Jugendforscher Klaus Hurrelmann: “Es wird sich zeigen, ob Corona Fridays for Future hinwegfegt”
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Greta Thunbergs bisher letzter Auftritt in Deutschland am 21. Februar in Hamburg, zwei Tage vor der Bürgerschaftswahl.
© Quelle: Christian Charisius/dpa
Berlin. Am Sonntag jährt sich der Tag der ersten großen bundesweiten Fridays-for-Future-Klimastreiks in Deutschland. Allein in Berlin demonstrierten am 29. März 2019 mehr als 25.000 Schülerinnen und Schüler für mehr Klimaschutz, angeführt von der schwedischen Klimaaktivistin Greta Thunberg. Der Jugendforscher Klaus Hurrelmann hat ein Buch über die “Generation Greta” veröffentlicht und sieht Parallelen zwischen der Klima- und der Corona-Krise.
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Jugendforscher Klaus Hurrelmann von der Hertie School of Governance.
© Quelle: Hertie School of Governance/Vincent Mosch/dpa (2)
In Ihrem neuen Buch untersuchen Sie gemeinsam mit Ihrem Mit-Autor Erik Albrecht die “Generation Greta”. Was ist das für eine Generation und was unterscheidet sie von vorherigen?
Hurrelmann: Die nach dem Jahr 2000 Geborenen werden oft als “Generation Z” bezeichnet. Denn sie folgen der “Generation Y”, der Warum-Generation, die in wirtschaftlich sehr unsicheren Zeiten groß wurde, von Arbeitslosigkeit bedroht war und sich deshalb eine fragende und vorsichtig sondierende Grundhaltung angewöhnt hatte. Wer heute unter 20 Jahre alt ist, der findet eine erheblich bessere berufliche Perspektive vor – es sei denn, die Corona-Krise führt zu einem langanhaltenden wirtschaftlichen Einbruch. Weil die Chancen, jedenfalls bisher, so gut waren, sind die nach der Jahrtausendwende geborenen “Post-Millennials” zu einer politisch ungewöhnlich aktiven Generation geworden. Etwa ein Drittel ist für Umweltschutz und Klimawandel engagiert und mischt die öffentliche Debatte auf. Unter der Anleitung der schwedischen Schülerin Greta Thunberg gründeten sie eine der größten Bewegungen der Nachkriegszeit, “Fridays for Future”.
Auch vor der Corona-Krise hat man von “Fridays for Future” nur noch wenig gehört. Die wöchentlichen Klimastreiks als Druckmittel auf die Politik gibt es nicht mehr, die Mobilisierungsmöglichkeiten scheinen gering. Kann man überhaupt von einer “Generation Greta” sprechen, wenn es tatsächlich nur eine Minderheit ist, die weiterhin politisch aktiv ist?
Hurrelmann: Es waren immer Minderheiten, die eine politische Bewegung aufbauten. Ebenso wie bei der vielzitierten Studentenbewegung der “68er” sind es auch diesmal etwa fünf Prozent besonders gut gebildeter und über ihre Familien sozial abgesicherter junger Leute, die “Fridays for Future” in Schwung bringen, unter ihnen erstaunlich viele Frauen. Aber keine Frage: In den nächsten Wochen wird sich zeigen, ob die Corona-Krise diese Umweltbewegung wegfegt oder ob es den bisher so clever agierenden Anführerinnen gelingt, die Verbindung zwischen der Klimakrise und der gegenwärtigen Gesundheitskrise herzustellen. Die Parallelen sind frappierend: In beiden Fällen handelt es sich um eine existenzbedrohende, unsichtbare Gefahr. Bei der Klimakrise haben die jungen Leute mit fortwährenden “Schulstreiks” darauf hingewirkt, die Politik wachzurütteln und die vorliegenden wissenschaftlichen Erkenntnisse zur Bewältigung der Krise zu beachten. Dieser Ansatz lässt sich auf die Bewältigung der Corona-Krise übertragen. Ich bin gespannt, ob “Fridays for Future” es schafft, diese Parallele politisch deutlich zu machen und damit ihre politische Schlagkraft zu erhalten.
Ein Vorwurf der vergangenen Tage an die jungen Menschen war, dass sie sich in der Corona-Krise unsolidarisch und egoistisch verhielten. Protagonistinnen der “Generation Greta” wie Luisa Neubauer haben sich davon zwar klar distanziert. Trotzdem die Frage: Ist die “Generation Greta” stärker Ich-bezogen und ist das möglicherweise auch der Antrieb für die Klimastreiks nach dem Motto “Meine Zukunft lass ich mir von Euch nicht verbauen?”
Hurrelmann: Es ist offensichtlich, dass die Jugendlichen, die gegen die Beschränkungen von öffentlichen Kontakten angehen, nichts, aber auch gar nichts mit der Bewegung “Fridays for Future” zu tun haben. Die Anhänger der Bewegung sind mit Sicherheit diejenigen, die die jetzigen Regelungen zur öffentlichen Disziplin aktiv unterstützen. Nach unserer Analyse kämpfen diese engagierten jungen Leute vehement darum, den Planeten für ihre eigene Generation lebenswert zu erhalten. Aber sie tun dies – entgegen vieler Vorurteile aus der älteren Bevölkerung – nicht aus Eigennutz, nicht ich-bezogen, sondern mit Blick auf das politische Gemeinwohl. Sie werben ausdrücklich darum, dass die älteren Generationen sich ihren Aktivitäten zur Rettung des Globus anschließen. Eine solche Grundhaltung einer jungen Generation hat es schon lange nicht mehr gegeben. Wir kommen zu dem Schluss, dass Greta Thunberg mit ihrem Verhalten den entscheidenden Impuls dazu gegeben hat.
RND/epd