Leben oder Tod? Weltklimakonferenz entscheidet über die Zukunft der Arktis
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Wassertropfen tropfen von einem Eisberg, der von Mitgliedern von "Arctic Basecamp" geliefert wurde und in der Nähe des UN-Klimagipfels COP26 ausgestellt wird.
© Quelle: Alastair Grant/AP/dpa
New York. Twila Moon ist regelmäßiger Gast in Grönland. Bei jedem Besuch sind Frust und Ernüchterung für die Forscherin vorprogrammiert. Sie trauere um all das, was schon unwiederbringlich verloren sei, sagt Moon mit Blick auf die sicht- und spürbaren Folgen des Klimawandels. Die Arktis hat sich den Messungen zufolge in den vergangenen 50 Jahren drei Mal schneller aufgewärmt als andere Regionen der Erde. Ihr Überleben steht auf dem Spiel, und die Ergebnisse der Weltklimakonferenz in Glasgow könnten entscheidend sein dafür, ob künftig Eis oder Wasser am Nordpol zu finden ist.
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Die Entscheidungen, die jetzt zum künftigen CO2-Ausstoß getroffen werden, stellten die Weichen, betont Moon: Je nachdem, welche Belastung an Treibhausgasen die Politik der Erde noch zumute, bedeute das „einen unglaublich großen Unterschied, wie viel Eis wir erhalten und wie viel wir verlieren und wie schnell“, erklärt die Wissenschaftlerin vom US-Polarforschungszentrum NSIDC.
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Der vier Tonnen schwere Eisblock, ursprünglich Teil eines größeren Gletschers, wurde von Klimawissenschaftlerinnen und -wissenschaftlern des "Arctic Basecamp" von Grönland nach Glasgow gebracht, um den Staats- und Regierungschefs das Ausmaß der Klimakrise vor Augen zu führen und sie daran zu erinnern, was die Erwärmung der Arktis für unseren Planeten bedeutet.
© Quelle: Alastair Grant/AP/dpa
Menschheit habe noch nie eisfreie Arktis erlebt
Das arktische Eis schrumpft immer mehr, einige Gletscher sind schon verschwunden. Auch der eisige Permafrost-Boden taut auf, Buschbrände brechen aus, und in Sibirien wurden bereits Temperaturen an die 40 Grad Celsius gemessen. Das Schicksal der Arktis wirkt sich nach Erkenntnissen von Klimaforschenden außerdem bereits jetzt in Wetterextremen an anderer Stelle des Globus aus – sei es über Veränderungen in Luftströmungen oder über den Anstieg des Meeresspiegels.
Eine zu bestimmten Jahreszeiten eisfreie Arktis habe die Menschheit nie erfahren, sagt der frühere Nasa-Chefwissenschaftler Waleed Abdalati, Leiter des Umweltprogramms an der Universität von Colorado. Das sei „wie ein Hammerschlag fürs Klimasystem“.
Arktis verändere nicht nur Temperatur, sondern ganzen Zustand
Und Schmelzen führt zu weiterem Schmelzen, wie die Fachleute erklären. Mit einem Mantel aus Eis und Schnee reflektiert die Arktis Sonnenlicht und Wärme. Bekommt der Mantel Risse und schmilzt im Sommer das Eis auf dem Meer, „dann liegen da wirklich dunkle Meeresoberflächen frei“, sagt Moon. Die wärmen sich leichter auf. „Gerade so wie ein schwarzes T-Shirt“, erklärt die Forscherin. „Die Arktis verändert sich nicht nur in der Temperatur“, ergänzt ihr Kollege Abdalati. „Sie verändert ihren Zustand. Sie wird zu einem anderen Ort.“
Die Nordpolarregion sei noch zu retten, oder zumindest teilweise zu erhalten, sagt John Walsh von der Universität von Alaska in Fairbanks, aber nicht, wenn das 1,5-Grad-Ziel verfehlt werde. Im Klimaabkommen von Paris hatte sich die Staatengemeinschaft das Ziel gesetzt, die Erderwärmung möglichst auf 1,5 Grad Celsius im Vergleich zum vorindustriellen Zeitalter zu begrenzen – oder zumindest einen 2-Grad-Anstieg nicht zu überschreiten.
„Das Eis ist inzwischen sehr gefährlich. Es ist unberechenbar.“
John Waghiyi lebt in Savoonga in Alaska
Arktis hat sich bereits um zwei Grad erwärmt
Seit Ende des 19. Jahrhunderts hat sich die Erde bereits um 1,1 Grad Celsius aufgewärmt, in zunehmendem Tempo. Und die Arktis hat dabei die 2-Grad-Grenze längst durchbrochen, wie Julienne Stroeve von der Universität von Manitoba hervorhebt. Für John Waghiyi und seine Nachbarn ist die Klimakrise indes keine Frage der Zahlen und der Zehntelgrade, sondern bittere Wirklichkeit. Die Eisschmelze ist für ihn schmerzlich spürbar. „Das Eis ist inzwischen sehr gefährlich. Es ist unberechenbar“, sagt der Mann aus Savoonga in Alaska.
„Das Packeis ist für uns alle wichtig, für den Geist, die Kultur und physisch“, betont er, also auch für die Jagd und die Versorgung. Dalee Sambo Dorough, der Vorsitzende der Inuit-Organisation ICC, die rund 165.000 Menschen in mehreren Ländern der Region vertritt, stimmt ihm zu. Ohne Eis ist die Arktis nicht die Arktis. Denn das ist nach Doroughs Worten „ein Herzstück unserer Identität“.
RND/AP