Verlieren wir die Verbindung zur Natur, Polarfotograf Copeland?

"Wir sind nur eine Spezies, eine sehr kleine im Vergleich zur Welt der Natur", sagt der Fotograf Sebastian Copeland.

"Wir sind nur eine Spezies, eine sehr kleine im Vergleich zur Welt der Natur", sagt der Fotograf Sebastian Copeland.

Der Fotograf und Umweltforscher Sebastian Copeland hat zahlreiche längere Expeditionen in die Polarregion unternommen. Mit dabei ist immer seine Kamera, mit der er beeindruckende Fotografien von der außergewöhnlichen Landschaft festhält – und damit auch die Veränderungen durch den Klimawandel.

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Bekanntheit erlangte Copeland unter anderem durch den Bildband (2007): „Antarctica: The Global Warning“. Im Moment lebt der 56-Jährige mit amerikanisch-französisch-britischem Hintergrund mit seiner Familie in München. Er bezeichnet sich selbst als Umweltaktivist. Ein Beispiel: Für einen besseren Schutz der Meere und Fischbestände engagiert er sich unter anderem mit dem Marine Stewardship Council (MSC) in der Kampagne #besserfischer.

Sebastian Copeland unterwegs in der Eiseskälte, Breitengrad 86, sechs Wochen später den Nordpol erreicht. (2009)

Sebastian Copeland unterwegs in der Eiseskälte, Breitengrad 86, sechs Wochen später den Nordpol erreicht. (2009)

Im RND-Gespräch erzählt er von der beeindruckenden Natur, die er während seiner Polar-Expeditionen kennengelernt hat. Gleichzeitig warnt er vor den Folgen des sich selbst überschätzenden Menschen - und fordert mehr Empathie.

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Sebastian Copeland, Sie haben zahlreiche Expeditionen als Polarforscher und Fotograf in der Arktis unternommen. Was haben Sie von der Natur gelernt?

Es gibt nichts Schöneres als in die Natur einzutauchen. Man spürt das Kräfteverhältnis zwischen Mensch und Natur. Wenn wir im Winter mit unseren Iphones in unserem beheizten Zuhause Gespräche führen, ist es leicht, die Menschheit als das Höchste, Dominante auf diesem Planeten zu sehen. Sobald ich mich aber aus dieser Umgebung heraus bewege, hinaus auf den Ozean, oder noch antagonistischer, auf das Eis, merke ich, wie zerbrechlich und verletzlich ich eigentlich bin. Ich habe festgestellt, dass ich gar nicht so viel Luxus brauche, wie es mir von der Gesellschaft vermittelt wird.

Verlieren wir Menschen die Verbindung zur Natur?

Städte werden immer bevölkerungsreicher, die Menschen ziehen weg vom Land. In diesen Umgebungen ist es sehr leicht, die Auswirkungen zu vergessen, die wir auf die Natur haben. Wenn ich in der Stadt Müll erzeuge, habe ich normalerweise einen Mülleimer, in den ich diesen werfe. Er wird von einem Lkw abgeholt und ich habe keine Ahnung, wohin er gebracht wird. Und es interessiert mich auch nicht wirklich.

Eine ruhige, stille Nacht auf der nördlichsten kanadischen Insel Ellesmere. Die kalte Eisschmelze hat eine hohe Dichte, wodurch sie weniger anfällig für Windstörungen ist und nahezu perfekte Reflexionen erzeugt. (2008)

Eine ruhige, stille Nacht auf der nördlichsten kanadischen Insel Ellesmere. Die kalte Eisschmelze hat eine hohe Dichte, wodurch sie weniger anfällig für Windstörungen ist und nahezu perfekte Reflexionen erzeugt. (2008)

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Natur und Mensch in Beziehung

Die städtische Umgebung lässt uns etwas vergessen, was im Zentrum unserer Überlebens- und Entwicklungsfähigkeit stand.

Würden Menschen ihre eigene Verbindung zur Natur wieder mehr verstehen, wenn sie dort mehr Zeit verbrächten?

Zeit in nahezu unberührter Landschaft zu verbringen macht Spaß. Es ist herrlich, da rauszugehen. Es ist schön, es ist sauber, es ist rein. Das sollte man wirklich zu schätzen wissen. Die städtische Umgebung lässt uns etwas vergessen, was im Zentrum unserer Überlebens- und Entwicklungsfähigkeit stand: Wir sind nur eine Spezies, eine sehr kleine im Vergleich zur Welt der Natur. Wir haben einen großen Einfluss auf sie, aber verstehen unsere Beziehung zum Planeten nicht wirklich. Das Hinausgehen in die Natur gibt uns diese direkte Verbindung zurück.

Sie haben die dramatischen Folgen des Klimawandels in Bildern festgehalten, die berühmt geworden sind. Was kann die Fotografie vermitteln, wenn die Wissenschaft an ihre Grenzen stößt?

Die Wissenschaft, der ich sehr nahe stehe, ist ein wesentlicher Bestandteil der Diskussion. Aber es gibt auch individuelles Handeln, Politik und Kunst. Fotografie ist eine unmittelbare Möglichkeit, Menschen dabei zu helfen, an Orte zu reisen, die die meisten niemals mit eigenen Augen sehen können – weil diese Orte physisch und auch finanziell schwer zu erreichen sind, weil sie teilweise die abgelegensten Orte unserer Erde sind.

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Reisen durch die hohe Arktis bedeutet, den Lebensraum mit dem gefährlichsten Raubtier des Planeten zu teilen. „Wenn man alleine reist, ist eine Begegnung immer beeindruckend und erzeugt gleichzeitig eine gute Herzpumpe.“ (Devon Island, Canada 2008)

Reisen durch die hohe Arktis bedeutet, den Lebensraum mit dem gefährlichsten Raubtier des Planeten zu teilen. „Wenn man alleine reist, ist eine Begegnung immer beeindruckend und erzeugt gleichzeitig eine gute Herzpumpe.“ (Devon Island, Canada 2008)

Hund Zephyr ist nicht der beste Schutz gegen Eisbären, warnt aber frühzeitig, wenn man im Zelt schläft. (2008)

Hund Zephyr ist nicht der beste Schutz gegen Eisbären, warnt aber frühzeitig, wenn man im Zelt schläft. (2008)

Der einzelne Mensch und der Klimawandel

Wir sind alle Aktivisten mit der Wahl, die wir treffen.

Was entgegnen Sie jemandem, der den Klimawandel verneint?

Es gibt einen Grund, warum es die Wissenschaft gibt. Sie hilft uns, unsere Umgebung zu verstehen. Wissenschaftler entscheiden sich nicht dafür, eine Schlussfolgerung zu ziehen, um danach daran zu arbeiten, diese zu rechtfertigen. Es ist umgekehrt. Sie recherchieren und kommen zu Schlussfolgerungen. Sie haben Wissensinstitutionen, eine Struktur des Lernens, über Jahrhunderte gewachsen, multidisziplinär und multikulturell. Meinungsmacher können sich hingegen nur eine Meinung bilden und versuchen, ihre Position zu rechtfertigen.

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Kann ich als Einzelperson überhaupt etwas tun, um dem Klimawandel etwas entgegenzusetzen?

Wenn es eine Sache gibt, die Greta Thunberg uns allen beigebracht hat, dann ist es die Wichtigkeit der Kraft unserer Stimme. Wir sind alle Aktivisten mit der Wahl, die wir treffen. Auch indem ich mich dazu entscheide, bestimmte Dinge nicht zu tun, aktiviere ich meine Stimme. Verwende ich eine bestimmte Ressource, ein bestimmtes Produkt? Wähle ich einen bestimmten Politiker? All das sind Möglichkeiten, um aktiv zu werden.

Der Zugang zur Welt aus Eis und Wasser ist ein Privileg, sagt Copeland. Mit einem Eisbrecher für wissenschaftliche Forschung war er mehrmals in der Polarregion unterwegs.

Der Zugang zur Welt aus Eis und Wasser ist ein Privileg, sagt Copeland. Mit einem Eisbrecher für wissenschaftliche Forschung war er mehrmals in der Polarregion unterwegs.

Klimwandel und Macht

Ich weiß, dass wir die Fähigkeiten und die Ressourcen haben, das Richtige zu tun. Aber haben wir den dringlichen Wunsch danach?

Sie unterstützen einen radikalen gesellschaftlichen Wandel. Wie sollte der aussehen?

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Es gibt drei Akteure des gesellschaftlichen Wandels: Politiker, Führungskräfte aus der Wirtschaft und Verbraucher. Politiker wollen gewählt werden, also dienen sie dem Willen der Menschen, die sie wählen. Unternehmer wollen Produkte liefern, für die sie einen Markt haben. Wir brauchen zum Beispiel einen Übergang zu einer emissionsfreien Wirtschaft. Der Verbraucher kann mehr laufen, ein Fahrrad benutzen, ein E-Auto kaufen. Das kann ein Signal an die Industrie senden, dass Konsumenten nachhaltigere Produkte wollen. Die Führungskräfte verändern dadurch ihr Geschäftsmodell.

Das Eis schmilzt, die Ozeane sind wärmer als je zuvor: Sind Sie noch optimistisch, wenn die Zukunftsprognosen so negativ ausfallen?

Es wäre töricht, sich keine großen Sorgen zu machen. Ich weiß, dass wir die Fähigkeiten und die Ressourcen haben, das Richtige zu tun. Aber haben wir den dringlichen Wunsch danach? Das weiß ich nicht. Die Transformation der Gesellschaft ist nicht nur durch Technologie und Wissenschaft bestimmt. Sie muss auch sozial sein. Ich glaube, Empathie ist essenziell für die Zukunft. Was uns erst menschlich macht, ist unsere Fähigkeit, uns um die Artenvielfalt, um die Natur zu sorgen. Wenn wir die Verbindung, die wir mit der Natur haben und welche die Quintessenz unseres Überlebens darstellt, nicht schützen können – wofür kämpfen wir dann?

Zuhause für zwei aufeinanderfolgende Saisons in der Antarktis - die Ice Lady Patagonia, ehemals ein norwegisches Küstenwachen-Schiff.

Zuhause für zwei aufeinanderfolgende Saisons in der Antarktis - die Ice Lady Patagonia, ehemals ein norwegisches Küstenwachen-Schiff.

Weitere Bilder von Sebastian Copeland und seinen Expeditionen sind im Instagram-Account @copelandadventures und bei Facebook zu finden: @SCopelandAdventures

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