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Wenn der Mann scheinbar keine Lust auf Familienleben hat

Eltern sein, Paar bleiben: In unserer Kolumne "Lass uns reden" unterstützen die Paartherapeuten Daniel Konermann und Marga Bielesch Eltern und Paare in ihrer Rolle und helfen dabei, leidige Konflikte hinter sich zu lassen.

Eltern sein, Paar bleiben: In unserer Kolumne „Lass uns reden“ unterstützen die Paartherapeuten Daniel Konermann und Marga Bielesch Eltern und Paare in ihrer Rolle und helfen dabei, leidige Konflikte hinter sich zu lassen.

Der Praxisschock ist mitunter hart: Wenn aus einem Liebespaar eine Familie wird, bringt das oft viele (unerwartete) Herausforderungen mit sich. Der Übergang verläuft keinesfalls immer reibungslos – so wie in unserem aktuellen Fall, in dem uns eine enttäuschte Mutter geschrieben hat: „Ich habe das Gefühl, mein Mann hat keine Lust, sich mit unserer kleinen Tochter (5 Monate) zu beschäftigen. In Elternzeit wollte er nicht gehen, lediglich zwei Wochen Urlaub hat er sich am Anfang genommen. Seither arbeitet er gefühlt mehr als zuvor und ist oft erst zu Hause, wenn die Kleine schon schläft. Ich habe das Gefühl, dass die ganze Erziehung, Kinderbetreuung und Hausarbeit ganz an mir hängen bleibt. Wenn ich ihn darauf anspreche, weicht er oft aus oder sagt, dass wir uns ja ein gutes Leben leisten wollen. Mir wäre aber etwas mehr Zeit als Familie wichtiger. Was kann ich tun?“

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Was unsere Paartherapeuten raten:

Marga Bielesch

Marga Bielesch ist Paartherapeutin und lebt mit ihrem Partner und zwei Kindern in Weimar. In ihrer Praxis begleitet sie Paare und Familien in schwierigen Lebenssituationen. Sie ist Mitgründerin der THEKLA -Thüringer Eltern Kind Lern und Aktivkurse.

Zur Person: Marga Bielesch ist Paartherapeutin und lebt mit ihrem Partner und zwei Kindern in Weimar. In ihrer Praxis begleitet sie Paare und Familien in schwierigen Lebenssituationen. Sie ist Mitgründerin der Thekla (Thüringer Eltern Kind Lern- und Aktivkurs).

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Mit diesem Gefühl bist du nicht allein. Wenn aus einem Paar eine Familie wird, braucht es anfangs etwas Zeit, um sich in der neuen Konstellation finden zu können. Übermüdung, neue Aufgaben oder unerfüllte Erwartungen tun dabei ein Übriges. Es kann vermehrt zu Reibereien und Streit kommen – auch über die Rolle und die Aufgaben als Mutter und Vater. Das ist normal: Mit der Geburt eines Kindes müssen die Partner immerhin ein Stück auseinanderrücken, damit Platz für das Baby entsteht. Zugleich stehen Mann und Frau vor der Entwicklungsaufgabe, eine neue Rolle einhergehend mit Aufgaben und Verantwortung einzunehmen. Das kann zu Verunsicherung bei den Eltern und vorher noch nicht da gewesenen Paarkonflikten führen. Gerade für den Elternteil, der die meiste Zeit mit dem Kind verbringt, ist die Umstellung groß. Eben noch mit beiden Beinen im Berufsleben und nun 24 Stunden lang Mutter oder Vater. Ein Vollzeitjob auf einem ganz neuen Gebiet.

Mit der Geburt eines Kindes müssen die Partner immerhin ein Stück auseinanderrücken, damit Platz für das Baby entsteht.

Verständnis und Anerkennung für den Partner

Du beschreibst deine Gefühle sehr deutlich. Aus deiner Sicht hat dein Partner vor allem seine Arbeit im Blick und nur wenig Interesse am Kind. Das ist eine Vermutung, die sicherlich aus einer Enttäuschung heraus entstanden ist. Dir fehlt zudem die Unterstützung im Alltag und vermutlich auch die Anerkennung für das, was du leistest. Mein Lösungsansatz für dich und andere junge Eltern wäre deshalb: Geht miteinander ins Gespräch und redet offen über das, was euch beschäftigt. Sprecht über eure Wünsche, eventuelle Unzufriedenheit und eure Vorstellungen von Familie und Partnerschaft – und zwar beide. Dein Mann fühlt sich vermutlich als Versorger und möchte seiner Familie einen gewissen Lebensstandard ermöglichen. Dafür muss er arbeiten gehen. Ihm fehlen vielleicht auch das Verständnis und die Anerkennung für das, was er leistet und zur Familie beiträgt.

Manche Väter brauchen mehr Zeit

Wichtig ist, den Partner nicht mit Vorwürfen, Zuschreibungen und Kritik zu überhäufen, denn das sind Kommunikationssperren. Ein gutes Gespräch kann so nicht entstehen, eher das Gegenteil tritt ein. Um Konflikte lösen zu können, ist es notwendig, die Belange des Partners zu kennen. Durch ein offenes und ehrliches Gespräch erhaltet ihr die Chance, Dinge neu auszuhandeln und Missverständnisse aus der Welt zu schaffen. Ein weiterer Aspekt: Manche Männer brauchen auch einfach etwas mehr Zeit, um sich in der Vaterrolle einzufinden. Für sie beginnt der aktive Beziehungsaufbau zum Kind erst, wenn das Baby auf der Welt ist.

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Wichtig ist, den Partner nicht mit Vorwürfen, Zuschreibungen und Kritik zu überhäufen, denn das sind Kommunikationssperren.

Mütter haben durch die Schwangerschaft und die körperliche Verbundenheit mit dem Kind diesbezüglich einen kleinen Vorsprung, der es vielen von ihnen erleichtert, schneller ihren Platz in der Mutterrolle einzunehmen. Deshalb ist es gewinnbringend, das Gespräch zu suchen und in Ruhe zu führen. Das ist im hektischen Familienalltag oft schwer, aber wichtig für ein gutes Miteinander. Schaut doch auch mal auf das Positive in eurer Beziehung. Was läuft gut und kann so bleiben, wie es ist? Wo zieht ihr am selben Strang? Was verbindet euch?

Daniel Konermann

Daniel Konermann ist psychologischer Psychotherapeut und lebt mit seiner Frau und zwei Kindern in Heidelberg. Er hat eine Praxis für Einzel- und Paartherapie und gibt regemäßig Fortbildung zum Thema Achtsamkeit & Burnoutprophylaxe.

Zur Person: Daniel Konermann ist psychologischer Psychotherapeut und lebt mit seiner Frau und zwei Kindern in Heidelberg. Er hat eine Praxis für Einzel- und Paartherapie und gibt regelmäßig Fortbildungen zum Thema Achtsamkeit und Burn-out-Prophylaxe.

Nach einer Geburt herrscht meist Ausnahmezustand, auch im Emotionsleben der Eltern. Die Bedürftigkeit und Hilflosigkeit des Babys können in uns Eltern oft auch unbewusst Erinnerungen an die eigene frühe Kindheit auslösen und damit verbundene Gefühle hervorbringen. Männer reagieren auf emotionale Aktivierung häufiger als Frauen mit dem Impuls, sich aus dem Kontakt hinauszubewegen, um sich wieder zu fangen, wobei Frauen tendenziell eher die Nähe suchen, um sich zu stabilisieren. Wenn Unsicherheiten bei Männern zu Beginn der Vaterschaft im Kontakt mit der neuen Situation entstehen, ist die Arbeit häufig auch eine Arena, die Halt und Selbstwirksamkeit bietet – eine Auszeit von der Emotionalität zu Hause.

Männer reagieren auf emotionale Aktivierung häufiger als Frauen mit dem Impuls, sich aus dem Kontakt hinauszubewegen, um sich wieder zu fangen.

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Bei der Rollenverteilung lebt ihr das klassische Modell: Er ist zuständig für das Geld – die materielle Sicherheit und den Lebensstandard. Du für die gemeinsame Zeit und Verbindung untereinander. Das Gefühl dafür, wie viel Einkommen man braucht, um sich entspannt zurücklehnen zu können, ist subjektiv und unterschiedlich, genauso wie die Frage, mit wie viel Kontakt wir uns wohlfühlen. Beide Positionen sind wichtig, und ihr beide solltet berücksichtigen, dass euer Partner einen wichtigen Wert schützt und für ihn einsteht. Wenn beide darin respektiert werden, wird es leichter, positiv ins Gespräch zu kommen. Sprecht darüber, wie eure Bedürfnisse in Balance gebracht werden können. Frag deinen Mann, was er bräuchte, um sich nicht nur in der Arbeit, sondern auch im Familienleben wohl und wirksam zu fühlen. Wie möchte er sich einbringen? Wovon wünscht er sich mehr? Kannst du als Mutter auch loslassen, wenn er mal anders mit dem Kind umgeht, als du es für richtig hältst?

Ein Problem: Überkritische Kommentare

Oft sind überkritische Kommentare der Mutter auch ein Grund, warum Väter sich vom Kontakt mit dem Baby zurückziehen. Väter brauchen Möglichkeiten für ihre eigene Form der Beziehungsgestaltung. Vielleicht könnt ihr kleine Rituale erfinden, in denen dein Mann einmal Zeiten allein mit dem Kind verbringt: Zeit zu zweit fördert die Chance für eine eigenständige Bindung – aber nur dann, wenn die Art des Kontaktes nicht nur kind- sondern auch „vatergerecht“ ist und sie von ihm auch als angenehm erlebt werden kann.

Oft sind überkritische Kommentare der Mutter auch ein Grund, warum Väter sich vom Kontakt mit dem Baby zurückziehen.

Übrigens: Viele Männer berichten, dass sie im ersten Jahr Schwierigkeiten haben, eine enge Bindung mit dem Säugling aufzubauen, und sie sich außen vor fühlen. Wenn die Kinder sprechen und laufen lernen, sieht das meist ganz anders aus, dann ist es für Väter leichter, denn sie können „mehr mit dem Kind machen“, sich über Sprache und Handlungen leichter auf das Kind beziehen.

Sie haben Fragen an Marga Bielesch und Daniel Konermann? Dann schreiben Sie uns an magazin@rnd.de. Wir leiten Ihre Fragen an die Paartherapeuten weiter!

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RND/aufgezeichnet von Birk Grüling

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