Vollelektrische Mittelklasse – mit dem EV6 erfindet sich Kia neu
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Der Kia EV6 ist ein imposantes Auto, optisch wuchtig, im Detail mit eigenem Stil und damit völlig anders als der Hyundai Ioniq 5.
© Quelle: Kia
Wann haben sich Passanten zuletzt nach einem Fahrzeug der Marke Kia umgedreht? Die Koreaner standen bislang für solide, aber wenig spektakuläre Jedermannautos, Mainstream eben. Nun, momentan ist das etwas anders: Mit dem EV6 hat die Marke ein Elektroauto im Angebot, das nicht nur in technischer Hinsicht aufhorchen lässt, sondern auch optisch ein Ausrufezeichen setzt: Jetzt können die Asiaten sogar Design.
Damit machen sie den europäischen Herstellern in einer der letzten Disziplinen Konkurrenz, die diese noch fest besetzt hielten. Die Bestätigung ließ nicht lange auf sich warten: Der Kia EV6, der in der Basisversion ab 44.990 Euro kostet, wurde von der Fachpresse zum „German Car of the Year 2022“, zum deutschen Auto des Jahres, in der Kategorie Premium gewählt.
Den Zeichen der Zeit entsprechend versuchen die Koreaner, sich neu aufzustellen und das eher biedere Image der Vergangenheit abzuschütteln. Der äußere Auftritt eines Modells drängt sich dafür geradezu auf. Kia-Chefdesigner Karim Habib attestiert seiner eigenen Arbeit „ein progressives, den Menschen in den Mittelpunkt stellendes Design“.
Angenehme Sachlichkeit im Innenraum
Was damit gemeint ist, wird beim Anblick des EV6 schnell deutlich: Von hinten ein wenig Kombi und von vorne ein bisschen Sportwagen bringen das Crossover mit seinen klaren, schnörkellosen Linien und glatten Flächen bei einer neuen Sachlichkeit in die Mittelklasse. Einer Sachlichkeit, die sich im Innenraum fortsetzt und durchaus angenehm anfühlt, zumal Sitzbezüge und Stoffe aus recycelten Materialien bestehen und somit vollständig dem Geist der Gegenwart entsprechen. Die großen Monitore, über die der Fahrer sämtliche für ihn interessanten Informationen bezieht, ergänzen dieses Bild.
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Vor dem Fahrer baut sich ein Armaturenbrett auf, dominiert von zwei jeweils 12,3 Zoll großen und serienmäßigen Curved Displays (Digital Cockpit und Infotainment).
© Quelle: Kia
Als erstes rein batterieelektrisches Auto von Kia nutzt der EV6 die neue E-GM-Plattform (Electric-Global Modular Platform), die dank des langen Radstandes viel Platz für die Passagiere bietet. Die frei schwebende Mittelkonsole mit dem Dreh- und Drückschalter für die Gangwahl, die Ansteuerung der einzelnen Menüs – das alles haben sich die Ingenieure sinnig ausgedacht. Nur dass der Fahrer beim Anschalten der Lenkradheizung auch ständig auf den Schalter für die Kühlung des Sitzes gerät, nervt ein wenig.
Unser Testwagen war mit Allradantrieb, der stärksten der drei momentan verfügbaren Leistungsstufen (170, 229 und 325 PS) und dem großen 77,4-kWh-Akku ausgestattet – er beginnt bei 52.800 Euro. Mit ihm sollen Reichweiten bis 528 Kilometern drin sein, was unter idealen Umständen im Stadtverkehr möglicherweise sogar gelingen kann. Auf dem Land, zumal im Winter, ist es allerdings ein Fabelwert. Da unterscheidet den neuen Kia in nichts von der mittlerweile ja ziemlich starken Konkurrenz.
800 Volt Ladekapazität
Allerdings verfügt das Fahrzeug über Technologien, die noch längst nicht Standard bei den Elektroautos sind und den EV6 dementsprechend aus dem Segment hervorheben: So kann der Koreaner wie der Porsche Taycan mit 800 Volt laden und füllt die Batterie damit in nur 18 Minuten von 10 auf 80 Prozent. 100 Kilometer Reichweite gibt es laut Hersteller in 4,5 Minuten. Das klappt leider nur dann, wenn eine Schnellladesäule in der Nähe ist. Ansonsten heißt es auch beim EV6: Geduld bewahren und Tee trinken.
Einen Punkt haben aber auch die Koreaner nicht in den Griff bekommen: Muss im Winter Eis gekratzt und zur Unterstützung die Lüftung zugeschaltet werden, rauscht die Reichweite in Sekundenschnelle schon mal um gute 30 Kilometer in den Keller. Okay, ist die Lüftung wieder abgeschaltet, berappelt sich die ganze Sache wieder, was am Grundproblem an sich nichts ändert: Elektrische Verbraucher sind und bleiben ein Problem für ein Auto, das mit Strom fährt.
Bidirektionales Laden: das Fahrzeug als Akku
In einem anderen Punkt ist der Kia den meisten Konkurrenten wieder deutlich voraus: Er beherrscht schon heute bidirektionales Laden und kann Strom auch wieder abgeben, was ihn zur mobilen Powerbank macht: Unterwegs ist weit und breit keine Steckdose vorhanden? Macht nichts. Adapter raus und eingestöpselt und schon laufen Laptop und Co. wieder. Das ist tatsächlich Zukunftstechnologie mit Mehrwert. Im Wald, in den Bergen, am Meer – EV6-Fahrer sind zumindest temporär unabhängig und können in Mutter Natur die Errungenschaften der Zivilisation nutzen.
Um dorthin zu kommen, muss das Auto fahren. Und auch das macht der EV6 gut. Knappe 325 elektrische PS sind eine Ansage und beschleunigen das 2,1 Tonnen schwere Fahrzeug in 5,2 Sekunden aus dem Stand auf Tempo 100. Die Höchstgeschwindigkeit ist mit 185 km/h elektronisch limitiert. Ein ganzes Arsenal an Fahrerassistenzsystemen unterstützt den Fahrer, der aus mehreren Rekuperationsstufen wählen oder auch in den One-Pedal-Modus schalten kann. Lenkung und Bremsen entsprechen zwar nicht denen eines Sportwagens, halten das Auto aber jederzeit sicher in der Spur – auch der Fahrspaß kommt nicht zu kurz.
Wem das nicht reicht, der muss auch nicht mehr lange warten: Noch in diesem Jahr will Kia eine GT-Version mit 585 PS anbieten. Die spurtet dann in 3,5 Sekunden von null auf 100 km/h und macht erst bei 260 km/h Schluss. Die Koreaner beweisen mit diesem Auto, dass sie Elektromobilität mit ihren Möglichkeiten begriffen haben – für die deutschen Hersteller werden die Zeiten nicht einfacher.
Kia EV6 Allrad 77,4 kWh
Motor: zwei Elektromotoren
Leistung: 239 kW/325 PS
Max. Drehmoment: 605 Nm
Spitze: 185 km/h (abgeregelt)
0–100 km/: 5,2 s
Batterie: 77,4 kWh
Reichweite: bis 528 km
CO₂-Emission: 0 g/km
Verbrauch: 17,2–18,0 kWh/100 km
Länge/Breite/Höhe: 4,69/1,89/1,55 m
Radstand: 2,90 m
Kofferraum: 490–1300 l
Getriebe: Eingangautomatik
Preis: ab 52.800 Euro