Wird Weizen knapp? Wie es um die weltweite Produktion steht
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Wird Weizen knapp?
© Quelle: Tom Weller/dpa/dpa-tmn
Dubai. Bauer Ed Kessel im US-Staat North Dakota denkt darüber nach, ob es Sinn machen würde, sich stärker auf den Weizenanbau zu verlegen. Und er nicht der einzige. Russlands Krieg in der Ukraine stört die globale Versorgung mit Getreide oder stellt sie sogar in Frage – insbesondere die Lieferung von Weizen und Gerste aus einer Region, die nicht umsonst als „der Brotkorb der Welt“ bekannt ist.
Ein Drittel der globalen Exporte beider Getreidearten kommen aus Russland und der Ukraine, und Länder im Nahen Osten, Asien und Afrika stützen sich darauf, um Millionen Menschen zu ernähren, die hauptsächlich von subventioniertem Brot und Billignudeln leben. Beide Länder sind auch Topexporteure von anderen Körnern und Sonnenblumenöl zum Kochen und zur Lebensmittelverarbeitung.
Kessel sagt, dass er vielleicht mehr Weizen anbauen und sich die derzeit hohen Verkaufspreise – ein Anstieg um ein Drittel seit Beginn der Invasion – zunutze machen werde. Das könnte ihm helfen, Verluste durch Dürre und die wachsenden Kosten für Kraftstoff wettzumachen, aber nicht viel mehr. So denkt Kessel denn auch an keine radikale Umstellung. „Wir werden ein paar mehr Hektar dem Weizen und ein paar mehr den Sonnenblumen widmen“, sagt der Bauer, der auch Vizepräsident der Vereinigung der Getreidebauern in North Dakota ist.
Schnell die Weizen-Produktion erhöhen?
Insgesamt hat der Krieg die Frage aufgeworfen, ob größere Getreideerzeuger wie die USA, Kanada, Frankreich, Australien und Argentinien schnell ihre Produktion erhöhen können, um die durch den Verlust an ukrainischem und russischen Ausfuhren entstehenden Lücken zu füllen. Aber Landwirtinnen und Landwirte müssen sich wohl auf ein weiteres Jahr mit Trockenheit, ansteigenden Benzin- und Düngemittelkosten sowie Störungen der Versorgungskette aufgrund der Corona-Pandemie einstellen. Größere Erzeuger sind zudem durch Faktoren wie gesetzliche Exportbegrenzungen und Anbauzyklen gehandicapt.
Das bedeutet Unsicherheit für Staaten wie Ägypten, Libanon, Pakistan, Äthiopien, Iran und andere, die nicht genug Weizen, Gerste oder Mais produzieren können, um ihren Bedarf abzudecken. Jegliche Getreideexporte von woanders auf der Welt als Ersatz würden wahrscheinlich für den Rest der gegenwärtigen Saison die Ausfälle bei den Schwarzmeer-Lieferungen nur teilweise ausgleichen, hieß es diesen Monat in einem Bericht des International Grains Council.
Weizen aus der Ukraine
Ungefähr die Hälfte des Getreides, das vom Welternährungsprogramm zur Versorgung von 125 Millionen Menschen weltweit gekauft wird, kommt aus der Ukraine. Mit dem doppelten Schlag steigender Lebensmittelpreise und geringerer Weizenexporte sei eine Katastrophe nicht nur für die Ukraine, sondern potenziell global vorprogrammiert, warnte der Chef der UN-Einrichtung, David Beasley. „Es wird Millionen und Millionen Menschen treffen, insbesondere in den ärmsten Ländern der Welt“, sagte er der Nachrichtenagentur AP bei einem jüngsten Besuch in einem Flüchtlingslager in der westukrainischen Stadt Lwiw.
Es gibt noch offene Fragen darüber, wie sich westliche Sanktionen gegen Russland, den Top-Weizenexporteur der Welt, auf dessen Getreideausfuhren und Verteilungsnetze auswirken werden. Russland ist auch globaler Spitzenreiter bei den Düngemittel-Exporten, während die Ukraine Riesenmengen an Mais, Roggen, Hafer und Hirse liefert. Die Schwarzmeer-Region ist ein Topproduzent des Getreides, das weltweit als Viehfutter verwendet wird.
Mehr Getreide aus Indien und Australien
Australien und Indien haben ihre Getreideexporte ausgeweitet, aber es gibt wenig Spielraum für andere, rasch diesem Beispiel zu folgen. Was hauptsächlich mit wiederholten Dürreperioden zu tun hat, wie Arnaud Petit vom International Grains Council sagt. Die USA haben beispielsweise in der Saison 2021-2022 44 Millionen Tonnen Weizen erzeugt. Noch vor zwei bis drei Jahren waren es mehr als 50 Millionen Tonnen. Kanada, Argentinien und Australien könnten versuchen, ihre Weizenproduktion für die kommende Saison, die Mitte 2023 endet, zu verstärken, aber es lässt sich noch nicht sagen, ob Landwirtinnen und Landwirte ihre Muster beim Säen entsprechend ändern werden.
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Bauer Doug Martin in Manitoba in Kanada sagt, dass es für den Betrieb seiner Familie zu spät sei. „Die meisten Produzenten haben eine feste Vorstellung von dem, was sie säen, und werden sich wahrscheinlich daran halten“, sagt Martin. Und obwohl höhere Weizenpreise die Einkünfte der Landwirte verbessern könnten, reicht das als Anreiz für eine Ausweitung der Produktion nicht aus, denn auch die Preise für Erzeugnisse wie Hafer, Gerste und Raps steigen. „Es gibt andere Erzeugnisse, die gute Einnahmen bringen“, sagt Martin.
Australische Landwirtinnen und Landwirte haben eine reiche Weizensaison erlebt, aber dem Agrarministerium zufolge wird das nicht unmittelbar die Ausfälle durch den Ukraine-Krieg abmildern können, weil es seine Exporte bis September bereits fest verkauft hat. Ähnlich ist die Lage in Argentinien, ebenfalls ein bedeutender Getreideexporteur.
Trockenheit verhindert höhere Weizenproduktion
Das alles macht die größten Weizenimporteure der Welt verwundbar, so Indonesien, Ägypten, Pakistan, Bangladesch, den von Krieg zerrissenen Jemen und den hoch verschuldeten Libanon. Die Trockenheit im Nahen Osten ist so schlimm wie seit 20 Jahren nicht mehr, was es unmöglich macht, die eigene Weizenproduktion zu steigern. Wenn die Preise weiter in die Höhe gehen, besteht die Gefahr von Unruhen, insbesondere in Ländern ohne genügend Weizenvorräte.
Die Welt hat 278 Millionen Tonnen an Weizenvorräten, was helfen könnte, die Folgen des Ukraine-Krieges zu dämpfen, wie Petit sagt. Aber die Hälfte davon befindet sich in China: Es verfügt über einen mehr als ein Jahr ausreichenden Vorrat, um Nahrungsmittelsicherheit für seine 1,4 Milliarden Einwohner zu garantieren.
RND/AP