Weihnachten: Wie geht richtiges Schenken?
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Wer ein Geschenk macht, kann mit seiner Wahl auch daneben liegen.
© Quelle: Getty Images/iStockphoto
Leipzig. Weihnachten steht vor der Tür – das Fest der Geschenke. Doch was tun, wenn das Geschenk überhaupt nicht gefällt? Darf man das sagen? Oder sollte man lieber den Mund halten, um nicht die Weihnachtsstimmung zu ruinieren? Linda Kaiser ist stellvertretende Vorsitzende der Deutschen-Knigge-Gesellschaft und hat schon mit zwölf Jahren ihren ersten Benimmratgeber gelesen. Sie machte ihr Hobby zum Beruf und weiß, was sich in Deutschland schickt, und was nicht. Das rät sie in Sachen Schenken.
Was macht ein gutes Geschenk aus?
Ein gutes Geschenk kommt von Herzen. Bei einem guten Geschenk geht es nicht um den Geldwert, sondern nur um den ideellen. Bei Kindern ist das etwas anderes, weil die Erwartungshaltung eine andere ist. Kinder wollen ganz konkrete Dinge. Diese Wünsche sollte man tatsächlich erfüllen – zumindest, wenn es die eigenen Möglichkeiten zulassen. Selbstgebasteltes sollte man lieber lassen, wenn der andere damit ohnehin nichts anfangen kann. Am besten lasen sich Präsente verschenken, die man anschließend gebrauchen kann. Eine selbst gemachte Marmelade beispielsweise, Pralinen-Eigenkreationen oder Plätzchen. Das ist allemal besser als beispielsweise das zehnte Kastanien-Tierchen. Mit Blumen kann man übrigens ebenfalls nichts falsch machen. Und auch die Flasche Wein ist in den meisten Fällen passend.
Unpassende Geschenke einfach wegwerfen?
Zumindest sollte man selbstgebastelte Präsente, die man nicht gebrauchen kann, erst entsorgen, wenn die Gäste weg sind. Beim Weiterverschenken hingegen sollte man sehr vorsichtig sein. Das ist eine heikle Angelegenheit, gerade bei einem kleinen Freundeskreis. Da ist die Gefahr zu groß, dass der Schenker sein Geschenk plötzlich bei jemand anderem wiederfindet. Am ehesten ist so etwas möglich, wenn schon beim Auspacken jemand anderes sagt: „Oh, wie schön, das hätte ich auch gerne.“ Dann kann man dem Schenker unter vier Augen sagen: „Hey, du, ich kann mit dem grün karierten Schal nicht so viel anfangen – wäre das okay, wenn ich ihn weitergebe? Ich weiß, dass sich derjenige viel mehr darüber freut.“
Auch weiterverschenken sollte man unpassende Präsente nicht. Das geht meistens nach hinten los. Menschen eines Freundeskreises haben meist dasselbe Informationsumfeld. Irgendwie kommt so was am Ende immer ans Licht.
Darf ich sagen, wenn das Geschenk nicht gefällt?
Lieber nicht! Man muss aber auch nicht in Freudentränen ausbrechen. Lieber höflich bedanken, nicht überschwänglich, und sich freuen, dass jemand etwas Gutes tun wollte. Wenn man ein Geschenk gemacht hat und sich der Beschenkte nicht freut souverän drüber stehen. Wenn der andere sich nicht freut und das auch zeigt, ist er das Problem, nicht der Schenkende. Dann sieht er nicht die Aussage dahinter.
Darf ich sagen, wie teuer ein Geschenk war?
Über Preise spricht man nicht. Man fragt auch grundsätzlich nicht nach. Wenn man ein teures Geschenk bekommt, muss man sich nicht mit einem ähnlich teuren Geschenk revanchieren. So ist das Schenken nicht angelegt. Jeder gibt, was er sich leisten kann und für angemessen hält. Wettbewerb und Imponiergehabe gehören nicht dazu.
Wann sind Geschenke generell angebracht?
Bei privaten Einladungen gehört ein Gastgeschenk immer dazu, bei geschäftlichen nicht.
Geldspenden: Wie überreiche ich die?
Wenn bei Feiern um Spenden gebeten wird, wird das Geld nicht anonym, sondern in einem Umschlag mit Namen überreicht. Die Spende muss kein Geheimnis zwischen Schenker und Beschenktem sein. Wer einen Umschlag mit Geld geschenkt bekommt, bedankt sich und legt den Umschlag dann zur Seite. Niemand erwartet, dass man den Umschlag sofort öffnet und sich bedankt. Nach dem Öffnen den Geber später anrufen und sich bedanken. Oder einen Dankesbrief schreiben.
Muss ich geschenkten Wein sofort kredenzen?
Nein, ganz und gar nicht. Der Wein ist wahrscheinlich ohnehin nicht perfekt temperiert, und es ist fraglich, ob er zum Gericht passt. Zu Fisch beispielsweise wird meist ein leichter Weißwein bevorzugt. Da funktioniert es nicht, wenn die Gäste schweren Rotwein mitbringen. Stattdessen ist es am besten zu sagen: „Danke dafür, den können wir dann ja das nächste Mal zusammen trinken.“ Das gilt übrigens auch für Sekt und Champagner.
Gutscheine: Eine gute Geschenkidee?
Gutscheine sind immer gute und einfache Verlegenheitsgeschenke. Wobei man den Aufwand von Gutscheinen allzu häufig unterschätzt. Wenn ich etwas kaufe, gehe ich einmal ins Geschäft oder ins Internet, bei Gutscheinen hingegen muss ich anschließend noch eine Verpflichtung einlösen. Auch Geld-Gutscheine sind völlig legitim, wenn ich weiß, dass der andere sich darüber freut.
Halte ich mich an Abmachungen, sich zu Weihnachten nichts zu schenken?
Wenn es eine klare Absprache gibt, dann daran halten. Wenn man trotzdem etwas schenken möchte, das lieber zu einer anderen Gelegenheit, Silvester etwa oder Neujahr. Wenn sich hingegen der Partner nicht an die Verabredung hält, muss man deswegen kein schlechtes Gewissen haben. Ein Geschenk zur Sicherheit ist nicht notwendig.
Darf ich Muslimen oder Atheisten Weihnachtsgeschenke machen?
Wenn ein Muslim an einem christlichen Weihnachtsfest teilnimmt, sollte er so tolerant sein, auch Geschenke anzunehmen. Für Atheisten gilt das gleiche. Das Ganze muss ja nicht in eine Geschenkorgie ausarten. Eine Kleinigkeit genügt, ein Buch beispielsweise. Als Gast muss ich wissen, worauf ich mich einlasse. Der Gastgeber wiederum legt den Rahmen und Ablauf des Fests fest. Der Gastgeber sollte sowieso ein Geschenk bekommen.
Werden Verhaltensregeln in der heutigen Zeit immer unwichtiger?
Das täuscht. Im Gegenteil gibt es derzeit sowohl immer mehr Knigge-Trainer, als auch immer mehr Nachfrage nach Knigge-Seminaren. Wir haben das Problem, dass wir Umgangsformen lange Zeit stark vernachlässigt haben. Grund dafür ist vor allem die 68er-Generation, die alles anders machen wollte als ihre steifen Eltern. Dadurch jedoch ist vieles verloren gegangen, das Eltern ihren Kindern heute nicht mehr beibringen. Die jedoch merken, dass ihnen etwas fehlt. Vor allem die unter 20-Jährigen haben gerade ein starkes Interesse, Verhaltensregeln zu lernen, da sie in Zeiten der Digitalisierung das analoge Miteinander nicht mehr richtig beherrschen. Je stärker die Anonymisierung im Netz zunimmt, desto stärker wird auch der Wunsch nach Gemeinschaft im realen Leben. Zumal die Jugendlichen merken: Auf der Strecke bleiben die, die nicht wissen, wie man miteinander umgeht. Das Interesse dazuzugehören ist in den unterschiedlichen Schichten gleichermaßen groß, bei weniger privilegierten Jugendlichen ist es eher noch höher als bei wohlhabenderen. Sobald sie mit dem gesellschaftlichen Leben in Berührung kommen, entsteht eine Neugier.
In den vergangenen Jahren sind ganz neue Bereiche entstanden, in denen sich die Regeln gerade erst herauskristallisieren. Zum Beispiel haben wir in der Knigge-Gesellschaft diskutiert: Wie gehen wir mit dem Smartphone um, wenn wir immer erreichbar sind. Welche neuen Regeln gibt es da? Zum Beispiel, dass Persönliches immer Vorrang hat. In Gruppen und im privaten Gespräch sollte das Handy immer ausgeschaltet oder im Flugmodus sein.
Warum reicht es nicht, sein Handy auf Vibration zu stellen?
Weil auch das bereits ablenkt und die Kommunikation beeinflusst. Ein anderes Beispiel für neuen Regelungsbedarf ist der Schutz des Anrufers. So werden private Telefonate an öffentlichen Orten zum Gemeinschaftsevent mit unbekannten Dritten. Da sollte man lieber so fair sein und erst miteinander telefonieren, wenn man wirklich ungestört miteinander reden kann. In anderen Bereichen dagegen fallen Regeln weg. Zum Beispiel waren Kinder auf Feiern früher ein Ding der Unmöglichkeit. Heute gehören sie zu fast allen Anlässen wie selbstverständlich dazu.
Von RND/Julius Heinrichs