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„Hello in the round!“: Was alles schieflaufen kann beim Denglisch

„Englisch ist längst keine Fremdsprache mehr – es ist eine Art zweite Muttersprache, in den meisten Fällen allerdings ohne Mutter. Oder Vater“: Der Journalist und Autor Peter Littger.

„Englisch ist längst keine Fremdsprache mehr – es ist eine Art zweite Muttersprache, in den meisten Fällen allerdings ohne Mutter. Oder Vater“: Der Journalist und Autor Peter Littger.

„Englisch“, so Peter Littger, „ist längst keine Fremdsprache mehr – es ist eine Art zweite Muttersprache, in den meisten Fällen allerdings ohne Mutter. Oder Vater.“ Der Satz sitzt. Und beschreibt präzise, was dann eben doch nicht so einfach zu erklären ist: Deutsche haben ein ganz spezielles Verhältnis zum Englischen oder was sie dafür halten. Drang und Zwang, das Englische in unseren Alltag zu integrieren, haben uns nach Peter Littgers Ansicht zu einer Art Sprachwaisen gemacht.

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Mit deutscher Semantik und Semiotik biegen wir englische Begrifflichkeiten so zurecht, dass sie für uns englisch klingen und es doch nicht sind. So entsteht aus Deutsch und Englisch die Hybridsprache Denglisch. Darüber und über andere deutsch-englische Sprachabsurditäten sprach Littger mit dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND).

34,99 Millionen Deutsche halten ihr Englisch für ziemlich bis sehr gut

Nach einer aktuellen Allensbach-Studie, die Peter Littger (48) in seinem neuen Buch „Hello in the Round!“ zitiert, halten 34,99 Millionen Deutsche ihr Englisch für ziemlich gut (23,91) oder sogar sehr gut (11,08). 35,56 Millionen sagen, sie hätten keine oder nur geringe Kenntnisse. Die Summe derer, die sich selbst Englisch-Kompetenz zu- respektive absprechen, ist also nahezu identisch.

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Es bleibt also einiges zu tun im Magnetfeld der deutsch-englischen Sprachbeziehungen. Peter Littger ist dort seit Jahren als Kolumnist („Der Denglische Patient“) und Autor zugange. Obwohl das meiste, was es an deutsch-englischen Verwirrungen gibt, sprachlich eher zum Heulen ist, schreibt Littger, der auf einem englischen Internat war, die tristen Realitäten hinreißend komisch auf. Dabei belehrt er nicht, sondern erläutert – stets übrigens als Betroffener, denn in die geschickt getarnten Fallen britischer und amerikanischer Sprach­eigenarten tappt man auch als Mutter­sprachlerin oder als ausgewiesener Kenner der Materie.

Peter Littger: „Hello in the round! – Der Trouble mit unserem Englisch und wie man ihn shootet“, C·H·Beck, 256 Seiten, ISBN: 3406777643, 12 Euro.

Peter Littger: „Hello in the round! – Der Trouble mit unserem Englisch und wie man ihn shootet“, C·H·Beck, 256 Seiten, ISBN: 3406777643, 12 Euro.

Littger ist also einer von uns, wenn er aufspießt, was so alles schiefgeht im deutsch-englischen Sprach­leben. Er weiß um die Mühen der Ebene, wenn es etwa um korrekte idiomatische Begriffe geht – neben den „falschen Freunden“, also Begriffen, die gleich lauten, aber andere Bedeutungen haben (sensibel – sensible, vernünftig), die gemeinsten Fallen.

Diesen deutschen Wort­schöpfungen, die Englisch sein sollen, ist sein neues Buch gewidmet – „Hello in the Round!“. Hier geht es um den „Trouble mit unserem Englisch und wie man ihn shootet“, wobei der Untertitel schon ein schöner Beweis für das ist, was Littger im Gespräch mit dem RND als Hybridsprache bezeichnet. Ganz besonders taucht die, siehe den Titel des Buches, im beruflichen Kontext auf.

„Ich bin davon überzeugt, dass sich sozusagen schon rasant und gleichzeitig schleichend eine hybride Sprache entwickelt, aus Deutsch und Englisch, die einen gern mal in dem Irrglauben lässt, deswegen auch gleich Englisch zu können.“ Das beginne meist damit, so Littger, eine englische Redewendung zu übernehmen, die auf Deutsch keinen oder einen gänzlich anderen Sinn ergebe.

„In our company you have to be physically fit.“

Physiker von BMW während der „Digital Life Design“-Konferenz 2020 in München. Er wollte sagen, dass man bei BMW etwas von Physik verstehen müsse (You have to know your physics). Stattdessen erfuhr das Publikum, er sei körperlich gut in Schuss.

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„Von der Stange“ statt „über den Tellerrand“

Ein Beispiel ist die Formulierung „out of the box“, die auf Deutsch gern benutzt wird, wenn man klarmachen möchte, über den Tellerrand hinauszuschauen und das Große, Ganze im Blick zu haben. Doof nur, dass out of the box „von der Stange“ bedeutet, also im Grunde das exakte Gegenteil dessen, was der hybrid­-weltläufige Manager seinem Kollegenkreis mit auf den Weg geben möchte. Thinking outside the box hingegen steht für das, was eigentlich gesagt werden sollte: über den Tellerrand hinauszuschauen, neu zu denken.

„Dazu kommen dann“, so Peter Littger, „hybride Formen auf Deutsch wie ,weil das ist anders‘, anstatt ,weil das anders ist‘ – also immer anglisiertere Satz­konstruktionen. Das alles sind Formen der, wie ich es nenne, Anglizitis. Für mich ist das eine Krankheit.“ Eine Krankheit, die auch ein Produkt der zunehmenden Internationalisierung sei. Einer Internationalisierung, die offensichtlich gerade für Deutsche eine Herausforderung ist.

„Es gibt drei Gründe, eine Fremdsprache – in diesem Fall Englisch – anzunehmen“, sagt Peter Littger. „Das ist erstens eine thematische Anschluss­fähigkeit. Das Zweite ist Effizienz, weil irgendwas praktischer, kürzer, schöner ist – und das Dritte ist Image. Also wie wirke ich, wie komme ich rüber? Und das, glaube ich, spielt eine sehr große Rolle, als müsse man nach wie vor irgendwas vorgeben zu sein. Vielleicht hat das auch etwas damit zu tun, dass es Deutschen oft im Ausland peinlich ist, andere Deutsche zu treffen und sie gern was anderes sein würden.“

Ganz besondere Blüten treibt dieser Ehrgeiz, weltläufig zu sein, auch in Corona-Zeiten bei Online­konferenzen und Meetings. In dem Kapitel „We have acoustic problems“ widmet sich Littger diesen neuen Herausforderungen mit Hingabe. Dort versucht er aufzuklären, „warum deutsch­sprachige participants einem meeting oft nicht mit dem weltweit gängigen Satz Hello everyone! beitreten, sondern lieber mit einer dieser drei denglischen Fanfaren:

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‚Hello together!‘, ,Hello in the round!‘, ,Hello also from my side in the round!‘“

Komprimiert Lehrreiches – und immer was zu lachen

Diese paar Zeilen sind typisch für den ganz eignen Littger-Stil. Richtiges Englisch, ob amerikanisch oder britisch, wird durch Kursiv­schrift abgebildet, denglische Exzesse hingegen nicht. So lässt sich schon typografisch der Unterschied zwischen Akkuratesse und Absurdität erkennen. Dazwischen gibt’s komprimiert Lehrreiches – und immer was zu lachen. Da wird nicht von oben herab doziert, sondern von mitten drin bilanziert – etwa, wenn es um Verbindungs­probleme bei einer Konferenz­schaltung geht, hier ein Auszug:

„Im Englischen von ,acoustic problems‘ zu sprechen, ist zwar irgendwie verständlich und deshalb tolerabel, klingt aber trotzdem seltsam. Als gäbe es Probleme mit dem musikalischen Stil, den Bob Dylan zum Entsetzen mancher fans vor 55 Jahren aufgegeben hat und der seit den 1990ern auch unplugged genannt wird. Stimmt hingegen etwas mit der Tonübertragung nicht, sind sound problems oder technical issues/problems gemeint. Auch könnte man sagen:

‚I cannot hear you. Can you hear me (now)?‘

Da es schnell zu einer technischen ‚Rückkopplung‘ kommen kann, schadet es nicht zu wissen, dass es sich dabei nicht etwa um ,backcoupling‘ oder so ähnlich handelt, sondern um feedback im guten alten Sinn. Das bedeutet erstens, dass man es so benennen muss: ‚There’s a feedback (noise) in the line. Please turn down your (loud)speakers!‘ Zweitens darf man nicht immer annehmen, dass eine Person aus heiterem Himmel eine kommunikative Rückmeldung geben möchte, wenn von feedback die Rede ist.“

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So geht’s bei Littger leichtgängig durchs schwere Terrain deutsch-englischer Verwirrungen. Der große Charme seiner Bücher und Kolumnen liegt hierbei wie bereits erwähnt in der Mischung aus Ernsthaftigkeit, was das Sujet angeht, jeder Menge Lehrreichtum, garniert mit Humor und ergänzt durch lexikalisch-präzise Listen mit korrekten englisch-deutschen Begriffspaaren. Das ist echtes learning by reading.

Let’s go to the station!

Das sagte ein Göttinger Chefarzt jahrelang zu englischsprachigen Patienten, wenn es auf Station gehen sollte. Die heißt allerdings ward.

Das alles ist bei Peter Littger aber nicht nur ein flammendes Plädoyer für vernünftiges Englisch. Es ist auch ein Appell, die veränderten Gegebenheiten im Lande anzuerkennen. „Warum“, so fragt Littger, „hat denn die FDP ihr Wahlprogramm in zehn Sprachen angeboten? Weil deutsche Staatsbürger eben nicht immer automatisch Deutsch sprechen. Wir machen uns häufig nicht klar, dass in diesem Land 30 Millionen Menschen mit Migrations­hintergrund leben. Die kommen aus aller Welt und häufig aus Asien. Und für diese Menschen ist Englisch lingua franca.“

Wer dieses Buch liest, der kann hinterher nicht nur besser Englisch – er kann auch besser Deutsch. Und mit Kapiteln wie „The art of Schweinkram“ oder „The wurst case scenario“ ist man bestens gewappnet für alle nur möglichen Herausforderungen des deutsch-englischen Alltags.

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