Oktopoden werfen mit Muscheln, Schlamm und Algen um sich
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Die Oktopoden wurden von einer Kamera beim Werfen von Gegenständen gefilmt.
© Quelle: Peter Godfrey-Smith et al
Jervis Bay, eine Region drei Autostunden südlich von Sydney, ist ein paradiesisches Fleckchen in Australien. In der geschützten Bucht tummeln sich Delfine, Robben und zu bestimmten Jahreszeiten auch Wale. Auch Tintenfische finden hier ideale Bedingungen vor. In einem Gebiet gibt es so viele Oktopden, dass es von Forschenden bereits „Oktopolis“ genannt wird. In dieser „Oktopolis“ hatten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der University of Sydney Kameras aufgestellt. Bei der Auswertung der Aufnahmen entdeckten die Forscherinnen und Forscher ein erstaunliches Verhalten der Kopffüßer.
Die Oktopoden schleuderten unter Wasser Schlamm, Muscheln und Algen umher – und ab und zu trafen sie dabei auch andere Artgenossen. In einem Fall beobachteten die Forscherinnen und Forscher, die die Ergebnisse ihrer Studie in der Fachzeitschrift „Plos One“ veröffentlichten, wie ein Weibchen wiederholt Schlick auf einen männlichen Oktopus warf, der versucht hatte, sich mit ihr zu paaren. Dabei duckte sich das Männchen immer wieder, um den Geschossen auszuweichen. Manchmal habe der Oktopus – kurz bevor er beworfen wurde – auch einen Arm gehoben, ein wenig, als würde er ahnen, was kommt, sagte Peter Godfrey-Smith von der University of Sydney, der an der Studie beteiligt war. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler stellten bei ihren Beobachtungen fest, dass die weiblichen Tiere insgesamt häufiger mit Objekten um sich warfen als die Männchen.
Aggression oder Putzfimmel?
Die Gründe, warum die Tiere Objekte schleudern, scheinen dabei unterschiedlicher Art zu sein. Es ging dabei bei Weitem nicht immer darum, Fressfeinde oder aufdringliche Artgenossen abzuwehren. Beispielsweise beobachteten die Forschenden auch, wie die Tintenfische Überreste ihrer Mahlzeiten und Materialien aus ihren Höhlen warfen – anscheinend, um sie zu reinigen. In einem Fall schmissen sie aber auch Schlamm in Richtung einer der Kameras, die das Team aufgebaut hatte. Zweimal trafen sie Fische.
Laut Godfrey-Smith werfen Oktopoden aber nicht im menschlichen Sinne. Vielmehr sammeln sie dabei Material in ihren Armen, halten es quasi in ihrem „Netz aus Tentakeln“ und treiben es mit ihrem Siphon – einem Trichter neben ihrem Kopf – teils über mehrere Körperlängen an. Interessant ist, dass die Forscherinnen und Forscher bisher keinen Oktopus gesehen haben, der – wenn er von einem Objekt getroffen wurde – dieses oder etwas anderes zurückwarf.
Die meisten Würfe würden zudem nicht anderen Oktopoden gelten, meinte Godfrey-Smith. „Nur in einigen wenigen Fällen scheint gezielt angegriffen zu werden.“ Der Forscher spekuliert, dass viele der gezielten Würfe eher ein Versuch sind, einen „persönlichen Raum“ zu schaffen. Allerdings konnte das Team die Tendenz feststellen, dass Tintenfische mit einer einheitlich dunklen oder dunkleren Farbe häufiger mit hoher Kraft Dinge von sich schleuderten, während hellere, gemusterte Exemplare mit geringerer Kraft warfen.
Oktopoden sind schlauer als andere wirbellose Tiere
Das beobachtete Verhalten ist insofern interessant, da die meisten anderen Tiere nur Gegenstände auf Angreifer werfen. Nur wenige Tiere, wie Schimpansen beispielsweise, schleudern auch mal Dinge auf die eigenen Artgenossen. Das Verhalten der Oktopoden passt zu anderen Beobachtungen, die zeigen, dass Oktopoden eine ungewöhnliche Intelligenz aufweisen. So haben die Weichtiere 500 Millionen Neuronen und damit eine so große Zahl von Nervenzellen wie kein anderes wirbelloses Tier. Damit können die Oktopoden nicht nur ihre mehr als 1500 Saugnäpfe an ihren acht Armen kontrollieren, sondern auch ihre Hautfarbe und ihre Musterung verändern. Letzteres macht sie im Tierreich beispielsweise zu exzellenten Jägern.
Forscherinnen und Forscher haben die Weichtiere auch schon bei eher menschlichen Aktivitäten beobachtet, wie etwa beim Aufschrauben eines Behälters. In Indonesien wurden Oktopoden dokumentiert, die Kokosnussschalen transportierten, um sich bei Gefahr verstecken zu können. Und in Neuseeland brach ein Oktopus aus einem Aquarium aus und flüchtete über eine Abwasserröhre ins Meer.
Gewinner des Klimawandels
2016 analysierten Forschende der Universität in Adelaide globale Daten der vergangenen 60 Jahre und stellten fest, dass die Zahl der Cephalopoden, also der Kopffüßer, zu denen die Oktopoden gehören, in dieser Zeit kontinuierlich angestiegen ist. Allem Anschein nach profitieren die Tiere – anders als die meisten Fischspezies – vom Klimawandel.
Anlass für die Studie, die im Fachmagazin „Current Biology“ veröffentlicht wurde, war eigentlich die Sorge um die Riesensepia, deren Zahlen im südaustralischen Spencer Gulf zurückgegangen waren. Die Ergebnisse zu der gesamten etwa 700 Arten umfassenden Kopffüßerpopulation überraschten die Forschenden dann jedoch. „Kopffüßer werden oft auch das ‚Unkraut des Meeres‘ genannt, da sie einige einzigartige biologische Eigenschaften haben wie enormes Wachstum, eine kurze Lebensdauer und eine flexible Entwicklung“, sagte Zoë Doubleday, die die Studie an der südaustralischen Universität damals leitete. „Dies erlaubt ihnen, sich schneller als andere Meerestiere wechselnden Umweltbedingungen wie der Temperatur anzupassen.“