Warum Erwachsene Angst vor Spinnen haben – und Kinder mit ihnen spielen
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Die Angst vor Spinnentieren existiert kulturunabhängig fast auf der ganzen Welt.
© Quelle: Uwe Anspach/dpa
Eine Spinne im Zimmer sorgt bei vielen Erwachsenen schon für Panik. Wie bekomme ich sie hinaus, möglichst ohne sie zu berühren? Angst und Ekel spielen dabei eine große Rolle. Ganz anders ist die Reaktion jedoch bei Kleinkindern – hier gibt es oft keinerlei Berührungsangst. Die Forscherin für Entwicklungspsychologie Stefanie Höhl erklärt, woher die meist unbegründete Angst vor den Krabbeltieren kommt und wie man dieser entgegenwirken kann.
Das Spinnen-Monster
Der Klassiker oder auch das meist gefürchtete Krabbeltier ist die Spinne. Wie Schülerinnen und Schüler auf sie und andere Krabbeltiere wie Insekten reagieren, hat ein Team um den Psychologen Georg Alpers in einer Studie untersucht: Hierbei lösten Spinnen die größte Angst und den meisten Ekel aus. Das Ergebnis sorgte zunächst für Verwunderung. Warum war die Angst bei Bienen nicht so groß, obwohl diese mit einem Stich auch Schmerzen verursachen? Die Forscherinnen und Forscher erklärten es damit, dass Menschen bereits an Bienenstiche gewöhnt seien. Durch diese Gewöhnung werde die Angst kleiner. Anders verhält es sich bei Spinnen: Nur wenige hätten bereits einen Spinnenbiss erlebt. Zu wenige, um zu wissen, dass die Bisse oft harmlos sind.
Dieser Effekt zeigt sich auch in anderen Ländern und Kulturen. Eine Studie der London School of Hygiene and Tropical Medicine zeigte, vor welchen fünf Dingen sich Menschen am meisten ekeln. Dazu sollten mehr als 2700 Teilnehmer auf einer Skala ankreuzen, was sie sehr eklig bis gar nicht eklig fanden. Unter den sechs Dingen, die sie am ekligsten fanden, waren Tiere und Insekten, die als Krankheitsüberträger gelten.
Von Ekel bis Angst
Der Begründer der Evolutionstheorie, Charles Darwin, vermutete, dass wir durch Ekel unsere Mitmenschen vor potenziellen Gefahren warnen. Die Mimik für Ekel ist weltweit fast gleich. Dadurch können wir überall und ohne Worte erkennen, wenn etwas zum Beispiel nicht genießbar ist. Eine natürliche Reaktion also – ebenso wie die Angst. Sie ist eine normale Reaktion auf Gefahr.
Ekel und Angst hängen eng miteinander zusammen. Moderne Emotionstheorien gehen davon aus, dass es in der Erfahrung von Gefühlen gar keine strikte Trennung zwischen verschiedenen Kategorien gibt. Der Körper integriert Signale wie den Herzschlag mit Signalen aus der Umwelt, wie dem Anblick einer Spinne. „Ob wir dann beispielsweise einen erhöhten Puls beim Anblick einer Spinne als Angst, Ekel oder sogar positive Neugier oder Freude interpretieren, hängt stark von unseren bisherigen Erfahrungen und unserem Wissen ab.“, erklärt Höhl.
Angeboren oder kulturell geprägt?
In Deutschland gibt es – mit wenigen Ausnahmen – keine gefährlichen Insekten oder giftigen Spinnen. Warum empfinden Menschen also Angst, wenn sie eine Spinne sehen? Eine Studie des Leipziger Max Planck-Instituts aus dem Jahr 2017 lieferte eine interessante Erklärung.
Lange Zeit wurde geglaubt, dass Babys als unbeschriebenes Blatt („tabula rasa“) zur Welt kommen, und alle Eigenschaften und Verhaltensweisen erst erlernen. Diese Theorie ist bereits widerlegt. Kinder bekommen verschiedene Eigenschaften ihrer Eltern vererbt. Kann also auch die Angst vor bestimmten Tieren angeboren sein? Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlicher am Leipziger Max-Planck-Institut haben Experimente mit sechs Monate alten Kleinkindern durchgeführt. Den Babys wurden Bilder von Spinnen und Schlangen gezeigt. Mit sogenannten Eye-Trackern wurde dann die Pupillentätigkeit der Kinder gemessen. Das Ergebnis: Bei Bildern einer Schlange oder einer Spinne reagierten die Kinder mit vergrößerten Pupillen, ein Signal für eine erhöhte Aufmerksamkeit und eine Stressreaktion. Das zeige, dass die Angst vor Spinnen oder Schlangen tatsächlich angeboren sein kann. „Wir vermuten, dass sie eine evolutionär erworbene Bereitschaft haben, Angst mit diesen Tieren zu verknüpfen“, so Prof. Dr. Stefanie Höhl, Leiterin der Studie.
„Ängste sind evolutionär tief verwurzelt“
Beim Anblick von Bildern anderer gefährlicher Tiere, wie zum Beispiel Nashörnern oder Bären, reagierten Babys jedoch nicht ängstlich. „Gerade Schlangen und Spinnen haben eine enorm lange Ko-Evolution mit uns als Primaten. Diese Ängste sind evolutionär sehr tief verwurzelt. Auch Makaken-Affen lernen beispielsweise schnell die Angstreaktion eines Artgenossen mit einer Schlange zu verknüpfen, aber nicht mit einer Blume“, erklärt die Forscherin. Dieses evolutionäre Erbe sitze so tief, dass Menschen es heute auch in Regionen der Erde teilen, wo diese Ängste völlig unberechtigt sind.
„Um dann aber eine voll ausgeprägte Angstreaktion oder Ekel zu zeigen, müssen erst Lernerfahrungen gemacht werden“, fügt Höhl hinzu. Bei vielen Kindern überwiegt daher in den ersten Lebensjahren die Neugier. Oft seien sie beim Anblick dieser Tiere sogar besonders aufmerksam und aufgeregt.
Lernerfahrungen könnten direkt erlebt werden, wie bei dem Biss einer Spinne. Meistens seien es jedoch soziale Lernerfahrungen. „Kinder beobachten, wie Menschen in ihrer Umgebung auf diese Tiere reagieren.“ Ob sie positive oder negative Erfahrungen machen, präge dann, wie sie in Zukunft auf die Tiere reagieren werden. Meist seien diese Erfahrungen mit Bezugspersonen verbunden. Aber auch kulturelle Einflüsse, beispielsweise durch Bücher und Geschichten, seien nicht zu vernachlässigen.
Was Eltern tun können
Das Verhalten der Eltern spiele somit eine große Rolle beim Erlernen von Angst- und Ekelreaktionen – Kinder schauen sich die bei anderen ab. „Man spricht hierbei von sozialem Referenzieren und sozialem Lernen. Dazu kommt, dass vom Temperament eher ängstliche Eltern oft dazu neigen, ihre Kinder weniger zu ermutigen, riskante Erfahrungen zu machen, weil sie ihre Kinder schützen wollen“, erklärt Höhl. „Als Elternteil kann man also reflektieren, wie man selbst in bestimmten Situationen reagiert und auch, ob man dazu neigt, das eigene Kind zu ermutigen abenteuerlustig zu sein oder nicht.“ Das Risiko einer Phobie sei erhöht für Kinder, deren Eltern selbst an einer Angststörung leiden.
Eine Studie der Uni Kassel erforschte wie durch die gezielte Gestaltung des Unterrichts in der Grundschule Ekel und Angst gegenüber Spinnen reduziert und Interesse gestärkt werden kann. Dadurch, dass Wissen über Spinnen in den Unterrichtsstoff integriert wurde, konnten letztlich sogar Sympathien für sie entwickelt werden. Auch in Kindergärten wurde festgestellt, dass sich die Angst- und Ekelreaktionen der Kinder durch den wiederholten Umgang mit den Tieren deutlich verminderten.
Das zeigt: Egal mit welcher Disposition ein Kind geboren wird – durch Umwelteinflüsse in der Schule oder der Eltern kann die Entwicklung von Angst gegenüber Insekten und Spinnentieren beeinflusst werden.