Die bemerkenswerten Ratschläge der Wirtschaftsweisen
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Wirtschaftsweise Monika Schnitzer, Achim Truger, Volker Wieland und Veronika Grimm (von links): jede Menge Zündstoff.
© Quelle: dpa
Berlin. Dass der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung nicht nur ein wissenschaftliches, sondern auch ein hochpolitisches Gremium sein kann, ist spätestens im vergangenen Jahr durch das monatelange Tauziehen um die Besetzung offener Posten deutlich geworden. Verbissen hatten Union und SPD um die Nachfolge des als konservativ geltenden Freiburger Ökonomen Lars Feld gerungen, am Ende brauchte es einen Regierungswechsel, ehe die Wirtschaftsweisen wieder komplettiert werden konnten.
Im August zogen die in Berkley lehrende Professorin Ulrike Malmendier und Martin Werding, Professor an der Ruhr-Universität in Bochum, in das wichtigste wirtschaftspolitische Beratergremium der Bundesregierung ein und mussten sofort und unter Hochdruck das sogenannte Jahresgutachten erstellen, das an diesem Mittwoch offiziell vorgestellt wird.
Nach allem, was man weiß, birgt der mehr als 400 Seiten umfassende Schriftsatz eine Menge Zündstoff. Die „Süddeutsche Zeitung“ berichtete am Dienstag vorab, dass die Wirtschaftsweisen von der Bundesregierung die Einführung eines höheren Spitzensteuersatzes oder eines Energiesolis für Besserverdienende verlangen. Die Finanzierung der Gaspreis- und Strompreisbremse über einen Sonderetat kritisieren sie als wenig transparent. Kritik üben sie auch an den Steuerplänen von Finanzminister Christian Lindner zur Milderung der kalten Progression und plädieren für eine Verschiebung.
Kritik äußern die Wirtschaftsweisen auch an der befristeten Laufzeitverlängerung der verbliebenen drei deutschen Kernkraftwerke bis zum Frühjahr, die ihnen nicht weit genug geht. „Eine Laufzeitverlängerung über den 15. April 2023 hinaus würde zu einer Entspannung des Strommarkts beitragen“, heißt es in dem Gutachten. „Vor diesem Hintergrund sollte die Bundesregierung sorgfältig prüfen, ob eine Laufzeitverlängerung über den 15. April hinaus möglich ist.“
Bessere Aussichten für die Konjunktur
Eine gute Nachricht immerhin gibt es für die Ampel: Die konjunkturelle Lage schätzen die Sachverständigen etwas besser ein als die Regierung selbst. Demnach rechnet der Sachverständigenrat für dieses Jahr mit einem Wachstum von 1,7 Prozent. Im nächsten Jahr rutscht Deutschland in eine Rezession, die mit einem Minus von 0,2 Prozent aber milde ausfällt.
Die Bundesregierung hatte in ihrer Mitte Oktober vorgelegen Herbstprojektion damit gerechnet, dass die Wirtschaft 2023 um 0,4 Prozent schrumpft. Für das laufende Jahr erwartet die Bundesregierung ein Wachstum von 1,4 Prozent.
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Die Wirtschafsweisen sind sich in der Beurteilung der Lage übrigens einig. Zum ersten Mal seit Jahren gibt es kein Sondervotum. In der Ampelkoalition hingegen dürfte das Gutachten zu neuem Streit führen.
„Die Position der FDP ist klar: Wir werden keine Mehrbelastung vornehmen. So haben wir es auch im Koalitionsvertrag vereinbart“, sagte Parteivize Johannes Vogel dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND). Den Mittelstand in dieser Krise mehr zu belasten, wäre genau der falsche Weg, so Vogel weiter. „Wir müssen die Unternehmen jetzt entlasten.“
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Bei den Grünen hingegen treffen die steuerpolitischen Vorschläge der Weisen auf offene Ohren. „Die umfassenden Entlastungsmaßnahmen des Staates in dreistelliger Milliardenhöhe müssen finanziert werden und starke Schultern sollten offensichtlich daran mehr beteiligt werden, denn die Krise trifft Menschen mit unteren und mittleren Einkommen am härtesten“, sagte Katharina Beck, Finanzpolitische Sprecherin der Grünen-Bundestagsfraktion, dem RND.
„Wir werden die konkreten Empfehlungen des umfangreichen Berichts der Sachverständigen genau prüfen und dann dahingehend in der Koalition diskutieren, wie wir sie in unsere weitere Politikgestaltung mit einfließen lassen“, kündigte Beck an. Aus Grüner Sicht sei eine höhere Besteuerung der Topverdienenden sinnvoll, betonte die Abgeordnete. „Es ist allerdings kein Geheimnis, dass es bis zu diesem Bericht keine Mehrheit in der Koalition für eine Anhebung des Spitzensteuersatzes oder sonstiger neuer Steuern gegeben hat.“