Wie können wir unsere Wälder künftig besser vor Bränden schützen?
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Ein Wald brennt in Kalifornien: Auch in Europa könnten in den kommenden Jahren immer häufiger schwere Waldbrände auftreten.
© Quelle: Noah Berger/AP/dpa
Das Feuer ist aus. Die Arbeit der Feuerwehr ist getan. Rund eine Woche lang hatten Hunderte Einsatzkräfte versucht, den Großbrand am Brocken im Harz unter Kontrolle zu bringen. Keine leichte Aufgabe. Schließlich standen 160 Hektar Wald in Flammen – das entspricht einer Fläche von circa 224 Fußballfeldern. Das Brandgebiet war zum Teil schwer zugänglich, sieben Löschhubschrauber mussten aus der Luft bei den Löscharbeiten helfen, ebenso wie zwei Löschflugzeuge aus Italien. Der Katastrophenfall, den der Landkreis Harz ausgerufen hatte, ist mittlerweile beendet. Das Brockenplateau, das evakuiert werden musste, ist wieder freigegeben.
Übrig bleibt von dem Waldbrand vor allem eines: eine Schneise der Verwüstung. Bilder aus dem Brandgebiet zeigen unzählige Fichten, die auf dem aschebedeckten Waldboden liegen, ihre Stämme sind schwarz vom Kampf mit den Flammen. Sie sind nur noch Totholz. Die Baumreihen im Wald haben sich gelichtet. Kahle, braune Bäume stehen stellenweise wie Zahnstocher aneinandergereiht in der Landschaft. Nichts erinnert mehr an einen grünen, idyllischen Nationalpark.
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Der Wald im Harz ist nach dem Feuer verwüstet.
© Quelle: Matthias Bein/dpa
Extreme Brände nehmen zu
Noch nie haben Brände so viel Landschaft zerstört wie in diesem Jahr. Die Daten des Europäischen Waldbrand-Informationssystems (EFFIS) sind alarmierend: Mehr als 750.000 Hektar Land sind bis zum 10. September verbrannt – allein in Europa. Am schlimmsten betroffen sind Portugal und Spanien. „Dort sind die Waldbrände viel schlimmer ausgefallen als in extremen Jahren zuvor“, sagt Kirsten Thonicke, Waldbrandexpertin am Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung. Deutschland ist mit circa 4000 Hektar verbrannter Fläche eines der europäischen Länder, die vergleichsweise gut durch die bisherige Waldbrandsaison gekommen sind. Das könnte sich in Zukunft jedoch ändern.
Für die Feuerwehren in Deutschland könnten Waldbrände bald zu Routineeinsätzen werden. In einem Bericht von Ende Februar warnt das Umweltprogramm der Vereinten Nationen (UNEP): Waldbrände werden in Zukunft nicht nur häufiger auftreten, sie werden auch intensiver. So könnte die Zahl extremer Brände bis 2030 weltweit um bis zu 14 Prozent steigen. Bis zum Ende des Jahrhunderts könnte sie sich sogar verdoppeln. Selbst in Regionen wie der Arktis würde dann mehr Landschaft verbrennen.
Klimawandel und Waldbrände verschlimmern sich gegenseitig
„Die Brände, die wir jetzt erleben, sind deutliche Warnhinweise“, sagt Waldbrandexpertin Thonicke. Die Feuer hätten schon jetzt eine neue Qualität. Sie entwickeln schneller eine hohe Temperatur und beschäftigen Einsatzkräfte zum Teil über mehrere Tage beziehungsweise Wochen. „Der Klimawandel führt auch in Deutschland dazu, dass solche Extremereignisse stärker werden.“ Die globale Erwärmung steigt, weil immer mehr Treibhausgase zur Erwärmung der Atmosphäre beitragen. Dadurch kommt es auf der Erde zu Hitzewellen, Dürren; Böden, Flüsse, Bäche und Seen trocknen aus, Bäumen fehlt es an Wasser – all das beeinflusst direkt und indirekt das Waldbrandrisiko.
„Wenn sich dieser Trend fortsetzt, haben wir künftig schlimmstenfalls Sommer, in denen alle vier Wochen extreme Waldbrände auftreten“, warnt Thonicke. Das hätte gleich mehrere Folgen: Es entstünden hohe wirtschaftliche Kosten für Wiederaufbauarbeiten; Tierarten, die in den Wäldern leben, geraten in Gefahr, sterben vielleicht sogar aus. Und auch gesundheitliche Schäden, weil Menschen Rauch einatmen, der bei den Bränden entsteht, sind nicht ausgeschlossen. Gleichzeitig verschlimmern Waldbrände den Klimawandel, wenn kohlenstoffreiche und empfindliche Ökosysteme wie Torfmoore zerstört werden. Bis sich die Wälder von den Feuern erholen, kann es Jahre, sogar Jahrzehnte dauern.
Waldbrand in Kalifornien vernichtet mehr als 1700 Hektar Wald
Ein sich schnell ausbreitender Waldbrand hat in Kalifornien bisher mehr als 1700 Hektar Wald vernichtet. Das teilte die Forstbehörde des US-Bundesstaates mit.
© Quelle: Reuters
Dabei sind die deutschen Wälder schon jetzt in einem desolaten Zustand. Am meisten setzen ihnen zunehmende Dürren zu. Zwischen 2018 und 2020 sind rund 400.000 Hektar Wald durch Trockenheit verloren gegangen, schreibt das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft in seiner Waldzustandserhebung aus dem vergangenen Jahr. Das sind etwa 3 Prozent der gesamten Waldfläche in Deutschland. Mit 25 Prozent am meisten verbreitet ist die Fichte, die jedoch natürlich in kälteren Regionen wie Skandinavien vorkommt und deshalb nicht gut an Dürren angepasst ist. Vielerorts wurden die Nadelbäume großflächig in Monokulturen angepflanzt, wie zum Beispiel im Harz. Sind sie wegen Trockenheit geschwächt, hat der Borkenkäfer leichtes Spiel. Er schädigt die Bäume zusätzlich, sie sterben ab und sind damit ideales Brennmaterial.
So entsteht ein Waldbrand
Brennmaterial ist nur eine Komponente, die es für einen Waldbrand braucht. Die anderen beiden sind das passende Wetter – trocken und heiß – und eine Zündquelle. Letzteres kann schon eine Zigarette sein, die achtlos aus dem offenen Autofenster geworfen wird. In den meisten Fällen lässt sich die Ursache eines Waldbrandes später jedoch nicht mehr nachvollziehen. Das geht aus der Waldbrandstatistik 2021 der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung hervor. Nur selten haben Waldbrände eine natürliche Ursache, zum Beispiel weil ein Blitz eingeschlagen ist. Vielmehr ist der Mensch ursächlich für die Feuer, auch weil er oftmals fahrlässig handelt und das Waldbrandrisiko unterschätzt.
Um beim Beispiel der weggeworfenen Zigarette zu bleiben – was dabei passiert, ist Folgendes: Zunächst entsteht im Wald ein Bodenfeuer, das durch Gras- und Krautschichten, Nadel- und Blattstreu sowie feines Zweigmaterial angefacht wird. Das Bodenfeuer setzt stärkeres, ausgetrocknetes Totholz in Brand, das auf dem Waldboden liegt. Diese Totholzfeuer sorgen für hohe Temperaturen im Boden und an den Stammfüßen des Baumbestandes. „Dadurch wird das Eindringen des Feuers in die Stammfüße und in den Wurzelraum begünstigt“, erklärt Johann Goldammer, Leiter des Global Fire Monitoring Centres (GFCM).
Vom Boden in die Kronen gelangen die Flammen über sogenannte „Feuerbrücken“ oder „Feuerleitern“. Es handelt sich dabei um herunterhängende abgestorbene Äste, Zweige oder abgebrochene Baumstämme. Mit ihrer Hilfe kann sich das Feuer schneller ausbreiten und an Intensität gewinnen. „Die Intensität oder ‚Schwere‘ eines Vollfeuers und dessen Auswirkungen auf Einzelbäume und den Bestand werden daher durch die Menge und Anordnung des Brennmaterials zwischen Boden und Kronenraum bestimmt“, sagt Goldammer.
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Feuerökologe: „Wir müssen lernen, mit den Feuern zu leben“
Um die Brände zu entschärfen, wird schon seit Längerem darüber diskutiert, unnötiges Brennmaterial wie Totholz zu entfernen. Auch nach dem Großbrand im Harz ist in der Landespolitik erneut eine solche Diskussion entbrannt. Umweltverbände üben scharfe Kritik an diesem Vorgehen: Sie argumentieren, Totholz nütze dem Wald mehr, als dass es ihm schade. Denn wie ein Schwamm nimmt es bei Regen Feuchtigkeit auf und gibt es bei Trockenheit nach und nach wieder ab.
Für Alexander Held ist das nur Schwarz-Weiß-Denken. Totholz entfernen allein wird die Wälder zukünftig nicht besser vor Bränden schützen. Der Feuerökologe vom European Forest Institute (EFI) ist überzeugt: „Wir müssen lernen, mit den Feuern zu leben.“ Doch wie könnte das aussehen?
Wie Wald- und Feuermanagement in Zeiten des Klimawandels funktionieren kann, präsentiert Held bei seinem Projekt „Waldbrand – Klima – Resilienz“. Dabei klären er und sein Team Waldbesitzende, Försterinnen und Förster sowie Feuerwehrkräfte über den richtigen Umgang mit Waldbränden auf, trainieren mit ihnen auf Demonstrationsflächen, bieten ihnen Studienreisen, Expertenaustausche und internationale Workshops in anderen Ländern an. „Wir müssen dazu übergehen, dass wir unsere Landschaft so vorbereiten, dass, wenn es brennt, sich der Brand managen lässt und nicht der Katastrophenfall eintritt“, sagt der Feuerökologe.
Dafür braucht es ein räumliches Konzept in den Wäldern: Wege, die für die Feuerwehr freigeräumt werden, müssen an den Seiten Schutzzonen aufweisen. „Dort müssen wir aktiv eingreifen, Biomasse entfernen, mähen, mulchen, ein kontrolliertes Brennen durchführen“, erläutert Held. „So entsteht eine Landschaft, in der Feuer zwar brennen kann, aber nicht an Intensität gewinnt.“ Solche Schutzzonen sind auch entlang von Bahnlinien, wo es zu Funkenflug kommen kann, sinnvoll. Sich bei Waldbränden in Zukunft allein auf die Feuerwehreinsatzkräfte zu verlassen, sei naiv. Zumal vielen von ihnen die notwendige Erfahrung und Ausbildung fehlt. „Die Bekämpfungsstrategie allein löst das Problem nicht.“
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Resilienter Waldumbau ist langwierig und kostenintensiv
Komplett feuerfest werden die Wälder nie werden. Wenn sie aber wieder naturnäher, kühler und luftfeuchter werden, mehr Wasser speichern können, macht sie das resilienter gegenüber Bränden. Und sie können sich besser regenerieren. Den Wald derart umzubauen ist allerdings nicht leicht. Es ist ein Unterfangen, das mit hohen Kosten verbunden ist und wohl Jahrzehnte dauern wird. Ein paar Jungbäume einzupflanzen wird nicht ausreichen.
Waldbrandexpertin Thonicke ist zudem überzeugt: „Der Klimawandel wird uns – je nachdem, wie stark er ausfällt – Grenzen beim Schutz vor Waldbränden setzen.“ Zusammen mit Forschenden von 38 Partnerinstitutionen aus 19 Ländern entwickelt sie eine Strategie, wie große Waldbrände in Europa zukünftig besser überwacht und gemanagt werden können. „FirEUrisk“ heißt das Projekt, das ebenfalls auf einen Erfahrungsaustausch mit anderen Ländern setzt.
„Was wir brauchen, ist ein größeres Bewusstsein in der Bevölkerung dafür, dass Waldbrände hier in Deutschland ein neues Risiko darstellen“, sagt Thonicke. „Wir müssen anfangen, uns besser auf die Walbrandsaison vorzubereiten.“ Das bedeutet zum Beispiel, achtsamer zu sein, wenn man in einem trockenen Sommer im Wald spazieren geht, oder die Zigarette eben nicht achtlos aus dem Autofenster zu werfen. „Wir müssen begreifen, dass wir am Ende nur Gast in der Natur sind.“