5G-Kunden offeriert werde.
Klar ist indes bereits, dass iPhone-12-Kunden der US-Tochter T-Mobile mit der geplanten Version 14.5 des Betriebssystems iOS dort schon auf die superschnelle Technik umschalten können. Derweil teilt Telefónica mit, dass man ebenfalls 5G auf eigene Beine stellen wolle und „noch 2021“ ein Standalone-Netz starten werde. Bei allen drei Netzbetreibern soll mit dem anstehenden Ausbau auch eine weitere Erhöhung der Übertragungsgeschwindigkeiten einhergehen. 1000 Megabit und mehr werden angestrebt.
Augmented Reality könnte einen Boom erleben
Welche Anwendungen mittels 5G-Standalone wann für Nutzer konkret angeboten werden, ist noch offen. Klar ist aber: Die Technik wird das ohnehin schon schnell wachsende Angebot für Onlinegamer, die per Smartphone ihren Spieltrieb befriedigen, weiter befeuern. Filmfans könnten sich bald ganze Netflix-Serien sehr schnell aufs Smartphone laden.
Marktforscher rechnen außerdem damit, dass Augmented Reality einen Boom erleben könnte: Nutzer leihen sich beispielsweise für Stadtführungen Brillen aus, die auf die Innenseite der Gläser Grafiken oder Videos über die Sehenswürdigkeiten projizieren, welche die Brillenträger sich gerade anschauen. Die geringen Latenzzeiten eröffnen Unternehmen ganz neue Einsatzmöglichkeiten für Maschinen. So hat Vodafone schon den Einsatz von Baggern getestet, die ferngesteuert im Erdreich buddeln. Der „Baggerfahrer“ kann dann seinen Job von zu Hause aus erledigen.
Liveübertragungen werden einfacher
Vielversprechend sind auch Anwendungen in der Medienbranche. Der technische Aufwand für Liveübertragungen von Fußballspielen oder Rockkonzerten kann erheblich reduziert werden. Es braucht keine Übertragungswagen und keine Satellitenverbindungen mehr. Hierbei ist das Network-Slicing besonders wichtig: Für einen begrenzten Zeitraum wird eine garantierte Bandbreite zur Verfügung gestellt, um zu den Fans die bewegten Bilder in hoher Qualität zu bringen. Diese werden mit kleinen, kompakten Kameras oder sogar mit Smartphones erzeugt. Die Bildregie ist mit einem Laptop an einem Küchentisch möglich. Vodafone hat dies bereits Ende vorigen Jahres gemeinsam mit dem TV-Bezahlsender Sky bei einem Zweitligaspiel (Düsseldorf gegen Osnabrück) erfolgreich getestet.