Putin will Öl um jeden Preis exportieren

Irans Geistertanker: Wie die Schattenflotte Russland beim Umgehen der Sanktionen hilft

Öltankschiffe liegen im Schwarzen Meer nahe der Bosporusstraße in Istanbul, Türkei, vor Anker.

Öltankschiffe liegen im Schwarzen Meer nahe der Bosporusstraße in Istanbul, Türkei, vor Anker.

Anfang Dezember ist das von der EU beschlossene Ölembargo gegen Russland in Kraft getreten. Seitdem darf kein russisches Öl mehr per Schiff in die EU gebracht werden. Das hat nun offenbar Konsequenzen, mit denen kaum jemand gerechnet hat: Laut einem Bericht der „Financial Times“ (FT) transportieren jetzt Tankschiffe der iranischen Geisterflotte russisches Öl.

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Der Iran hatte schon 2018, nachdem er von den USA sanktioniert wurde, eine Schattenflotte an Tankschiffen aufgebaut. Schiffsbewegungen und Eigentumsverhältnisse Dutzender Schiffe werden verschleiert, um iranisches Öl zu exportieren und die US-Sanktionen zu umgehen. Nun sollen mindestens 16 dieser Schiffe russisches Öl transportieren, weil das profitabler sei, berichtet die britische Zeitung. Russland locke die Schiffseigner mit Spitzenpreisen, um das Öl zu transportieren und so eine der Haupteinnahmequellen des russischen Staatshaushalts nicht versiegen zu lassen. Der Aufschlag für den Transport von russischem Öl liege demnach bei mindestens 50 Prozent über dem normalen Marktpreis, in einigen Fällen sogar über 100 Prozent.

Dass nun Tanker der iranischen Schattenflotte russisches Öl transportieren, könnte zu Spannungen zwischen dem Iran und Russland führen. Trotzdem glauben Beobachterinnen und Beobachter nicht, dass es zum Streit um Schiffe kommen wird. Der Grund: Die Schattenflotten wurden zuletzt um immer mehr Schiffe erweitert. Laut dem Zeitungsbericht stieg daher auch die Menge des über Geisterschiffe exportierten russischen Öls von drei Millionen Barrel im November auf neun Millionen Barrel im Januar 2023. Viele dieser Schiffe sind sehr alt, so dass Expertinnen und Experten bereits warnen, dass die Gefahr eines Tankerunglücks so groß wie schon lange nicht mehr sei.

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Russland selbst hatte in den vergangenen Monaten über 100 gebrauchte Tankschiffe gekauft, um mit seiner Schattenflotte andere Weltregionen mit Öl zu beliefern. Einige dieser Schiffe sollen zuvor iranisches Öl transportiert haben. Beobachter schätzen den Bedarf Russlands an Öltankern jedoch auf rund 250 Schiffe. Für seine Ölexporte war Russland in den vergangenen Jahren sehr von ausländischen Schiffen und Reedereien abhängig. Um Länder wie Indien, China und die Türkei, die sich den Sanktionen nicht angeschlossen haben, weiter beliefern zu können, ist der Kreml nun auf andere Schiffe angewiesen.

Es gibt noch einen weiteren Grund, warum russisches Öl für iranische Tanker lukrativer geworden ist. Anders als bei iranischem Öl, das oft monatelang auf See bleibt, um die Herkunft zu verschleiern, gebe es bei russischem Öl diese großen Verzögerungen nicht. Raffinerien in China und anderen Ländern lassen die Tanker mir russischem Öl nicht so lange warten, berichtet die FT.

Russisches Öl kann trotz der Sanktionen auch über Umwege nach Europa gelangen. Dazu werden sogenannte Schiff-zu-Schiff-Transfers genutzt, bei denen russisches Öl in internationalen Gewässern auf andere Schiffe umgeladen wird. Besonders auffällig ist dies, wenn russische Öltanker „mit unbekanntem Ziel“ auf das offene Meer rausfahren. Zu Ölprodukten verarbeitetes Öl lässt sich in einigen Fällen auch mit nicht russischem Öl vermischen. Das Öl wird dann mit einem neuen Etikett versehen und in europäische Häfen gebracht.

Dass sich die Rohölexporte Russlands im vergangenen Jahr etwa verdoppelt haben, hat noch einen weiteren Grund. Ganz legal exportiert Russland einen Teil des Öls in die Türkei und nach Indien, wo es verarbeitet wird und dann als indisches oder türkisches Ölprodukt nach Europa verkauft wird. Indien hat vor dem Krieg gar kein Öl aus Russland importiert, nun beträgt der Anteil Russlands an den indischen Ölimporten bis zu 25 Prozent.

Obwohl Russland mehr Öl exportiert, verdient der Kreml deutlich weniger als früher. Der Preis für russisches Ural-Öl ist im Keller. Nach einem starken Anstieg des Ölpreises in den Jahren 2020 und 2021 ist der Kurs inzwischen um rund 45 Prozent eingebrochen. Er liegt mit circa 53 US-Dollar pro Fass unterhalb des vom Westen auferlegten Ölpreisdeckels (60 US-Dollar). Hinzu kommt, dass Russland in der Praxis hohe Abschläge hinnehmen muss, um größere Ölmengen tatsächlich loszuwerden. Zugeständnisse wie die Übernahme der Transportkosten schmälern die Gewinne zusätzlich.

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Das macht sich bereits in der russischen Staatskasse bemerkbar: Die Einnahmen aus dem Öl- und Gasexport für den russischen Haushalt sind im Januar 2023 im Vergleich zum Vorjahr um 46 Prozent eingebrochen, wie das russische Finanzministerium offiziell mitteilte.

Um den Ölpreis wieder in die Höhe zu treiben, hat Russlands Präsident Wladimir Putin Anfang Februar ein Dekret unterzeichnet, das den Export von russischem Öl in Länder verbietet, die sich dem Ölpreisdeckel angeschlossen haben. Das soll dem Markt eine Verknappung des Öls suggerieren und so den Preis in die Höhe treiben, deutlich über die 60-Dollar-Marke. Wer dann noch russisches Öl will, müsste sich entscheiden, ob er den Ölpreisdeckel wirklich einhalten will – und auf das billige russische Öl verzichtet. Doch auch diese Rechnung Putins ist bislang nicht aufgegangen. Am Montag lag der Preis für ein Barrel Ural-Öl bei 52,62 Euro. Ein neuer Tiefststand seit Monaten.

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