Israelisches Herz aus dem Drucker: „Zwei Neuigkeiten für die Forschung“

Prof. Dr. Dr. Hermann Reichenspurner, Direktor der Klinik und Poliklinik für Herz- und Gefäßchirurgie und ärztlicher Leiter des Universitären Herzzentrums am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE).

Prof. Dr. Dr. Hermann Reichenspurner, Direktor der Klinik und Poliklinik für Herz- und Gefäßchirurgie und ärztlicher Leiter des Universitären Herzzentrums am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE).

Hannover. Im Interview mit dem RedaktionsNetzwerk Deutschland ordnet Professor Dr. Dr. Hermann Reichenspurner (59), Direktor der Klinik und Poliklinik für Herz- und Gefäßchirurgie und ärztlicher Leiter des Universitären Herzzentrums am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE), den Forschungserfolg der israelischen Wissenschaftler ein.

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Was sagen Sie denn aus kollegialer Sicht zu diesem Forschungsergebnis?

Grundsätzlich ist das natürlich eine hochinteressante Forschung, Organe aus körpereigenem Gewebe zu züchten, um Probleme wie Abstoßungsreaktionen zu vermeiden. Man muss auf der anderen Seite aber sagen: Die Züchtung von Herzgewebe ist nichts neues. Da beschäftigen sich Forscher seit mehreren Jahrzehnten mit – unter anderem eine Wissenschaftlergruppe hier am UKE in Hamburg unter Leitung von Professor Eschenhagen am Institut für Pharmakologie, die seit 20 Jahren die Züchtung menschlichen Herzgewebes erforscht.

Was ist denn neu an dem Herz von Tel Aviv?

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Das Neuartige an dieser Forschungsarbeit ist, dass es eben eine Züchtung von Herzgewebe und den dazugehörigen Blutgefäßen ist und dass das Ganze in Form eines biologischen 3D-Druckers hergestellt wird. Das sind die beiden Neuigkeiten an dieser Forschung.

Der israelische Studienleiter Professor Tal Dvir hat sich optimistisch geäußert, dass in zehn Jahren in den führenden Kliniken derlei Drucker stehen werden. Halten Sie das für reine Science Fiction oder für eine durchaus ernstzunehmende Prognose?

Also ich glaube, das ist etwas optimistisch formuliert, aber man muss in der Forschung natürlich optimistisch sein, um weiterzumachen. Grundsätzlich gibt es, wie gesagt, diese Ideen zur Herzzüchtung schon mehrere Jahrzehnte und so wie ich die Forschung sehe, würden das nächste Tierversuche im Kleintiermodell sein, um zu sehen, ob das funktioniert. Dann müsste man an Großtiermodelle denken und erst ganz viel später an eine mögliche menschliche Applikation. Also ich sehe da eher noch mindestens zehn bis 20 Jahre vergehen, ehe es da zum klinischen Einsatz kommen könnte.

Das ist ja innerhalb der Forschung ein durchaus überschaubarer Zeitraum. Sie halten das also nicht für unrealistisch?

Ich halte das für nicht unrealistisch, dass so etwas innerhalb der nächsten 20 Jahre zum Einsatz kommen könnte – aber nicht innerhalb der nächsten zehn Jahre.

Ist die Herangehensweise, Blutgefäße wie auch patienteneigene Strukturen in dem Gewebe zu verwenden, etwas fundamental Neues oder ist das auch eine Weiterentwicklung der von Ihnen erwähnten Forschungen?

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Nein, das ist eine Weiterentwicklung von bereits bestehender Forschung. Also eigene Stammzellen, sogenannte induzierte pluripotente Stammzellen, werden seit vielen Jahren bei der Züchtung von Gewebe oder Organen verwendet. Das Problem bei den bisherigen Experimenten war immer, werden diese Gewebekonstrukte wirklich auch durchblutet? Das heißt, die Tatsache, dass hier Blutgefäße mit konstruiert wurden, ist sicher hoch interessant. Und die zweite neue Komponente ist eben dieser dreidimensionale Bio-Printer, der diese Organe herstellen soll.

Dass die Blutgefäße „mitgedruckt“ wurden, heißt ja aber nur, dass dieses Herz durchblutungsfähig sein könnte, nicht aber, dass es schon durchblutet wird ...

Genau richtig. Wir wissen noch nichts über die Mikrozirkulation, das ist ganz wichtig. So ein Muskel braucht schon eine kräftige Durchblutung, dass er nicht ischämisch, also sauerstoffarm wird. Da wissen wir noch nichts drüber. Wir wissen nur, dass es Gefäßkonstrukte gibt mit den entsprechenden Verzweigungen, aber ob die Durchblutung durch diese Gefäße ausreichend ist, das wissen wir noch nicht.

Das ist dann wahrscheinlich auch das, was Professor Dvir meinte, als er sagte, man müsse diesem Herzen jetzt noch beibringen zu reagieren wie ein menschliches.

So ist es. Bei diesem interessanten Ansatz gibt es schon noch viele Fragezeichen – wie wird das Herz gesteuert, dass es schneller oder langsamer schlägt.

Aber es ist ein interessanter Ansatz und nichts aus Frankensteins Kabinett?

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Nein, absolut nicht! Diese Forschung basiert auf sehr validen und gut dokumentierten Vorversuchen verschiedener Arbeitsgruppen und es sind ein paar neue Komponenten dazu gekommen.

Wird es in näherer Zukunft Quantensprünge bei der Entwicklung der 3D-Drucker geben?

Das ist ja eine laufende Entwicklung. Wir wissen ja bereits, dass 3D-Printer bei der Herstellung von künstlichen Gelenken, also Skelettmaterial, durchaus erfolgversprechend sind. Jetzt ist ganz neu, dass es eben auch 3D-Bioprinter gibt, die auch ein Organkonstrukt herstellen können. Da ist die Entwicklung im Moment rasant und ich bin sicher, dass sich da in den kommenden zehn Jahren noch viel tun wird.

Von Daniel Killy/RND

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