Great Barrier Reef: Schnorchler entdecken riesige, 400 Jahre alte Koralle
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Ein Taucher untersucht die Riesenkoralle im Great Barrier Reef.
© Quelle: Richard Woodgett, Grumpy Turtle
Australien. Über zehn Meter breit und über fünf Meter hoch – am Great Barrier Reef in Australien haben Schnorchler eine außergewöhnlich große Koralle entdeckt. Forschende stellten nun fest: Das Nesseltier, das einen Doppeldeckerbus in den Schatten stellt, ist 400 Jahre alt und fast zweieinhalb Meter größer als sein nächster Cousin am Great Barrier Reef. Damit hat die Koralle bereits lang vor der Ankunft von James Cook und damit dem Beginn der Kolonisierung Australiens gelebt.
Die braune bis cremefarbene Struktur wurde vor der Küste von Orpheus Island entdeckt, einem Teil der Palm Island Group in Queensland im Nordosten Australiens. Die indigenen Bewohner der Region haben dem „Ungetüm“ den Namen Muga dhambi gegeben, was so viel bedeutet wie „große Koralle“.
Koralle „wie ein Wohnblock“
Laut dem Forscherteam der James-Cook-Universität in Townsville ist die halbkugelförmige Struktur, die aus kleinen, steinigen Polypen besteht, die breiteste und eine der ältesten Korallen des Great Barrier Reef. Sie sei „ein großartiges Beispiel für eine schöne, widerstandsfähige Koralle, die über vier Jahrhunderte überlebt hat“, schrieb der Korallenexperte Adam Smith, der die Untersuchung leitete, die im Fachmagazin „Scientific Reports“ veröffentlicht wurde, in einer E-Mail.
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Ein Taucher vermisst die Riesenkoralle im Great Barrier Reef mit einem Messband.
© Quelle: Richard Woodgett, Grumpy Turtle
Momentan sei die Koralle bei „relativ guter Gesundheit“, wie die Forschenden in einem Artikel im akademischen Magazin „The Conversation“ schrieben. „Aber der Klimawandel, die sinkende Wasserqualität und andere Bedrohungen belasten das Great Barrier Reef“, heißt es dort. Muga dhambi ist zwar wohl nicht die größte Koralle der Welt – auch vor Amerikanisch-Samoa, Taiwan und Japan gibt es ausgesprochen große Exemplare. Adam Smith sagte, ihre Entdeckung sei aber trotzdem von großer Bedeutung: „Sie ist wie ein Wohnblock“, erklärte der Forscher im Interview mit dem „Guardian“. „Sie zieht andere Arten an: Andere Korallen, Fische und Tiere, die sie als Unterschlupf oder bei der Futtersuche nutzen.“
„Es ist ein bisschen so, als würde man einen riesigen Mammutbaum mitten in einem botanischen Garten finden.“
Adam Smith ist Korallenexperte und leitete die Untersuchung
Bedeutung bisher nicht erkannt
Die Schnorchler stießen während eines Kurses für Bürgerwissenschaftler auf die enorme Koralle, die lokale Fischer wohl bereits kannten und auch der eine oder andere Forscher eigentlich schon gesehen hatte. „Es ist ein bisschen so, als würde man einen riesigen Mammutbaum mitten in einem botanischen Garten finden“, sagte Smith. „Denn die James-Cook-Universität hat eine Forschungsstation auf Orpheus Island und es wurden bereits 600 wissenschaftliche Arbeiten über Korallen, Fische und Algen in der Region geschrieben“, so Smith. Trotzdem habe niemand in den vergangenen Jahrzehnten erkannt, wie wichtig und bemerkenswert diese Koralle sei. Unter den Co-Autoren der Studie ist ein 17-Jähriger, der half, die Koralle zu vermessen, wie auch der 76-jährige Charlie Veron, der als einer der führenden Korallenforscher der Welt gilt. Er half bei der Identifikation der Koralle, die zur Gattung Porites gehört.
Ungefähr 70 Prozent der Muga dhambi sind dabei am Leben, die restlichen 30 Prozent sind aber abgestorben. Dieser Abschnitt an der Spitze der Struktur ist mit grünem Bohrschwamm und verschiedenen Algen bedeckt. „Korallengewebe kann durch Sonneneinstrahlung bei Ebbe oder warmem Wasser absterben“, schrieben die Forscher in ihrem Artikel in „The Conversation“. „Tote Korallen können schnell von opportunistischen, schnell wachsenden Organismen besiedelt werden, wie es bei Muga dhambi der Fall ist“, so die Wissenschaftler.
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Das Forscherteam taucht über der fünf Meter hohen und zehn Meter breiten Koralle.
© Quelle: Richard Woodgett, Grumpy Turtle
Riff ist vielen Gefahren ausgesetzt
Die Forschenden wollen künftig ein Auge auf Muga dhambi halten, die laut Smith „technisch“ tausend Jahre alt werden könnte, wobei schon heute bekannt ist, dass viele Exemplare ihrer Art in der Region nach 450 bis 460 Jahren absterben. Denn das gesamte Great Barrier Reef ist inzwischen gefährdet, obwohl es Ende Juli erneut knapp an der Roten Liste der gefährdeten Welterben vorbeigeschrammt ist.
Das Riff ist seit 1981 Weltnaturerbe – es ist das größte Korallenriffsystem und die größte lebende Struktur der Welt und erstreckt sich über atemberaubende 344.400 Quadratkilometer – eine Fläche, die so groß ist, dass sie aus dem Weltraum sichtbar ist. Doch große Teile des Great Barrier Reef kränkeln seit Jahren. Vor rund zehn Jahren hat das Welterbekomitee der Unesco zum ersten Mal „extreme Besorgnis“ über die Gesundheit der Korallen geäußert. Im Oktober kam eine Studie zu dem Schluss, dass in den vergangenen 20 Jahren etwa die Hälfte der Korallen abgestorben ist. Auch der Bericht der Weltnaturschutzunion (IUCN) im Dezember machte deutlich, wie ernst die Lage ist. Die Aussichten des Riffs wurden damals erstmals auf „kritisch“ herabgestuft. Neben dem Klimawandel machen Kohlehäfen, Abwässer aus der Landwirtschaft, Stürme und der gefräßige Dornenkronenseestern den Korallen zu schaffen.