Korb, Bast oder Rattan: Geflochtene Möbel liegen voll im Trend
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Es darf nicht nur Outdoor sein: Auch im Wohnzimmer machen sich Möbel aus Rattan oder Korb gut.
© Quelle: Ikea/Oskar Falck Photography
Hannover. Manch einer trägt damit das Kaminholz, manch anderer sammelt darin seine Kuscheltiere, wieder andere nutzen sie als Ablageort für Kissen, Sofadecken oder gelesene Zeitungen: Es gibt viele gute Gründe, warum Weidenkörbe derzeit in jedes zweite Wohnzimmer einziehen. Ob mit Henkel, Griffen oder ohne – der aus Weidenruten geflochtene Korb ist einfach praktisch und passt in die kleinste Ecke und zu nahezu jedem Einrichtungsstil. Außerdem, und das ist wohl das entscheidendste Argument, liegt Flechtwerk momentan im Trend. Es wäre etwas zu viel behauptet, im Interieurbereich von einem Bastmöbelboom zu sprechen, dennoch ist augenfällig, dass sich Mobiliar aus Naturfasern wie Rattan, Bast oder Schilfrohr aktuell enormer Beliebtheit erfreuen.
Die Auswahl an geflochtener Einrichtung ist groß
Angefangen bei Sitzgelegenheiten wie Korbstühlen, Loungesesseln oder Sofas über Lampen, Beistelltische und Betten bis hin zu Teppichen und Accessoires wie jenem Weidenkorb ist die Auswahl an geflochtener Einrichtung inzwischen groß. Fast jeder Möbelhändler hat heute Bast als Material im Programm, einige Hersteller setzen sogar komplett auf den Trend – das wäre vor zehn Jahren noch undenkbar gewesen. Damals galten Korbmöbel als altbackene Überbleibsel aus den Siebziger- und Achtzigerjahren – als etwas, das allenfalls noch in Bungalows und Wintergärten aus dieser Zeit passte. Damals waren Möbel aus Rattan tatsächlich groß in Mode: Lässige Sessel, Hocker oder Stühle, die aus dem Rohr der Rattanpalme oder aus Bastfasern geflochten wurden, prägten das Bild auf Terrassen, Balkonen oder auch in Wohnzimmern und versprühten hippen Indochina-Charme in deutschen Wohngemeinschaften. Eher zeitlos sind dagegen Stühle mit Lehnen und Sitzflächen aus Wiener Geflecht, das in den Zwanzigerjahren aufkam und als Klassiker des Interieurs gilt.
Korbmöbel bringen Gemütlichkeit
Rattan- und Korbmöbel haben grundsätzlich warme Farben und weiche Oberflächen. Außerdem fühlt man sich mit ihnen unwillkürlich der Natur ein Stück weit näher.
Nadia Stanke, Innenarchitektin
Dass Flechtmöbel ausgerechnet jetzt wieder angesagt sind, hat für die Innenarchitektin Nadia Stanke aus Euskirchen klare Gründe: „Die meisten Häuser und Wohnungen werden heute sehr offen und großzügig geplant. Mit viel Beton, großen Fenstern und langen Fluchten“, sagt sie. „Zieht man dort ein, fehlt es aber häufig an Atmosphäre und Gemütlichkeit. Die Leute fühlen sich in ihren großen Betonbauten verloren.“ Flechtmöbel seien ein gutes Mittel, um dem Ganzen etwas mehr Behaglichkeit einzuhauchen, erläutert Stanke. Denn: „Rattan- und Korbmöbel haben grundsätzlich warme Farben und weiche Oberflächen. Außerdem fühlt man sich mit ihnen unwillkürlich der Natur ein Stück weit näher.“
Comeback der Möbelklassiker
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Auch Freischwinger erleben ein Comeback.
© Quelle: Thonet
Dass der beliebte Stahlrohr-Freischwinger S 32, den Bauhaus-Architekt Marcel Breuer 1928 entwarf und der seither zu den Verkaufsschlagern der Firma Thonet gehört, mit Rohrgeflecht bespannt wird, während das ganz ähnliche Modell S 533 seines Kollegen Ludwig Mies van der Rohe aus dem Jahr 1927 mit Korbgeflecht daherkommt, spielt dabei eine untergeordnete Rolle. Für die meisten Menschen ist der Unterschied zwischen den einzelnen Flechtmaterialien ohnehin kaum ersichtlich, zumal ständig neue, exotischere Werkstoffe wie Raphiabast, Bambus oder Jute auf den Markt kommen.
Aktuelle Formensprache: Kastig und geometrisch
Rattanmöbel müssen immer ein wenig feucht gehalten werden. Wenn das Holz zu trocken ist, wird es spröde und bröckelt weg.
Innenarchitektin Stanke
Was die Materialien eint, ist eine gewisse natürliche Widerstandsfähigkeit und Witterungsbeständigkeit, weshalb vor allem Rattan bereits seit ein paar Jahren im Outdoorbereich ein Revival feiert. Ganz so lässig und verspielt wie in den Siebzigern sind die heutigen Terrassenmöbel dabei allerdings nicht. „Ein Trend kommt nie eins zu eins wieder“, weiß Innenarchitektin Stanke. Die aktuelle Formensprache ist deutlich kastiger und geometrischer, aber auch ausladender, wie das Beispiel überdimensionaler Sofalandschaften für die Dachterrasse oder das Straßencafé beweist. Der Illusion, dass Korb- oder Rattanmöbel jahrzehntelang unbeschadet im Freien überdauern können, sollte sich jedoch niemand hingeben: Regen, Sonne und Staub hinterlassen selbstverständlich auch auf Flechtwerk ihre Spuren, in der Regel neigen Rattanstühle und Co. dazu, auszubleichen und brüchig zu werden. Ein geschütztes Winterquartier und leichte Pflege sind für geflochtenes Gartenmobiliar daher Pflicht, und nicht nur das – auch die Bastmöbel im Haus sollten ab und an sanft mit Wasser gereinigt werden. Das tut dem Material gut: „Rattanmöbel müssen immer ein wenig feucht gehalten werden. Wenn das Holz zu trocken ist, wird es spröde und bröckelt weg“, warnt Nadia Stanke. Egal, ob Korbstuhl, Rattantruhe oder Weidenkorb – die Innenarchitektin empfiehlt, die Möbel in regelmäßigen Abständen mit einem Tuch oder einer Spritze zu befeuchten, damit sie biegsam bleiben. Im Internet wiederum schwören manche auf Wasser mit Sattelseife, das mache das Material noch geschmeidiger.
Möbeldesigner setzen auf Geflochtenes
Ob ein geflochtener Loungesessel vom Hersteller ursprünglich für die Terrasse oder doch eher für das Wohnzimmer vorgesehen wurde, spielt ohnehin keine Rolle mehr. Die Grenzen zwischen drinnen und draußen sind fließend. Rattanmöbel machen sich überall gut. Bei allem Fortschritt und aller Innovation herrschen in diesen Zeiten Sehnsucht nach Natur und das Streben nach Nachhaltigkeit vor. Das spiegelt sich auch im Angebot wider: Nicht nur Größen wie Thonet setzen wieder auf ihre legendären Flechtwerkstühle, auch spezialisierte Labels wie der niederländische Lampenproduzent Ay illuminate mit seinen handgefertigten Rattanleuchten können punkten. Sogar Ikea hat mit „Stockholm 2017“ den Bastmöbeln eine eigene Linie gewidmet.
Wem das alles nicht individuell genug ist, der kann auch selbst Hand anlegen. Das jahrhundertealte Korbflechten feiert gerade eine Renaissance. Anleitungen gibt es in Büchern oder Workshops – auch für Weidenkörbe.
RND