Hamburger Physik-Nobelpreisträger: „In letzter Zeit war ich ein bisschen faul“
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Der Generalsekretär der Königlich Schwedischen Akademie der Wissenschaften, Goran Hansson (M.), flankiert von Thors Hans Hansson (l.), Mitglied des Nobelkomitees für Physik, und John Wettlaufer (r.), Mitglied des Nobelkomitees für Physik, gibt in der Königlich Schwedischen Akademie der Wissenschaften die Gewinner des Nobelpreises für Physik 2021 bekannt.
© Quelle: Pontus Lundahl/TT NEWS AGENCY/AP
Der Preis geht zur Hälfte an Hasselmann und den Meteorologen und Klimatologen Manabe, die mit ihrer Forschung die Grundlage für das Wissen über das Erdklima und den Einfluss des Menschen gelegt hätten. Der italienische Physiker Parisi werde für seine revolutionären Beiträge zur Theorie ungeordneter Stoffe und zufälliger Prozesse geehrt, teilte die Schwedische Akademie der Wissenschaften am Dienstag in Stockholm mit.
Hasselmann konnte sein Glück zunächst gar nicht fassen. „Ich bin noch ganz überrascht. Ich will gar nicht aufwachen, für mich ist das ein schöner Traum“, sagte der 89-Jährige der Nachrichtenagentur Reuters. „Ich bin ja jetzt pensioniert und in letzter Zeit war ich ein bisschen faul. Ich freu mich über die Ehre. Die Forschung geht weiter.“ Wie er den Nobelpreis feiern werde, wisse er noch nicht richtig, sagte er der schwedischen Nachrichtenagentur TT. „Zuerst muss ich Luft holen und sehen, was passiert.“
„Es gibt viele Dinge, die wir tun können“
Es seien dringend Maßnahmen gegen den Klimawandel erforderlich, machte Hasselmann nur wenige Minuten, nachdem er vom Preis erfahren hatte, im Gespräch mit einem Vertreter des Nobelpreis-Komitees deutlich. „Ich meine, es gibt viele Dinge, die wir tun können, um den Klimawandel zu verhindern.“
„Es ist die Frage, ob die Leute erkennen, dass etwas, das in 20 oder 30 Jahren passieren wird, etwas ist, auf das man jetzt reagieren muss“, betonte der Wissenschaftler. Das sei das Hauptproblem, weil man seit etwa 50 Jahren vor dem Klimawandel warne, aber die Menschen nicht bereit sind, schon vorab zu reagieren.
Der Wissenschaftler war von 1975 bis 1999 Direktor am Max-Planck-Institut (MPI) für Meteorologie in Hamburg. Dort knallten die Sektkorken. Die Max-Planck-Gesellschaft reagierte mit einem Smiley-Sturm auf die Bekanntgabe „seines“ Preisträgers. „We are speechless“ – „wir sind sprachlos“, twitterte das Institut kurz nach der Bekanntgabe.
Applaus und Blumen für Nobelpreisträger
Bei einer Pressekonferenz im Hamburger Max-Planck-Institut für Meteorologie wurde der frisch gekürte Nobelpreisträger am Dienstagabend schließlich gefeiert. Dutzende meist junge Wissenschaftler begrüßten den 89-jährigen Gründungsdirektor des Instituts mit langem Jubel, Applaus und Blumen. Zwei Mitarbeiter überreichten dem Geehrten und seiner Frau Rosensträuße. Dann stießen sie mit Sekt an. „Ich hab‘s nicht verdient, aber ich hab‘s mir genommen“, sagte Hasselmann beim Anstoßen verschmitzt.
Der heutige Direktor des Max-Planck-Instituts für Meteorologie, Jochem Marotzke, betonte, Hasselmann habe den Nobelpreis mehr als verdient. „Durch seine Arbeit ist es erst möglich geworden, dass wir heute sagen können, der beobachtete Klimawandel wurde vom Menschen verursacht.“ Die grundlegenden Verfahren habe Hasselmann bereits 1979 beschrieben. „Ohne Herrn Hasselmanns Arbeit hätte es das Pariser Klimaabkommen nie geben können“, sagte Marotzke.
Der Co-Direktor des Instituts, Björn Stevens, erklärte zur Entscheidung der Nobeljury: „Für uns ist das keine Überraschung, aber trotzdem ist das ein großer Moment.“ Der Preis zeige unter anderem die Bedeutung der Wissenschaft für die Gesellschaft. „Die Forschung von Klaus Hasselmann war ein Leuchtturm über so viele Jahrzehnte“, sagte Stevens.
„Erstaunen tut es nicht, dass Klaus Hasselmann diese Ehre zuteil wird, denn er ist persönlich einer der wenigen Väter der globalen modernen Klimaforschung, in Deutschland gar der Vater dieser Wissenschaft“, sagte auch Hans von Storch, ein Kollege aus der Klimaforschung, dem RND. Er hat in den 90ern mit Hasselmann zusammen am MPI gearbeitet und ist heutzutage Leiter des Instituts für Küstenforschung am Helmholtz-Zentrum.
Hasselmanns Leistungen betreffen von Storch zufolge nicht nur Klimadynamik und -modellierung. Zu erwähnen sei unter anderem die Dynamik von Seegang und dessen Vorhersage unter Nutzung von Satellitendaten, die Interaktion von Klima und Gesellschaft - und der Aufbau einer Infrastruktur der Klimaforschung in Deutschland. Hasselmanns Lieblingsthema? Sei eigentlich die Teilchentheorie mit seinen „Metronen“. Der widme sich Hasselmann seit seinem Ausscheiden als Direktor des Max-Planck Instituts für Meteorologie.
Dank vom Merkel-Sprecher
Die Bundesregierung würdigte Hasselmanns Leistungen als herausragend. Regierungssprecher Steffen Seibert twitterte: „Dank für alles, was Sie zu unserem Verständnis des Klimas der Erde und des menschlichen Einflusses darauf beigetragen haben.“
Die Forschenden am Deutschen Klimarechenzentrum (DKRZ) freuen sich für den Gründungsdirektor: „Er hat das 1987 gegründete Zentrum bis zu seiner Emeritierung 1999 geleitet und mit dem DKRZ zusätzlich zu seinen eigenen Forschungen eine nationale Forschungsinfrastruktur aufgebaut, von der die deutsche Klimaforschung bis heute profitiert“, sagte Geschäftsführer Thomas Ludwig dem RND.
„Die von Hasselmann vorangetriebene Entwicklung gekoppelter Klimamodelle in Kombination mit einem leistungsfähigen, auf Klimamodellierung zugeschnittenen Supercomputer bildeten die Grundlage für zahlreiche internationale wissenschaftliche Erfolge und den guten Ruf der Hamburger Klimaforschung“, so Ludwig.
Auch die Helmholtz-Klima-Initiative gratulierte Hasselmann:
Auch die Umweltschutzorganisation WWF zeigte sich froh über die Preisträger. „Die 3 Wissenschaftler trugen u.a. mit bahnbrechenden Beiträgen zu unserem Verständnis komplexer physikalischer Systeme des Erdklimas bei.“
Der Chef der UN-Wetterorganisation (WMO), Petteri Taalas, sieht den diesjährigen Physik-Nobelpreis für Klimamodellierer nicht nur als Anerkennung für Forscher, sondern auch als Auftrag für Politiker. „Das ist ein neuerlicher Beweis, dass Klimawissenschaft hoch angesehen ist und hoch angesehen werden sollte“, sagte er am Dienstag in Genf.
Obwohl fast alle Staatschefs den Klimawandel inzwischen als massives Risiko betrachteten, mangele es an konkreten Gegenmaßnahmen. „Es ist klar, dass die Ziele höher gesteckt werden müssen“, sagte Taalas. „Wir können nicht weitere Jahrzehnte warten.“
Lob von Fridays for Future
Die deutsche Klimaaktivistin Luise Neubeauer von Fridays for Future (FFF) würdigt Klaus Hasselmann per Twitter: „Vor unfassbaren 42 Jahren hat Klaus Hasselmann entscheidende Zusammenhänge der Klimakrise veröffentlicht. Es ist so großartig, dass er & andere nun mit dem #Nobelpreis geehrt werden. Und so dramatisch, wie gnadenlos all das Wissen über die Krise seit 40+ Jahren ignoriert wird.“
Physik-Nobelpreisträger Giorgio Parisi hält den Kampf gegen die Klimakrise wenige Wochen vor der Weltklimakonferenz COP26 für äußerst dringend.
„Es ist klar, dass wir für künftige Generationen jetzt sehr schnell handeln müssen“, sagte der Italiener am Dienstag, als er während der Bekanntgabe der diesjährigen Preisträger in der Kategorie Physik in der Königlich-Schwedischen Akademie der Wissenschaften telefonisch mit Reportern sprach. Es sei sehr dringend, dass klare und sehr kraftvolle Entscheidungen getroffen würden.
mit dpa/reuters