Schwerer Start für Greenpeace-Klage gegen VW
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Greenpeace-Aktivisten fordern von VW den Abschied vom Verbrenner.
© Quelle: Moritz Frankenberg/dpa
Die Klagewelle von Klimaschützern gegen Autohersteller rollt. Am Dienstag begann ein weiteres Verfahren gegen den VW-Konzern vor dem Landgericht Braunschweig, in dem zwei Kläger und eine Klägerin den Konzern zwingen wollen, keine Autos mit Verbrennungsmotor mehr zu bauen. Zum Auftakt bekamen sie allerdings einen Dämpfer: Die Klage wurde zwar angenommen, habe aber wenig Aussicht auf Erfolg, machte der Vorsitzende Richter deutlich. Die Fortsetzung in der zweiten Instanz dürfte aber sicher sein, und weitere Verfahren laufen.
Vier Konzerne stehen auf der Liste
Im Herbst 2021 starteten Greenpeace und die Deutsche Umwelthilfe ihre Kampagne, um Konzerne zum Strategiewechsel zu zwingen. Sie forderten VW, BMW, den mittlerweile aufgespaltenen Daimler-Konzern und den Öl- und Gasförderer Wintershall auf, Unterlassungserklärungen abzugeben: Die Autohersteller sollen zusagen, den Verkauf von Autos mit Verbrennungsmotor schnell zu reduzieren und 2030 weltweit ganz einzustellen. Wintershall soll sich verpflichten, ab 2026 keine neuen Öl- und Gasfelder mehr zu erschließen. Als sich die Konzerne weigerten, folgten wenige Monate später die entsprechenden Klagen.
Ihre Chance sehen die Klimaschützer vor allem in zwei Gerichtsurteilen. Im März 2021 hatte das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass die aktuelle Klimapolitik die Rechte künftiger Generationen verletze. Die Bundesregierung schärfte daraufhin das Klimaschutzgesetz nach. Erstritten hatte den Beschluss maßgeblich die Anwältin Roda Verheyen, die auch jetzt die Kläger in Braunschweig vertritt. Wenige Monate später verpflichtete ein Bezirksgericht in den Niederlanden den Shell-Konzern auf einen Fahrplan zur Reduzierung der Kohlendioxidemissionen. Shell hat dagegen zwar Berufung eingelegt, aber das Urteil gilt Klimaschützenden dennoch als Meilenstein.
Bündnis von Greenpeace und Fridays for Future
Im VW‑Prozess beruft sich die Klägerin Clara Mayer, Aktivistin bei Fridays for Future, ausdrücklich auf die Entscheidung des Verfassungsgerichts. Ihre beiden Mitstreiter, die Greenpeace-Geschäftsführer Roland Hipp und Martin Kaiser, sehen sich in ihren Tätigkeiten als Forstwirt und Imker durch den Klimawandel geschädigt. „Der Wald wird in Zukunft voraussichtlich wirtschaftlich nicht mehr nutzbar sein“, heißt es in der Klageschrift und: „Die Bienenvölker … werden in Zukunft auch durch den Klimawandel geschädigt.“ Ihre Rechtsgrundlage ist Paragraph 1004 des Bürgerlichen Gesetzbuchs, der das Eigentum schützt.
VW sieht sich selbst im Klimaschutz vorn
Die Konzerne halten es für absurd, dass sie individuell für den Klimawandel in Haftung genommen werden sollen, zumal sie alle staatlichen Auflagen erfüllten. Volkswagen sieht sich selbst zudem als Vorreiter im Klimaschutz. „Wir haben nicht auf Klimaklagen gewartet, um ambitionierte Initiativen zu entwickeln und umzusetzen“, sagte der Nachhaltigkeitschef des Konzerns, Ralf Pfitzner. Er verweist unter anderem auf die E‑Auto-Strategie des Konzerns. Nach Meinung der Kläger reicht diese Strategie aber nicht aus, um den in der Pariser Klimakonferenz festgelegten Zielen gerecht zu werden.
VWs Anwalt Wolf Friedrich Spieth verweist darauf, dass die Festlegung von Emissionsregeln Sache des Gesetzgebers und nicht der Gerichte sei. „Nur der Gesetzgeber ist legitimiert und in der Lage, alle Interessen einzubeziehen und die verschiedenen umweltpolitischen, sozialen und wirtschaftlichen Aspekte abzuwägen“, sagte Spieth. Am ersten Verhandlungstag sah er sich vom Gericht bestätigt. Kontrahentin Verheyen kündigte an, bei einer Niederlage in die Berufung zu gehen. „Wir sind mitten im Streit und das ist gut so“, sagte Verheyen.
Bald Vorentscheidungen in anderen Verfahren
In den verschiedenen Klimaverfahren neigten die Gerichte bisher eher der Sicht der Unternehmen zu. Ein Urteil gibt es bisher nur vom Landgericht Stuttgart, das die Klage gegen Mercedes im November abgewiesen hat. Ein weiteres Verfahren gegen VW läuft vor dem Landgericht Detmold. Auch dort äußerte das Gericht Skepsis, hat aber für den 3. Februar einen weiteren Verhandlungstermin angesetzt. Gegen Wintershall klagt die Umwelthilfe vor dem Landgericht Kassel, dort gab es aber noch keine Verhandlung.
Das Landgericht München will am 7. Februar im Fall BMW urteilen und hat ebenfalls Zweifel an der Argumentation der Kläger angemeldet. Die Umwelthilfe hat dort die Hoffnung allerdings noch nicht aufgegeben: Der Vorsitzende Richter habe angedeutet, dass die Ansprüche der Kläger möglicherweise „zu einem späteren Zeitpunkt bestehen könnten, sofern BMW keine genügenden Anstrengungen zur Einhaltung der Pariser Klimaschutzziele unternimmt“, hieß es nach einer Verhandlung im November. Spätestens vor dem Bundesgerichtshof rechne man mit einem Erfolg.
Ein Bauer aus Peru gibt nicht auf
Mit Sorge blicken die Unternehmen zum Oberlandesgericht Hamm, wo ein Verfahren gegen den RWE-Konzern weiter gediehen ist, als viele geglaubt hätten: Ein peruanischer Bauer verklagt den Energiekonzern auf Ersatz der Schäden, die er durch den Klimawandel erlitten habe. Nachdem der Bauer in der ersten Instanz unterlegen war, gab es im vergangenen Jahr bereits einen Ortstermin mit Gutachtern in Peru. Das Oberlandesgericht will in der ersten Jahreshälfte entscheiden, wie es mit dem Verfahren weitergeht.