Forscher: Wale läuten Wanderungen mit Gesängen ein
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Der Gesang von Blauwalen enthält auch Informationen darüber, wann die Futtersaison endet und die Wanderung in die Winterquartiere beginnt.
© Quelle: Elliott Hazen/NOAA/dpa
Monterey. Tagsüber fressen, nachts singen: Der Gesang von Blauwalen dient nicht nur der Partnerwerbung. Offenbar enthält er auch Informationen dazu, wann die Futtersaison endet und die Wanderung in die Winterquartiere beginnt. Das berichten US-Forscher im Fachblatt “Current Biology” nach der fünfjährigen Untersuchung einer Blauwalpopulation im Nordostpazifik. Demnach fraßen die Tiere im Sommer und frühen Herbst tagsüber und sangen bevorzugt nachts. Verlagerten sich die Gesänge aber auf die Tagesstunden, stand die Wanderung in die südlich gelegenen Winterquartiere bevor.
Gesang geht über Brautwerbung hinaus
Mit einer Länge bis 33 Metern und einem Gewicht bis 200 Tonnen sind Blauwale (Balaenoptera musculus) die größten Tiere, die je auf der Erde gelebt haben. Bisher gingen Forscher davon aus, dass die Gesänge der männlichen Tiere, die über Hunderte Kilometer unter Wasser erschallen, nur der Brautwerbung dienen. Doch offenbar haben sie auch eine jahreszeitliche Komponente, wie das Team um William Oestreich von der kalifornischen Stanford University berichtet.
Bei Wanderungen wird tagsüber gesungen
Die Wissenschaftler hatten Tonaufnahmen einer Blauwalpopulation vor der kalifornischen Küste seit 2015 ausgewertet und 15 Tiere mit Sendern ausgestattet. Dabei bemerkten sie deutliche Unterschiede zwischen der Futtersaison im Sommer und Frühherbst und dem Beginn der Wanderungen in die winterlichen Reviere vor die Küste Mittelamerikas, wo die Tiere gewöhnlich bis ins späte Frühjahr bleiben.
“Während der Futtersaison neigten die Wale dazu, tagsüber zu fressen und nachts zu singen”, wird Oestreich in einer Mitteilung des Verlags zitiert. “Aber nachdem sie beschlossen hatten, ihre Wanderung zu beginnen, kehrten sie dieses Muster um und begannen, ihre Gesänge hauptsächlich tagsüber zu produzieren.”
Kollektive Entscheidungen über riesige Entfernungen möglich
So ließ etwa ein Individuum während der Futtersaison durchschnittlich nachts 13 und tagsüber drei Gesangsrufe pro Stunde ertönen. Dieses Muster kehrte sich im Spätherbst um, auf nachts fünf und tagsüber zehn Rufe. Die Forscher deuten dies als akustische Botschaften, die den Beginn der Wanderungen signalisieren. Dies ermögliche kollektive Entscheidungen über riesige Entfernungen und stärke so die gesamte Population, vermuten sie.
Während der Futtersaison fressen Blauwale täglich bis zu sechs Tonnen Krill und setzen so ordentliche Fettreserven an. Dies ermöglicht ihnen, Tausende Kilometer nach Süden in die Fortpflanzungsgewässer zu ziehen. “Bisher dachte man, dass Walgesänge typischerweise der Paarung und Vermehrung dienten”, sagt Oestreich. “Das bestreiten wir nicht, aber es gibt diesen Sekundärnutzen der Gesänge hinsichtlich Fressen oder Wanderung – je nachdem, zu welcher Zeit sie produziert werden.”
Künftig könnte die Auswertung solcher Aufnahmen Hinweise zum Verhalten geben und so zum Schutz der Tiere beitragen, die die Weltnaturschutzunion (IUCN) als “stark gefährdet” einstuft. So könnte man in manchen Gegenden etwa den Schiffsverkehr anpassen, um Kollisionen mit vorbeiziehenden Walen zu vermeiden.
RND/dpa