Lockdown in Millionenstadt Shanghai: Die Fabrik steht still – nicht nur bei Tesla
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Limousinen von Typ Model 3 des US-Elektroautoherstellers Tesla stehen in der Gigafabrik des Unternehmens in Shanghai (Archivbild).
© Quelle: Ding Ting/XinHua/dpa
Peking. Und schon wieder steht die Produktion still: Nur wenige Wochen, nachdem Tesla in Shanghai seine Lieferbänder neu anlaufen ließ, müssen die Fabrikarbeiter ihre Tätigkeit erneut niederlegen. Zumindest 200 Fahrzeuge können derzeit noch das Werk des US-Unternehmens verlassen. Vor der 22-tägigen Lockdownsperre wurden hier mehr als zehnmal so viele hergestellt.
Dabei ist die Drosselung nicht einmal von den Behörden verordnet. Vielmehr sind es nun logistische Engpässe bei den Lieferketten, die für Verzögerungen in der Produktion sorgen. Der Vorfall zeigt auch: Von einer wirtschaftlichen Normalität ist Chinas wichtigste Handelsstadt noch weit entfernt.
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Shanghai: Ein Italiener berichtet aus einem Quarantänezentrum
Eigentlich hatte Alessandro Pavanello seine Corona-Infektion schon überstanden, da steht plötzlich die chinesische Seuchenbehörde vor der Tür. Für den jungen Mann beginnt eine Odyssee. Nun lässt der Mann aus Italien die Weltöffentlichkeit an seinem Alltag in einem Shanghaier Quarantänezentrum teilhaben.
Nur im sogenannten „Closed Loop“-Management dürfen die Betriebe in Shanghai derzeit weiter operieren. Das bedeutet im Fall von Tesla: 8000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter leben über Wochen hinweg auf dem Firmengelände in vollständiger Isolation.
Der am 1. April verhängte Lockdown von Shanghai sollte ursprünglich nur fünf Tage andauern. Doch auch sechs Wochen später sind nur minimale Öffnungsschritte zu beobachten. Ein paar Bewohnerinnen und Bewohner dürfen zwar mittlerweile die Straßen betreten. Doch was sie dort zu sehen bekommen, erinnert vor allem an ein Schlachtgefecht: Ganze Straßenzüge sind mit Metallplanen und provisorischen Holzplanen verriegelt, Bezirksgrenzen werden mit militärischen Checkpoints bewacht. Die einzigen Autos auf den Straßen sind Krankenwagen und Polizeifahrzeuge.
Corona-Sperrzonen in China: Peking testet, Shanghai öffnet
In der Hauptstadt Peking wollen die Behörden einen Corona-Ausbruch unbedingt eindämmen. In Shanghai durften Bewohner zum ersten Mal seit Wochen wieder raus.
© Quelle: Reuters
Immerhin lässt sich bei den täglichen Infektionszahlen seit Mai ein deutlicher Abwärtstrend beobachten. Zuletzt hat die örtliche Gesundheitskommission nur mehr rund 3000 Fälle gemeldet, davon über 90 Prozent asymptomatisch. Doch das von Peking vorgegebene Ziel lautet, die Ausbreitung des Virus vollständig einzudämmen.
Strenge „Ruheperiode“ eingeleitet
Da dies nach jetzigem Tempo noch Wochen dauern könnte, hat Shanghai seinen Bewohnerinnen und Bewohnern einen erneuten Lockdownschock verordnet. Im offiziellen Sprachgebrauch nennt sich dies „Ruheperiode“ bis 15. Mai. Bis dahin dürfen die Leute keine Lieferdienste verwenden, sollen nicht einmal den Hausflur betreten und nur in absoluten Ausnahmefällen ein Krankenhaus besuchen dürfen.
Zudem haben die meisten Lokalbehörden mit einer unmenschlichen Praxis begonnen: In vielen Bezirken werden nicht mehr nur positiv Getestete in die Quarantänelager abgeführt, sondern auch sämtliche Haushalte auf dem gesamten Stockwerk. Dass die „erzwungene Umsiedlung“ verfassungswidrig ist, hat erst kürzlich der chinesische Rechtswissenschaftler Tong Zhiwei ausführlich erklärt. Doch nach nur wenigen Stunden wurde das Posting gelöscht und sein Social-Media-Account gesperrt.
Ohnehin glauben nur mehr hoffnungslose Optimisten, dass die Corona-Verschärfungen wirklich zum gewünschten Erfolg führen. Stattdessen sorgt der anhaltende Ausnahmezustand für immer brutalere Auseinandersetzungen mit den Ordnungshütern: Die „freiwilligen“ Helferinnen und Helfer in ihren Seuchenschutzanzügen liefern sich täglich Schlägereien mit verzweifelten Anwohnerinnen und Anwohnern, die endlich wieder raus wollen. Nicht wenige von ihnen haben seit dem Lockdown kein Einkommen mehr und stehen vor den Scherben ihrer seit Jahren aufgebauten Existenz.
Doch eine Öffnung des Landes würde nach derzeitigem Stand wohl ebenfalls massive Schäden anrichten. Laut einer aktuellen Studie chinesischer Wissenschaftler, die am Dienstag im „Nature Medicine“ erschienen ist, würde eine vollständige Aufhebung aller Maßnahmen über 1,5 Millionen Corona-Tote fordern und die Intensivstationen um das 15-fache überlasten.
All dies lässt sich zwar durchaus als Unterstützung für die umstrittene Null-Covid-Politik Pekings lesen. Doch gleichzeitig wirft die ebenfalls ein paar unangenehme Fragen auf – etwa warum die Staatsführung es bis heute nicht geschafft hat, seine ältere Bevölkerung durchzuimpfen, oder die wirksameren mRNA-Vakzine aus dem westlichen Ausland zuzulassen.
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