Antarktis: Verkehr durch Forschung und Tourismus lässt Schnee schmelzen
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Menschen wandern auf der King George Island der Antarktis durch die Reste des Schnees.
© Quelle: AntarcticaCL
Santiago de Chile. Forschung und Tourismus hinterlassen auch in der Antarktis ihre Spuren: Der Verkehr und der Betrieb von Forschungs- und Versorgungseinrichtungen führen zur Bildung von Ruß, der sich auf dem Schnee ablagert und ihn abdunkelt. Dies bremse die Rückstrahlung des Sonnenlichts und lasse den Schnee schneller schmelzen, berichtet ein internationales Forscherteam im Fachmagazin „Nature Communications“. Ihren Berechnungen zufolge beschleunige ein Tourist über diese Prozesse das Abschmelzen von rund 83 Tonnen Schnee. In den betroffenen Regionen könne die Schneedecke im Sommer um bis zu 23 Millimeter schrumpfen.
Ruß erwärmt den Schnee
Ruß entsteht bei unvollständiger Verbrennung von Kohlenstoff, etwa in Dieselmotoren, Kohleöfen oder auch bei Waldbränden. Wenn sich der Ruß auf Schnee ablagert, wird einfallendes Sonnenlicht weniger stark zurückgeworfen – das Rückstrahlvermögen, die sogenannte Albedo, sinkt. Stattdessen wird das Sonnenlicht stärker absorbiert, die resultierende Wärme begünstigt das Schmelzen des Schnees.
Ruß kann über weite Entfernungen transportiert und fern seiner Entstehung abgelagert werden. In der Antarktis spiele das aber eine untergeordnete Rolle, schreiben die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler um Raul Cordero von der Universidad Santiago de Chile. Hauptsächlich seien lokale Emissionen für die Rußablagerungen verantwortlich, die etwa von Forschungs- und Touristenschiffen, Generatoren, Helikoptern oder Lastwagen stammten.
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Ein militärisches Transportflugzeug landet auf dem Union-Gletscher der Antarktis.
© Quelle: AntarcticaCL
Zahlreiche Schiffsverbindungen zur Antarktis
So entlegen und unberührt wie oft angenommen sind nämlich zumindest einige Regionen der Antarktis nicht. Erst kürzlich hatte eine Studie gezeigt, dass der Kontinent über den Schiffsverkehr mittlerweile mit vielen Regionen der Welt verbunden ist. Zwischen 2014 und 2018 gab es demnach von 58 Häfen weltweit Direktverbindungen an die Küsten der Antarktis, wie Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler im Fachmagazin „PNAS“ berichteten.
Derzeit seien allein 76 Forschungsstationen in Betrieb, die im Sommer etwa 5500 Menschen Platz böten, schreibt nun das Team um Cordero. Die meisten davon liegen in den Küstenregionen, etwa die Hälfte im nördlichen Teil der Antarktischen Halbinsel und den dazugehörigen Archipelen. Dort landeten auch die meisten Touristinnen und Touristen an: Allein in der Saison 2019/2020 seien 74.000 Touristinnen und Touristen in die Antarktis gekommen – ein Drittel mehr als noch im Jahr zuvor. Die meisten kommen per Schiff, manche auch mit dem Flugzeug.
Schneeproben der letzten Jahre verraten die Rußmenge
Um die Folgen der menschlichen Präsenz zu untersuchen, nahmen die Forschenden nun 155 Schneeproben in vier aufeinander folgenden antarktischen Sommern an insgesamt 28 Stellen. Diese lagen auf einem rund 2000 Kilometer langen Abschnitt von der King George Island nördlich der Antarktischen Halbinsel bis zu den südlich davon gelegenen Ellsworth Mountains. Die Forschenden filtrierten den geschmolzenen Schnee, um Ruß- und andere lichtabsorbierende Teilchen zu trennen, und bestimmten dann deren Menge.
Sie ermittelten eine durchschnittliche Rußmenge von zwei bis vier Nanogramm pro Gramm Schnee in der Umgebung von Forschungsstationen und touristischen Landeplätzen. Das sei weniger als in anderen entlegenen Regionen der Welt, etwa auf dem Tibetischen Plateau oder in den Anden, aber höher als in einsameren Regionen des antarktischen Kontinents, wo die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler eine Belastung von rund einem Nanogramm pro Gramm maßen.
Forschende: Tourismus begrenzen und Schiffsantriebe elektrifizieren
Im Zusammenhang mit der Forschung würden vor allem der Verkehr und die Nutzung von Dieselgeneratoren Ruß erzeugen. In den vergangenen Jahren habe es zahlreiche neue Infrastrukturprojekte in der Antarktis gegeben, durch die die Emissionen vermutlich gestiegen seien. Im Tourismus würde die Rußbelastung im Wesentlichen über die Emissionen der Schiffe erzeugt. Die International Association of Antarctica Tour Operators (IAATO), der Verband der Antarktis-Reiseveranstalter, umfasse mittlerweile mehr als 50 Anbieter, die eine Flotte von 54 Schiffen betrieben und etwa in der Saison 2019/2020 ganze 378 Fahrten unternommen hätten.
Mit dem Eintreten des Verbandes für ökologisch verantwortlichen Tourismus habe es einige positive Entwicklungen gegeben. Es müsse aber mehr getan werden, schreiben die Forscherinnen und Forscher. So sollte die Zahl der Touristinnen und Touristen in der Antarktis begrenzt und die Umstellung auf hybride oder elektrische Schiffsantriebe beschleunigt werden. Auch die Forschungsaktivitäten sollten mit Blick auf die Rußbelastung optimiert werden.
RND/dpa