Was die Strommarktreform der EU bewirken soll und was am Ende bei den Verbrauchern ankommt
:format(webp)/cloudfront-eu-central-1.images.arcpublishing.com/madsack/KBFCVJ46LVH73LROAD6TZKFNJY.jpeg)
Zahlreiche Strommasten stehen auf einem Acker.
© Quelle: Federico Gambarini/dpa
Berlin. Die Strompreise waren im vergangenen Jahr extrem gestiegen. Grund dafür war unter anderem, dass zeitweise rund die Hälfte der französischen Atomkraftwerke ausfiel. Zudem war der Strompreisanstieg eine Folge explodierender Gaspreise infolge des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine. Eine Strommarktreform auf EU-Ebene soll vor allem Verbraucherinnen und Verbraucher entlasten. Die EU-Kommission legt dazu am Dienstagnachmittag ihren Vorschlag vor. Was soll sich nun ändern und wie könnten Verbraucherinnen und Verbraucher profitieren? Eine Übersicht.
Wie funktioniert der Strommarkt in der EU?
Der Strommarkt in der EU funktioniert nach dem sogenannten Merit-Order-Prinzip. Dies bezeichnet die Einsatzreihenfolge der an der Strombörse anbietenden Kraftwerke. Kraftwerke, die billig Strom produzieren können, werden zuerst herangezogen, um die Nachfrage zu decken. Das sind zum Beispiel Windkraftanlagen. Am Ende richtet sich der Preis aber nach dem zuletzt geschalteten und somit teuersten Kraftwerk. Das sind oft die Gaskraftwerke. Weil der Gaspreis vor dem Hintergrund des Kriegs in der Ukraine stark gestiegen ist, ist auch Strom teurer geworden.
:format(webp)/cloudfront-eu-central-1.images.arcpublishing.com/madsack/COEJQPRRZ5GZLDEI7LE4YJQMBY.jpeg)
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen.
© Quelle: Andrew Harnik/AP/dpa
Was soll die Strommarktreform bewirken?
Von der geplanten Reform des europäischen Strommarkts sollen EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen zufolge vor allem die Konsumentinnen und Konsumenten profitieren. „Im Mittelpunkt dieser Reform stehen die Verbraucher“, sagte die Politikerin. Die Strommarktreform soll besser vor übermäßigen Preisschwankungen schützen und Energieversorgungssicherheit aus sauberen Quellen gewährleisten. Ein Hauptziel sei auch, den Verbrauchern die Vorteile kostengünstiger erneuerbarer Energien näher zu bringen. An dem im vergangenen Jahr viel diskutierten Merit-Order-System hält die Kommission fest.
Wie genau sollen Verbraucherinnen und Verbraucher profitieren?
Eine ganz tiefgreifende Reform des Strommarkts ist nicht geplant. Stattdessen sollen Verbraucherinnen und Verbraucher sowie auch Unternehmen nach bereits öffentlich gewordenen Entwürfen etwa vermehrt von langfristigen Verträgen und somit von stabileren Preisen profitieren. Preisausschläge sollen auf zwei Arten verhindert werden: mit Differenzverträgen und langfristigen Abnahmeverträgen zwischen Privatkunden und Erzeuger.
Die EU-Staaten sollen mit Differenzverträgen künftig Investitionen in Ökostrom und Atomenergie fördern. Zudem vereinbaren Staat und Erzeuger für zwanzig Jahre einen Festpreis oder Preiskorridor. Sollte der Marktpreis niedriger sein, zahlt der Staat die Differenz an den Erzeuger. Sollte er höher sein, zahlt der Erzeuger die Differenz an den Staat. Im zweiten Fall bedeutet das für Verbraucherinnen und Verbraucher, dass die Differenz abhängig vom Verbrauch an die Endkunden verteilt wird.
In den langfristigen Abnahmeverträgen werden von Erzeuger und Kunde für fünf bis zwanzig Jahre Preis und/oder Abnahmemengen festgeschrieben. Laut Entwurf soll der Staat mit Garantien helfen, um langfristige Abnahmeverträge für alle Kunden zu ermöglichen.
:format(webp)/cloudfront-eu-central-1.images.arcpublishing.com/madsack/SUXJXPIWORDNBLHNMVWTSMEM5M.png)
Unbezahlbar
Unser Newsletter begleitet Sie mit wertvollen Tipps und Hintergründen durch Energiekrise und Inflation – immer mittwochs.
Mit meiner Anmeldung zum Newsletter stimme ich der Werbevereinbarung zu.
Wann soll die Strommarktreform kommen?
Von der Leyen setzt darauf, dass die EU-Staaten und das Europaparlament die Verhandlungen über den neuen Vorschlag bis zur Europawahl im Mai 2024 abschließen. Dieser sei gut durchdacht und man habe intensiv mit Experten beraten. „Deshalb denke ich, dass es sich lohnt, hart daran zu arbeiten, ihn vor den Europawahlen fertigzustellen“, sagte die EU-Kommissionspräsidentin.
Wie steht die Bundesregierung zur Strommarktreform?
Anders als etwa Frankreich und Spanien dürfte die Bundesregierung es begrüßen, dass die EU-Kommission auf ganz tiefgreifende Änderungen zunächst verzichtet. Deutschland hatte zuletzt zusammen mit Ländern wie den Niederlanden, Dänemark, und Luxemburg immer wieder vor einer übereilten Reform gewarnt.
Was sagen Experten zur Strommarktreform?
Zunächst brauche es schnelle und einfach umzusetzende Schritte, sagte etwa Wirtschaftsstaatssekretär Sven Giegold (Grüne). Er sprach etwa von „Maßnahmen, die uns schnell zu mehr Langfristigkeit in den Verträgen bringen und die auch dafür sorgen, dass die Verbraucherinnen und Verbraucher vor Preisspitzen geschützt werden“. Die systematischen langfristigen Reformen müssten dann so angelegt werden, dass sie keine Schäden anrichteten und Europa fit für ein Energiesystem ohne fossile Energien machten.
Auch Ökonom Georg Zachmann von der Brüsseler Denkfabrik Bruegel hält es für eine gute Nachricht, dass zunächst keine Radikalreform kommt. Im vergangenen Jahr sei dies aufgrund des politischen Drucks infolge der explodierten Strompreise nicht ausgeschlossen gewesen, sagte Zachmann. „Die Reformvorschläge, die 2022 diskutiert wurden, wären alle ziemliche Fehlschläge gewesen.“
Doch auch Zachmann sieht in den kommenden Jahren den Bedarf einer großen, umfassenden Reform. Denn mit den nun erwarteten Vorschlägen würden womöglich die Probleme des vergangenen Jahres, aber nicht die der kommenden drei Jahrzehnte gelöst. Er verweist etwa auf die eine massive Elektrifizierung der Gesellschaft und die Digitalisierung des Strommarkts. Zudem dürften ihm zufolge künftig deutlich mehr einzelne Akteure etwa mit Solar- oder Windanlagen auf dem Markt aktiv sein. Diese große Reform sei dann voraussichtlich ein Gesetzespaket für die nächste Legislaturperiode – auch wenn die jetzige EU-Kommission diese schon vorbereiten sollte, sagte der Ökonom.
RND/nis mit dpa